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101. Henoch und Jared besprechen sich über Asmahael

[1.101.1] Henoch aber entgegnete dem Vater Jared: „Höre, Vater! Deine Bemerkungen sind nicht ohne; du hast recht in allem! Als Asmahael heute morgen vor uns im Staube lag, hätte ich auch eher geahnt, dass die Mittagssonne alle Steine zu Wasser schmelzen werde, als dass dieser Mensch aus der Tiefe solche Wunder unter uns ausführen würde; aber es gefällt denn schon ein- und für allemal dem Herrn also, das Geringe auszuzeichnen, und das Große aber dafür untergehen zu lassen!

[1.101.2] Also lässt Er die Sonne untergehen und an ihrer Stelle den Himmel von tausend und abermal tausend Sternchen erglänzen; wie viel erhabener aber ist doch und unendlichmal herrlicher der gestirnte als der besonnte Himmel! Wie zucken die herrlichen Sterne ein heiteres Leben in ihrem bebenden Schimmer, und wie mannigfaltig ist ihr Licht!

[1.101.3] Siehe dagegen den Himmel am Tag! Ist da der heiterste Tag nicht zugleich auch der einförmigste? Wer mag ihn nach oben anschauen? Überall straft ihn der Sonne brennend grelles Licht.

[1.101.4] Wenn nicht flüchtige, wenigsagende Neugebilde aus den Wolken am Tag den Himmel belebten und so manche gefiederten Bewohner der Luft denselben munter durchkreuzten, – fürwahr, wir würden die Augen gar selten zum Himmel der Erde erheben!

[1.101.5] Siehe, also wirkt der Herr beständig! Das Große achtet Er nicht und erhebt das Kleine und Geringe zu Seiner Liebe. Das große Mamelhud hat ein fast ewig dauern wollendes Leben. Es wandelt träge herum, als wäre es selbst eine kleine, totscheinende Erdmasse. Aber sehe dafür einen Ameisenhaufen an, wie bunt wirbelt da das Leben nicht durcheinander!

[1.101.6] Und aus tausend solchen kleinlichen Erscheinungen lässt sich ja doch schon natürlich klar erschauen, wo der Herr am tätigsten ist und vorzüglich lebendig waltet. Gerade also ist es auch bei den Menschen. Die Geringsten und Unansehnlichsten richtet Er auf und zeigt durch die Schwachen den Großen und Starken der Erde Seine unendlich große Macht und ewig unbesiegbare Stärke.

[1.101.7] War es nicht also mit mir, dass ich jetzt schon fast zwei Tage lang den Vätern von Ihm nach Seiner Liebe predigen musste, da ich doch der Geringste und Schwächste aus allen bin?! Geringer und schwächer jedoch kam Asmahael aus der Tiefe zu uns, denn ich je war und auch je werde sein und werden können.

[1.101.8] Sein Eifer war übergroß, Seine Liebe unbegrenzt; das Er suchte bei uns, hat Er schon in Seinem unendlichen Eifer in der höchsten Fülle mit Sich gebracht, dass es nun füglich ist, dass wir von Seiner Überfülle eher etwas empfangen können, als dass wir vermöchten, Ihn mit unserer Eiferarmut zu bereichern.

[1.101.9] Daher sei nun, lieber Vater Jared, nur unbesorgt und vollkommen ruhig; die Folge wird uns noch so manches Rätsel am und durch Asmahael enthüllen, wenn Er zu Hause erst in unserer Hütte sein wird! Freue dich darauf, lieber Vater Jared; höre, das werden Tage des Lebens und der höchsten Wonne werden! Amen.“

[1.101.10] Jared aber entgegnete in aller Zufriedenheit: „Du hast recht in aller deiner Antwort; es muss ja also sein! Denn wenn es nicht also wäre, wie könnte der Asmahael solche Tatkraftworte von sich geben?

[1.101.11] Aber höre, wenn er bei mir einziehen wird und wohnen in meiner Hütte, und wahrscheinlich du auch wieder, da werden wir wohl so manches von ihm erfahren!

[1.101.12] Ich freue mich sehr darauf. Ich muss dir offenbar sagen, ist es recht oder nicht, aber mein Gefühl umfasst schon jetzt Asmahael offenbar stärker denn dich! Was aber erst mit der Zeit aus meiner Vorliebe zu Asmahael wird, kann ich dir jetzt noch nicht ganz bestimmt voraussagen; denn es hängt noch sehr viel davon ab, ob er sich fürder also getreu bleiben wird. Aber du darfst dir deswegen nichts daraus machen; denn deshalb wirst du bei mir, deinem Vater, dennoch nicht zu kurz kommen!

[1.101.13] Jedoch nun stille; denn er scheint unser Gewispel zu bemerken! Siehe, er bedeutet dem Tier, und es trägt ihn gerade auf uns zu; daher nun stille, mein lieber Henoch, stille! Amen.“

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