Am 6. Dezember 1841
[1.168.1] Und der Seth dankte in höchster Liebesfreude seines Herzens dem hohen Abedam für solchen Auftrag und ging eilends, um zu vollziehen des Herrn Willen.
[1.168.2] Kaum aus der Hütte getreten, sah er alsbald unfern die drei aus der Mitternachtgegend stehen. Er rief sie beim Namen, und sie folgten sogleich dem Ruf.
[1.168.3] Als sie zu ihm gelangten, da sagte er zu ihnen: „Hört, Einer in der Hütte will es, dass auch ihr eintreten möchtet; denn Er hat schon lange von ferne her, wie vor meinem Austritt auch schon nahe an der Hütte, euer Loblied vernommen.
[1.168.4] Daher tretet in die Hütte, denn auch euer harrt ein hoher, unberechenbarer Segen!“
[1.168.5] Und der Jura fragte entgegen den Seth: „Bruder Seth, wie sollen wir das verstehen? Ist etwa gar in dieser Schreckensnacht der erhabenste, über alles mächtigste Emanuel zu euch gekommen? Denn siehe, also dachten wir es alle, als der unerhörteste – man kann es sagen – Weltenfeuersturm plötzlich ein Ende nahm!
[1.168.6] Wir alle baten und riefen zum Emanuel um die Erlösung. Und als sie kam, und das so wunderplötzlich, so war auch unser Erstes, dem Emanuel dafür zu danken.
[1.168.7] Sage uns daher, ob es nicht also ist und war!“ – Und der Seth antwortete ihnen: „Wie und ob also, liebe Brüder, ihr werdet es alsbald in der Hütte erfahren! Ich aber habe Eile, zu sorgen für ein gutes Morgenmahl, darum ich mich jetzt nicht länger mit euch abgeben kann und darf.“
[1.168.8] Und die drei waren zufrieden mit diesem Bescheid und traten dann voll der höchsten Ehrfurcht in die Hütte, allwo sie sich alsbald auf ihre Angesichter vor Adam und all denen übrigen warfen.
[1.168.9] Der Adam aber hieß sie alsbald aufstehen und sagte zu ihnen: „Meine geliebten Kinder, ich bin hoch erfreut, euch so wohlbehalten bei mir zu sehen!
[1.168.10] Groß war in dieser Nacht meine Sorge um euch alle; denn solches bewirkten die schrecklich kämpfenden Elemente. Aber viel größer noch war mein Vertrauen auf des Herrn, unser aller geliebtesten Vaters, der da allzeit heilig, heilig, heilig ist, voll der höchsten Macht und Kraft, Hilfe und Errettung; denn wir alle waren nicht minder der höchsten Versuchung preisgegeben und mussten eine wahre Feuerprobe aushalten. Diese meine alte Hütte ist zur Wohnung der wildesten Tiere geworden. Schlangen, Hyänen, Tiger, Löwen, Wölfe, Bären und noch allerlei anderes Getier füllten diese Wohnung, und helle Flammen brachen blank aus dem Boden hervor. Und doch durfte unser Vertrauen nicht wanken, und wir alle empfanden dann gar bald die herrliche Wirkung des schützenden Segens Emanuels!
[1.168.11] Geht aber hin zu jenem euch noch fremden Mann, der da auch Abedam heißt; der wird euch über alles den gehörigen Aufschluss geben! Amen.“
[1.168.12] Und die drei verneigten sich vor Adam und gingen dann hin zu dem ihnen noch fremden Mann.
[1.168.13] Der Jura als der älteste führte das Wort und redete Ihn also an: „Sei von unseren Herzen vielmals gegrüßt, Abedam! Der Erzvater Adam hat uns zu dir beschieden, dass du uns näheren Aufschluss geben möchtest über diese – dem Herrn Emanuel alles Lob und allen Dank! – vergangene unerhörte Sturmnacht. Denn siehe, wir drei sind Söhne Adams und wandeln schon über achthundert Jahre auf dem Boden der Erde herum, waren zugegen bei der Flucht aus dem Paradies, haben nach der Zeit viel Trauriges und Schreckliches erlebt, – doch etwas dieser Nacht Ähnliches ist uns noch nicht vorgekommen! Solche Schrecknisse sind noch nie über die Erde gekommen, solange wenigstens wir sie betreten, wahrlich nicht!
