Am 16. Dezember 1841
[1.174.1] Und als der Sethlahem sich nun wieder beim Opferaltar befand in der Mitte des Abedam, Henoch, Jared und Abedam, des bekannten, da holte er einen tiefen Atemzug und wollte sich über die angetanen Beleidigungen von Seiten der sieben durch eine auseinandergesetzte Anklage gehörig Luft machen.
[1.174.2] Der hohe Abedam aber kam ihm zuvor und sagte ihm, ihn gleichsam fragend: „Sethlahem, wo sind denn die sieben?
[1.174.3] Ich sehe nur dich allein. Wie hast du denn deinen dir vorgenommenen Dienst gar so unvollbracht geschehen lassen mögen?
[1.174.4] Und statt die sieben hierherzuführen, kommst du nun ganz allein und noch dazu mit einem beleidigten Herzen voll bitterer Klage!
[1.174.5] Was soll Ich nun aus dir machen? Ich sage dir aber, so du dich an deinen sieben Brüdern rächen willst, da zeichne ihre Schuld in den Sand! So dir aber jemand Arges will im Herzen, den segne, als wäre er dein erstgeborener Sohn, so wirst du sein ein wahres unsterbliches Kind der ewigen Liebe, sein voll der Gnade und sein voll der Liebe und aller Weisheit aus ihr!
[1.174.6] Siehe, was nützt dir ein denkender Geist, so du die Liebe nicht hast? Ich sage dir, du wirst ewig im Finstern herumtappen! Denn so du auch tausend Jahre hindurch angaffen möchtest jenes ferne Gebirge und darüber nachdenken so viel, dass du mit deinen Gedanken ein Loch in einen Stein wetzen möchtest, – sage, wird dir dadurch wohl klarer werden die Beschaffenheit der blauen Ferne?
[1.174.7] Ich meine, mitnichten! So du aber statt des langen, kalten Denkens dein Herz erbrennen lässt für die blaue Ferne, wirst du da dich nicht sobald als möglich auf die Füße machen, dir wählen einige gleich sehnsüchtig gestimmte Begleiter und sodann eine Reise hinmachen nach der dir unbekannten Ferne? Und so du dort anlangen wirst, wirst du sie wohl also finden, wie sie dir hunderttausende deiner blinden Gedanken ehedem vorgelogen haben?
[1.174.8] Wird dir dort nicht jeder noch so gedankenlose Blick mehr enthüllen als hier in tausend Jahren zahllose sogenannte allerschärfste Gedanken?
[1.174.9] Also sehe nun, einen wie großen Vorzug die Liebe vor aller Gedankenweisheit hat!
[1.174.10] Wer die Liebe hat, das heißt die reine Liebe zu Gott dem Vater aller Menschen und dem Schöpfer aller Dinge und aus dieser Liebe heraus zu allen seinen Brüdern und im gerechten, reinen Maße auch zu den Schwestern, der hat alles; ja er hat das ewige Leben und alle anschaulich klare, heilige Weisheit, – nicht eine finstere Gedankenweisheit der Welt, die zu gar nichts taugt denn allein, den lebendigen Menschen nach und nach zum Tode zu reifen und endlich gar zu ertöten!
[1.174.11] So du aber eben durch die Liebe zur wahren, lebendigen Weisheit gelangen willst, wahrlich, da muss zuvor alle Anklage aus deinem Herzen über deine Brüder weichen, und mit ihr alle Gedankenweisheit! So das nicht erfolgen wird, wirst du immer also im Finstern herumtraben, dass du nicht einmal wirst zu unterscheiden vermögen, wen du vor dir hast, ob einen Menschen oder einen ewigen, allmächtigen Gott, was schon jetzt bei dir sehr stark der Fall ist.
[1.174.12] Daher berate dich zuvor in deinem Herzen! Vergebe deinen Brüdern, wenn sie auch noch so arg an dir gehandelt hätten, so werde auch Ich dir deine Torheit vergeben und dich heilen zum ewigen Leben.
[1.174.13] So dich aber ärgert, dass deine Brüder anders denken und reden denn du, warum berücksichtigst du denn dabei nicht auch zugleich, dass deine anderen Gedanken dort sieben Herzen erbittern, während die sieben mit dir alleinigen zu tun haben?!
[1.174.14] Siehe, ein Schlag her und ein Schlag hin, wann wird draus je ein Gewinn? [Habt] ihr aber einen Sinn, wo die Liebe ist darin, dann habt ihr schon den Gewinn! Ist auch Wahres nicht viel drin, Ich euch dennoch näher bin; so Ich aber näher bin, ist denn das nicht ein Gewinn?
[1.174.15] Darum gehe denn nun noch einmal hin zu deinen Brüdern, bitte sie um Vergebung und gewinne sie im Herzen, so werden sie dann auch leicht hierher zu bewegen sein und zu gewinnen fürs wahre, ewige Leben.
[1.174.16] Den Trotzigen wirst du nimmer mit Gegentrotz gewinnen, nicht einmal dein eigenes Kind! Denn du sagst in deiner Weisheit ja selbst und hast gefunden, dass zwei Kräfte gleicher Art nimmer können eines werden, sondern eine strebt der anderen entgegen und sucht sie zu vernichten; darum können zwei Steine nicht den Platz des alleinig einen Steines einnehmen.
[1.174.17] Siehe, ist das nicht deine Lehre? Und Ich sage dir noch hinzu, dass die Lehre richtig ist und vollkommen wahr.
[1.174.18] Hast du aber nie beobachtet, wenn der schwächere Stein dem stärkeren nachgibt? Welcher folgt nun dem anderen, und wer wird des anderen Führer hernach und endlich der Grund selbst?
[1.174.19] Wahrlich, der Stärkere sicher nicht, der den Schwächeren aus seiner Lage schob, sondern der Schwächere, der dem Stärkeren wich! Siehe, solches ist auch Weisheit.
[1.174.20] Darum gehe nun hin zu deinen Brüdern und tue desgleichen, so wirst du auch ihr Führer und Meister werden nach der besseren Lust deines Herzens! Amen.“
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