(Am 17. Dezember 1842 von 4 1/2 – 6 3/4 Uhr abends.)
[1.21.1] Seht, da ist schon ein recht guter Weg, diesen wollen wir ganz gemütlich fortwandeln. So ihr da hinüberblickt über die linke Hand, so erschaut ihr als Begrenzung einer weitgedehnten Ebene ziemlich hohe, aber dabei doch sanft abgerundete Gebirgszüge, welche gar schön bewachsen sind mit Zedern und allerlei anderen herrlichen Bäumen. Die Scheitel sind allenthalben frei und jeglicher ist mit einer Pyramide geziert, über deren Spitze allenthalben ein heller Stern leuchtet. Wenn ihr aber hier gerade voraus schaut, so erblickt ihr ein breites Tal, welches sich ganz gerade fortzieht und überall, so weit eure Augen reichen, recht fruchtbar aussieht. An verschiedenen Stellen dieses Tales erblickt ihr auch gar niedlich schöne Gebäude und seht recht emsig Menschen aus- und eingehen und seht auch, wie gar viele recht emsig tätig sind mit der Kultur der Felder. Nicht wahr, da kommt es euch beinahe vor, als wenn ihr auf der Erde in einem schönen Tal fortwandeln möchtet, in welchem ebenfalls friedliche Landleute ihre Felder recht emsig bebauen und bearbeiten.
[1.21.2] Wenn ihr eure Blicke auf die rechte Seite hinüberwendet, so erschaut ihr ebenfalls eine weit, ja unabsehbar weit gedehnte Gebirgskette, deren Niederungen ebenfalls mit guten Bäumen überwachsen sind, und hier und da zeigt sich eine landmännische Wohnung. Aber über den Waldungen erhebt sich ein außerordentlich schroffes Steingebirge, dessen oberste Scheitel mit ewigem Schnee und Eis bedeckt sind.
[1.21.3] Ihr sagt: Die Gegend ist wunderherrlich und schön, nur fehlt hier und da ein See oder irgendein schöner, breiter Strom. Wäre solches auch noch in dieser Gegend vorhanden, so könnte man sich nicht leichtlich eine anmutigere und zugleich auch romantisch schönere Gegend vorstellen, als diese da ist.
[1.21.4] Ich aber sage euch, meine lieben Brüder und Freunde! Habt nur eine kleine Geduld, wir werden gar bald auch dergleichen in der allerreichlichsten Menge antreffen, denn wir gehen sehr geschwind und sind in dieser abendlichen Gegend über alle eure Begriffe weit vorgedrungen. Seht euch nur einmal um und bemesst die linke Seite nach dem sanften, mit Pyramiden gezierten Gebirgszug, und ihr werdet sogleich gewahr werden, wie weit wir schon vorgedrungen sind.
[1.21.5] Ihr sagt: Aber wie ist denn das möglich? Wir können ja kein Ende dieses Gebirgszuges mehr erblicken, und es kommt uns vor, als ziehe sich dasselbe endlos weit hinter uns fort. In weitester Ferne erblicken wir nur kaum noch die schönen Sterne über den Pyramiden gleich beleuchteten Sonnenstäubchen schimmern. – Ja, liebe Brüder und Freunde, hierzulande reist man außerordentlich schnell, ohne dass der Reisende die Schnelligkeit seiner Bewegung merkt. Dessen ungeachtet wir auch, wie ihr seht, ganz gemächlich Schritt für Schritt wandeln, ist aber unsere Bewegung dennoch so außerordentlich schnell, dass sich von dieser Schnelligkeit auf der Erde niemand einen Begriff machen kann. Ihr könnt es glauben: Wenn es euch möglich wäre, leiblicher Weise diese Schnelligkeit auszuüben, so würdet ihr dadurch in einem Augenblick viele Milliarden Sonnenweltgebiete durchzucken. Wie aber solches möglich ist, darüber werden wir schon noch ein Wort wechseln.
[1.21.6] Nun kehren wir unsere Blicke wieder vorwärts und setzen ganz ruhig wieder unsere Reise fort. Ihr fragt mich: Was ist denn dort im tiefsten Hintergrund für eine schimmernde Fläche, über welcher sich im noch tieferen Hintergrund am etwas abendlich dunklen Firmamente eine Menge recht hell leuchtender Sterne zeigt? – Geduldet euch nur; wir werden schon noch dahin kommen. Seht euch aber etwas rechts um und sagt mir, wie euch solches behagt? Ich lese euren Beifall aus euren Augen. Ist das nicht ein See, wie sich’s gebührt?