[1.168.14] Ich will von all den Feuerszenen nichts reden, nichts von den ringsum noch in vollsten Flammen und Rauch stehenden Bergen, nichts von dem beständigen Beben der Erde, nichts von den zahllosen Blitzen, nichts von den brennenden und dampfenden Wäldern, feurigen Winden und dergleichen mehreren Dingen; denn der Donner bleibt sich gleich von Jahr zu Jahr und so auch andere Erscheinungen, welche im Kampf der Elemente uns zu Gesicht kommen und nicht minder furchterregend auch die anderen Sinne berühren. Aber höre, guter Mann, wenn das Meer, das endlos große Meer unerhört furchtbar tobend aus seinen Schranken tritt, höher und stets schrecklich höher herauf schäumend und sausend steigt und in diesem fürchterlichen Steigen anfängt, einen Berg um den anderen zu verschlingen und endlich sogar uns Mitternachtbewohner zwingt, eilends zu verlassen alle unsere Hütten durch die zahllosen vor den Wogen sich flüchtenden Tiere, ja sogar die Wogen am Ende so weit zu treiben beginnt, dass dieselben unsere Hütten verschlangen, die Tiere der Wälder uns nachtrieben und dazu noch nie gesehene furchtbar große Ungeheuer, welche wahrscheinlich gleich vielen anderen Tieren im Wasser leben, uns furchtbar untereinander kämpfend und sich hin und her wälzend schauderhaften Anblickes zuführte, – siehe, das ist etwas, was uns allen nicht aus dem Sinne vielleicht je kommen wird!
[1.168.15] Wobei dann als im Gegensatz freilich wohl ganz hauptsächlich das zu beachten ist, dass eben diese Schauderszenen, als sie sicher ihren höchsten Punkt erreicht hatten, dann auf einmal also verstummten, als wären sie nie dagewesen, und also auch das Meer plötzlich und so stark zurückwich, dass es nicht nur alsbald in seine vorigen Grenzen trat, sondern es verlor sich also ganz und gar, dass nun von ihm nirgends mehr eine Spur zu entdecken ist außer der unabsehbar weit sich nach allen Seiten ausbreitende Schlammboden, der vorher dem Meer zum Bett gedient hatte.
[1.168.16] So du es nun willst und kannst, da gebe uns den Aufschluss über all diese unerhörten Dinge!“
[1.168.17] Und der Abedam entgegnete ihnen: „Meine lieben Freunde, bei derlei Ereignissen geht es den im Geiste Schlafenden freilich wohl schlecht, – aber desto besser den Geisteswachen!
[1.168.18] Sagt Mir, welcher wahrhaft wache, mit der Liebe des ewigen, heiligen Vaters vereinte Geist wird oder kann noch mit Angst befangen werden, wenn selbst die ganze Erde unter seinen Füßen zertrümmert werden möchte und ein glühendes Meer verschlänge all die Staubtrümmer der Erde?
[1.168.19] Wird der mächtige Vater, dessen Wille Milliarden und zahllos viele Milliarden von noch unvergleichbar größeren Weltkörpern und Geistern trägt und wohlsorglich ordnet, nicht auch imstande sein, ein Ihn über alles liebendes und darum auch von Ihm [über] alles geliebtes Kind bei einem zerplatzenden Atom, das ihr ‚Erde‘ und ‚Welt‘ nennet, in den allersichersten Schutz zu nehmen?
[1.168.20] Seht, solches müsst ihr Mir ja doch zugeben! Es fragt sich demnach nur, wessen Frucht eure verzweifelte Angst und Furcht war! Oder warum fürchten die Kinder die Nacht?
[1.168.21] Seht, solcher Grund liegt in der Schwäche der Liebe zum heiligen Vater! Wie aber die Liebe beschaffen ist, also auch das Vertrauen; das schwache Vertrauen aber ist der Vater aller Angst!
[1.168.22] Es liegt wenig an all dem von euch Erzählten; aber es liegt alles daran, wie euer Herz beschaffen ist.
[1.168.23] So Ich euch auch alles aufschließen möchte, so würden höchstens eure Ohren befriedigt werden; aber zur Erkenntnis des Herzens möchte es euch nimmer bringen. Und also wird es besser sein, ihr geht so recht fest in euer eigenes Herz, wendet euch da an die Liebe desselben zu Gott, und Ich sage euch, ihr werdet da in einer Minute mehr erfahren, als was euch sonst erzählende Jahrtausende geben könnten!
[1.168.24] Bleibt aber hier, und nehmt mit uns das Morgenmahl, welches soeben der Seth mit den Seinen hereinbringt!
[1.168.25] Seid ruhig in eurer Wissbegierde, aber desto nach oben bewegter im Herzen, so wird sich eure Sturmnacht bald in den hellsten, ruhigen Sabbat umwandeln! Versteht es wohl! Amen.“
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