[1.120.1] Aber auch der Enos gab dem Seth keine Ruhe und fragte ihn, sagend: „Vater Seth! Ich habe es gar wohl bemerkt und auch so manches vernommen, dass und was du zuvor mit dem höchst merkwürdigen jungen Menschen Asmahael gesprochen hast; allein so außerordentlich hoch und überaus vielsagend seine Worte auch immer sind, so muss ich aber doch gestehen, dass er sich manchmal doch zu vergessen scheint und hält da große Stücke auf sich, und das zwar auf eine Art neben einer Tat, wie zum Beispiel neben der Vernichtung der großen Lügenschlange, dass er da alsbald zu sprechen anfängt, als wäre er durchaus kein Mensch, sondern unmittelbar Gott Selbst. Und nun spricht er schon allzeit von sich selbst aus und bezieht sein Wort nur höchst selten auf Gott; und wenn er es schon manchmal bezieht, da schmelzen und fließen aber dann er und Gott so eng zusammen, dass man am Ende nicht mehr wissen kann, von wem oder in welcher Beziehung da etwas gesprochen wird.
[1.120.2] Ob da spricht ein Mensch im Namen Gottes und ist darum überfüllt mit dem Geist Gottes und aller Macht und Kraft daraus, oder ob – sonst – fürwahr – ich wenigstens könnte mir es unmöglich anders denken – Gott und Asmahael müssten gerade eines und dasselbe sein!
[1.120.3] Siehe, von solchen gewiss keineswegs gleichgültigen Sachen finde ich mich sehr bewegt und daher aus obigem Grunde genötigt, durch diese Frage dich, lieber Vater, zu verständigen, woran ich leide, und woran es mir nun am allermeisten gebricht! Beantworte es mir, was da ist mit dem Asmahael, soweit du magst und kannst, und auch insoweit dir’s für mich nötig und ersprießlich und mit dem heiligsten Willen Gottes vereinbarlich dünkt! Amen.“
[1.120.4] Und der Seth entgegnete seinem Sohn: „Lieber Enos, gerecht bist du und deine Frage, und es kann auf der ganzen Erde keine gerechtere Frage und keine, die da nötiger wäre denn diese, geben wie auch keinen gerechteren Menschen als einen, der ernstlich nach Gott fragt, und vor dessen Augen Gottes Taten nicht unbemerkt vorüberziehen; aber jedoch größer als alles dieses ist: zu beachten jedes Gesetz aus reinster Liebe, das an jemanden aus der ewigen Ordnung Gottes ergangen ist!
[1.120.5] Siehe, ein solches Gesetz hindert meine Zunge über Asmahael vor dir; daher begnüge dich vorderhand mit dieser Entschuldigung, und glaube aber fest, dass du noch eher, als die Sonne den Morgen wieder besuchen wird, den Asmahael von Angesicht zu Angesicht wirst kennenlernen!
[1.120.6] Freue dich dessen; denn Asmahael ist groß! Amen.“
[1.120.7] Und also begnügte sich auch der Enos und schwieg in sich gekehrt.
[1.120.8] Aber auch der Mahalaleel konnte nicht ruhen, sondern wandte sich an den Kenan und fragte denselben: „Höre, Vater! Du weißt es, dass wir doch schon so manches erlebt und durchlebt haben durch unsere ziemlich lange schon andauernde Lebensbahn; aber kannst du dich wohl von irgendwann erinnern, dass aufs Wort eines Menschen ohne nur irgendeine Zutat mit Händen etwas alsogleich geschehen ist?
[1.120.9] Du wirst mir vielleicht sagen: ‚Sohn, siehe, du faselst! Hat nicht heute erst eben unser Henoch für Asmahael den Tiger gebändigt und Adam seinem Rachen durch die Anrührung des Zunge Worte entlockt?
[1.120.10] Oder seit wann sind all die Tiere nicht unserem festen Willen untertan gewesen, und alles Gras, alle Pflanzen, Gesträuche und Bäume, ja im Notfall sogar alle Elemente?‘ Und ich sage darauf: O Vater! Alles dieses ist wohl alles ganz gewiss und wahr, und es kann weder dem einen noch dem anderen Teil nach auch nur im Geringsten widersprochen werden, – aber nicht ohne die Zutat unserer Hände oder manchmal auch der Füße mochte je von uns etwas bewirkt worden sein; und wenn dann schon etwas bewirkt wurde, so brauchte es immer doch einige Zeit, bis von der stummen Natur unser Wille, nicht selten von uns mit Händen und Füßen unterstützt, vollzogen wurde. Ist es nicht also bis auf ein Sonnenstäubchen wahr?
[1.120.11] Nun aber, wie verhält sich dieses alles beim Asmahael! Was ist in einem Augenblick durch sein Wort aus dem mächtigen Tiger geworden, und wohin hat sein Wort in mehr denn in der Schnelle eines Gedankens die Schlange, sie ganz zunichte machend, geschleudert?
[1.120.12] Wer hatte je dem Adam gepredigt, dass er sich dann gerichtet hätte vollends nach der Predigt? Wer zu ihm nicht bittend kam, der mochte wohl allzeit unverrichteter Dinge wieder heimkehren; selbst Henochs Wort schien ihm mehr zu gefallen der Tiefe und Weiche wegen, aber dabei weniger als ein weiser Maßstab des wahren Lebens zu dienen. Wenn aber nun der Asmahael irgendetwas redet, anordnet und befiehlt, so weicht Adam auch nicht mehr um ein Haarbreit davon ab und gehorcht ihm in allem blindlings samt all den übrigen Kindern und der Mutter Eva!
[1.120.13] Nach allem dem sage mir doch, lieber Vater, was du denn bei dir selbst von diesem Asmahael hältst!
[1.120.14] Ich halte ihn unfehlbar für mehr denn bloß einen Menschen, da seine Leistung alle menschliche bei weitem übertrifft; es kommt jetzt nur darauf an, für wen und was du ihn hältst! Amen.“
[1.120.15] Und der Kenan erwiderte seinem Sohn kurz also: „Mein Sohn, du hast in allem recht! Dass es also ist, hat wohl ein jeder gesehen; doch bleibe nach dem Willen Adams bis längstens morgen bei deiner eigenen Meinung, da du doch sicher nicht wollen wirst, samt mir dem Adam ungehorsam zu sein!
[1.120.16] Beschäftige dich im Herzen nur stets mit Asmahael, und du wirst Ihn bald enthüllt vor dir erblicken; denn fürwahr, Er ist dir nähergekommen, als du’s glauben möchtest!
[1.120.17] Daher glaube, vertraue fest und liebe! Amen.“
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