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130. Asmahael führt eine große Menschenmenge zu Adam

[1.130.1] Und alsbald verließ Asmahael die ganze Gesellschaft und eilte wie ein feuriger Blitz davon.

[1.130.2] Und als er entschwunden war ihren Augen, da fing ein jeder bei sich an, den großen Gott zu preisen. Die drei aber richteten ein Wort fragend an den Adam und sagten:

[1.130.3] „O lieber, hoher Vater! Siehe, die Rede dieses soeben weggeeilten jungen Menschen hat uns einerseits überaus wohlgetan; andererseits aber war doch wieder deren unbegreifliche Erhabenheit gleich einem Feuerbrand, welcher imstande wäre, die ganze Erde in Brand zu stecken! O sage uns, wer und woher ist dieser Mensch; denn solche Worte sind noch nie zu unseren Ohren gedrungen! Wahrlich wahr, dieser Mensch kann unmöglich von dieser Erde sein!

[1.130.4] Kann es sein, o Vater, lasse uns nicht in der Ungewissheit! Dein Wille! Amen.“

[1.130.5] Und der Adam entgegnete: „O Kinder, denkt nach; Er hat es euch schon soviel wie Selbst gesagt! Auf weiteres harrt Seiner! Amen.“

[1.130.6] Und die drei dankten dem Adam und fingen nachher an, bei sich nachzudenken, konnten aber nichts Schickliches finden, damit sie ihr Herz befriedigen könnten. Der eine riet auf den Engel, der da dem Ahbel im Lande Euehip nach der Flucht das flammende Schwert übergab, der andere auf den Geist Ahbels selbst, und der dritte war unschlüssig, welcher Meinung er selbst beispringen solle. Und so war unter der Zeit eine große Stille unter allen hier Versammelten eingetreten, – teils, weil ein jeder in sich hinreichende Beschäftigung fand, teils aber im Erwarten, vielleicht etwa sehr aufmerksamen Ohres den Ruf Asmahaels zu vernehmen. Allein es war ein solches Erwarten eitel und vollends vergebens; denn der Asmahael wusste wohl, was Er tat und wie, und hatte nicht nötig, zu schreien gleich einem Plärresel, sondern Sein mächtiges Wort nur erschallen zu lassen in den Herzen der furchtsam Verborgenen. Und die Verborgenen vernahmen gar wohl diesen herrlichen Ruf in sich, dass da nicht einer zurückblieb, sondern alles, Groß und Klein, Alt und Jung, eilte hin zum großen inneren Rufer, und jeder erkannte Ihn für Den, der da zuvor heimlich gerufen hatte in ihren Herzen.

[1.130.7] Asmahael war in drei Minuten umringt von siebenmal hunderttausend Menschen, die Er da alsbald mit Seiner Hand sichtbar segnete und sie dann alle alsbald hinführte vor Adam.

[1.130.8] Als aber der Adam samt den übrigen Kindern sah herannahen die großen unübersehbaren Völkerschaaren, und an ihrer Spitze den Asmahael, da ward er völlig stumm und konnte kein Wort mehr über seine Lippen bringen.

Am 9. August 1841

[1.130.9] Sogar dem Henoch erschien diese außerordentliche Expedition also zurückschlagend wunderbar, dass er sich gar nicht fassen konnte. Dann sagte er bei sich selbst: „Aber so viele Kinder in der Mitternacht?!

[1.130.10] Wenn da nicht mehr denn der dreivierte Teil darunter neu erschaffen worden ist, so weiß ich am Ende doch in allem Ernst nicht, wie ich daran bin; denn entweder träume ich, oder ich muss hundert für eins sehen! Denn wie des Sandes im Meer und des Grases auf der Oberfläche der Erde gibt es hier Menschen!

[1.130.11] O Asmahael, wer kann Dich ewig je begreifen? Du bist unendlich in jeglichem Deiner Worte, und Dein Hauch bewegt die Welten wie der meinige eine unaussprechlich kleine Menge Sonnenstaubes über die Fläche meiner ohnmächtigen Hand. Du blickst die Sonne und all die leuchtenden Sterne an, und sie zittern vor zu unbegreiflich erhabener Ehrfurcht, dankbar leuchtend den hehren, obschon nur matten Abglanz Deiner unendlichen Augenmilde zur kleinen Erde herab. Und Deine Ohren vernehmen – wie die meinen einen nahen Donner – schon jener Hauchwesen Begierden und allerleiseste Wünsche, welche vielleicht erst unter künftigen neuen Schöpfungen aus Dir hervorgehen werden. Und der Hauch eines allerunsichtbarst kleinsten Strahlentierchens in einem allerentferntesten Weltenraum wird von Dir also wahrgenommen, wie mein Ohr kaum vernimmt das Toben eines Orkans. Doch welch ein Unterschied in dem Vernehmen selbst! Dir ist alles die reinste Harmonie, – mir alles ein verwirrtes Chaos!

[1.130.12] Für Dich ist jeder plätschernde Laut irgendeiner hervorrieselnden Quelle ein tiefverständliches Wort. Du verstehst das Fächeln des Grases, und die Klage eines fallenden Blattes geht nicht unverstanden an Deinem Ohr vorüber.

[1.130.13] Das große Loblied der rauschenden Winde vernimmst Du, und das des tobenden Meeres bleibt Dir nicht fremd; und doch achtest Du des Würmchens im Staube, als vernähmst Du nichts denn allein das schwächste Gewimmer des bestaubten Würmchens!

[1.130.14] O Asmahael, Du großer, Du erhabener, Du heiliger, Du liebevollster, über alles mächtigster Gott und Herr! Dich begreifen wird nimmerdar ein endlicher Geist, und es wird sich jeder verlieren in die ewige Nacht Deiner Macht, der Dich wird erforschen wollen! Ja, schon ein Tautropfen Wassers wird ihn verschlingen in seine zahllosen, bodenlosen Tiefen, und der Verschlungene wird sich ewig aus sich nimmerdar finden im endlosen Ozean eines Tautröpfchens und dessen zahllosen Wundern!

[1.130.15] Daher will ich mein Leben lang nach nichts mehr forschen, sondern Dich, o mein Gott, allein nur lieben und bei jedem Weisheitstritt in aller Liebe und Demut bekennen meine Nichtigkeit und sagen: ‚Bis daher, und um nichts mehr weiter!‘ Denn jeder Herzschlag soll untertan sein Deinem Willen; denn wer ist lebendig gegen Dich, da Du allein das Leben bist?!

[1.130.16] Ich lebe nur, insoweit ich Dich liebend lebe; daher ist für mich auch nichts lebendig denn allein Du! Oder sind nicht alle Dinge für mich wie tot?! Oder lebt für Dich der toteste Stein nicht mehr denn für mich der regsamste Vogel?! Denn der Stein ist nicht sprachlos für Dich; doch was ist für mich das Gezirpe der munteren Grille?

[1.130.17] Daher ist dem Lebendigen alles lebendig und dem Toten alles tot! Und nun auch bis daher, und um nichts mehr weiter! Amen.“

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