[1.21.7] Seht die Menge der schönen Inseln, welche sich über die ruhige und reine Wasseroberfläche erheben, wie sie alle bebaut sind und eine jede Insel noch dazu mit einem niedlichen Haus geziert ist. Und seht, die vielen schönen Fahrzeuge auf dem Wasser, wie dieselben recht wohl bevölkert sind und sich von einer Insel zur anderen bewegen. Ihr wundert euch, ihr seht noch nicht den hundertsten Teil; je weiter wir vorwärts dringen werden, desto ausgedehnter wird er auch.
[1.21.8] Aber wie ihr seht, das linke Ufer bildet noch immer eine breite Talgegend bis zur linken Gebirgskette hin, und wir haben noch eine gute Weile zu wandeln, bis wir dieses Tal mehr eingeengt, dafür aber den See mehr ausgebreitet vor uns erschauen werden. Seht, da auf einem schönen grünen Hügel zu unserer linken Seite befindet sich ein recht schöner Tempel mit einem goldenen Dach. Und wie ihr seht, befindet sich auch eine Menge Menschen in diesem offenen Tempel. Ihr möchtet wohl wissen, was sie da tun?
[1.21.9] Seht aber da nur an das nahe Seeufer, allda entsteigt soeben einem niedlichen Wasserfahrzeug eine Gesellschaft, die sich ebenfalls zu diesem Tempel hinbegeben wird. Fragt sie nur, und wir werden von ihnen sogleich erfahren, was sie zu diesem Tempel hinzieht. So ihr euch aber nicht getraut, da will ich ja solches auch wohl tun; und so habt denn Acht! Ich will einen anreden.
[1.21.10] Höre, guter Freund und Bruder im Herrn! Was zieht euch hin in den Tempel, der da erbaut ist auf der Höhe des grünen Hügels? – Er antwortet: Freund und Bruder in dem Herrn, wie du sagst, woher bist du, dass du solches nicht wissest? – Ich entgegne: Was siehst du dahin, woher ich komme? – Er antwortet: Ich sehe dahin gegen Morgen. – Ich entgegne: Gut, so du gegen Morgen siehst, daher ich komme, wie magst mich fragen, woher ich komme? Ich aber will es derer wegen, die mit mir sind, dass du mir gegenüber offener Sprache sein sollst.
[1.21.11] Der Gefragte verneigt sich und spricht: Mächtiger Bote des Herrn! Ein Weiser von Morgen her, sicherlich ein dir wohlbekannter Bruder, lehrt hier die Liebe des Herrn; darum gehen wir hin, um zu hören solche hohe Weisheit. – Ich sage zu ihm: Wie lange seid ihr schon unsterbliche Bewohner dieser Inseln? – Er spricht: Mächtiger Bote des Herrn! Wir bewohnen diese Gegend nach entsprechender Weltrechnung schon über hundert Jahre. – Ich entgegne: Mögt ihr denn nicht dem Morgen näher rücken?
[1.21.12] Er spricht: Wir sind des Weges unkundig. Diese Insel aber ward uns beschieden zur Wohnung und zu unserem Unterhalt. Es kam niemand, der uns weiterbrächte, und uns gebrach es allzeit am Mut, dass wir aus eigenem Antrieb solch eine uns endlos weit vorkommende Reise hätten unternehmen können. Denn die Weiseren unter uns sagen, dass der Morgen, dessen Licht wir von hier aus wohl erblicken, endlos weit entfernt ist. Darum gedenken wir, dass solcher für unsere Kräfte nimmerdar zu erreichen ist, und es bleibt uns daher nichts übrig, als unsere große Sehnsucht dahin so viel als möglich zu beschwichtigen. Zudem aber noch denken wir, dass dieses, was wir hier besitzen, schon viel zu viel ist für uns, und ist alles pure Gnade und Erbarmung des Herrn; und darum sind wir auch dankbarst zufrieden mit dem. Nur eines möchten wir einmal genießen, und wir wären für ewige Zeit ums Unendliche glücklicher, und dieses eine wäre, dass wir nur einmal den Herrn zu sehen bekämen!
[1.21.13] Und ich entgegne: Also zieht nur hin in den Tempel, da die Liebe zum Herrn gelehrt wird; diese ist der Weg, auf welchem sich euch der Herr nahen wird. Seht, die Gesellschaft zieht nun schon eilend hin über die schönen Felder zum Tempel.
[1.21.14] Ihr fragt mich: Welcher Klasse Menschen haben denn diese bei ihrem Leibesleben auf der Erde angehört? – Ich sage euch: Das sind die sogenannten gläubigen Christen, welche in dem alleinigen Glauben die Rechtfertigung suchten und die Liebe nicht wohl anerkennen wollten, als tauge sie fürs ewige Leben, sondern allein der Glaube. Und solche Begründung hält sie hier. Der See bezeichnet die Unzugänglichkeit derjenigen, die sich in irgendetwas begründet haben. Die Inseln aber bezeichnen, dass die Begründung aus dem Wort des Herrn hervorgegangen ist. Weil aber die Wahrheit nicht in Verbindung ist mit der Liebe, oder das Glaubenswahre nicht in der wahren himmlischen Ehe steht mit dem Liebeguten, so ist das bewohnbare Ländertum dieser Völker getrennt. Die Fahrzeuge, die ihr auf dem See erblickt, bezeichnen die freundlich gute Handlungsweise solcher Menschen auf der Erde. Und diese Handlungsweise stellt, wie ihr seht, diese Insulaner in wechselseitige Verbindung.
[1.21.15] Diese Gegend hier zur linken Seite aber bezeichnet diejenigen, welche aus den Glaubenswahrheiten nach und nach in einiges Liebtätigkeitsgute hinübergegangen sind und glauben darum auch an die Liebe des Herrn; aber es bleibt mehr beim Glauben als bei der Liebe. Solches bezeichnen allenthalben die hohen und starken Bäume, welche aber dennoch keine genießbare Frucht tragen; daher die Lebensmittel, wie ihr seht, nur kleinwüchsig auf dem Boden in gehörig reichlicher Menge vorkommen. So bezeichnen auch die Pyramiden auf den runden Gebirgshöhen zur linken Seite mit den leuchtenden Sternen über den Spitzen, dass das oberste Prinzip dieser Menschen der Glaube ist, und ebenfalls das alleinige Licht. Die mit Zedern wohlbewachsenen übrigen Teile dieser Berge bezeichnen die Macht des Glaubens.
[1.21.16] Dass sie aber keine genießbare Frucht haben, solches besagt, dass der Glaube allein das Leben nicht bewirkt. Und wenn schon in dem Glauben allein für sich ein geistiges Leben waltet, so hat es aber doch nur wenig Früchte, durch deren Genuss sich das Leben zu einer höheren Potenz kräftigen könnte.
[1.21.17] Die Gegend zu unserer rechten Seite mit dem schroffen Gebirge grenzt zunächst an den Norden. Daher ist dieses Gebirge auch so schroff und hoch und bezeichnet die Grenzlinie zwischen dem Abend und Norden.
[1.21.18] Ihr fragt, ob diese rechte Gegend auch bewohnt ist. O ja; aber zumeist von gutmütigen Heiden, wie auch von solchen, die durch den Bilderdienst ihre Herzen bewahrt haben vor Bosheit und waren dabei übrigens rechtschaffene Weltbürger. Die Tempel, die ihr jenseits hier und da über den Waldungen hervorgucken seht, sind ebenfalls Lehrplätze, in denen solche Wesen von ihren Irrtümern können befreit werden, so sie ernstlich wollen.
[1.21.19] Solange aber solches nicht der Fall ist, werden sie belassen wie sie sind, und wird ihnen kein Zwang angetan. Da wir solches nun wissen, so können wir füglichermaßen wieder unsere Füße weiter vorwärts setzen.
[1.21.20] Ihr fragt schon wieder: Was ist denn dort zur linken Seite, allda der See breiter wird und das Land zur linken Seite sich zuengt, für eine überaus hohe Säule? – Gehen wir nur fleißig darauf los; wir werden sie bald erreichen. Seht, sie kommt uns näher und näher zu stehen, und wie ihr seht, sind wir ja bereits bei ihr. Lest, was da oben steht! Ihr lest richtig, denn es heißt: „Grenzmarke zwischen dem Reich der Kinder und dem Vorreich“ welches ist ein Wohnort derer, die da noch unfähig sind eines Überganges.
[1.21.21] Und nun seht weiter vorwärts; seht, wie sich da ein unübersehbar großes Meer ausbreitet, und ihr vorwärts nicht mögt irgendein Land erschauen. Seht, das ist die nämliche schimmernde Fläche, die wir ehedem von weiter Ferne her erschauten. Seht nur hin, dort vorwärts, ganz im Hintergrund werdet ihr auch die Sterne erblicken. Für heute jedoch wollen wir bei dieser Säule ausruhen, und fürs nächste Mal erst unsere Seereise gegen den tiefen, besternten Hintergrund beginnen. Und somit gut für heute!
Kein Kommentar bisher