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54. Das rechte Danken und Loben

Am 20. Januar 1841

[1.54.1] Und somit erhoben sie sich beide, dem Morgen den Rücken kehrend, und gingen vom Berg, an dessen Fuß sie schon der Seth sehnsüchtig erwartete. Und als sie nun zum Seth gelangten, so warf sich dieser vor Adam hin; dieser aber erteilte ihm den Morgensegen und hieß ihn hernach sich erheben vom Boden und dann sie geleiten zur Hütte.

[1.54.2] Nach kurzem daselbst anlangend begaben sich Adam und Henoch alsbald in die Hütte, wo die Mutter Eva schon sorglich ihrer harrte. Seth aber eilte alsogleich in seine Hütte und hieß sein Weib eilends das bereitete Frühmahl in die Hütte Adams tragen; er aber und der Enos, Kenan, Mahalaleel und der überfrohe Jared lobten zuvor Meinen Namen und begaben sich dann ehrfurchtsvoll in die Hütte Adams, um demselben den gebührenden Morgengruß und des Segens Dank abzustatten. Als sie darob voll Ehrfurcht in die Hütte Adams traten und beginnen wollten ihre Schuldigkeit, siehe, da gemahnte sie der Adam, eine kurze Zeit innezuhalten, bis erst der Henoch vollenden werde das soeben zu beginnende Gebet vor dem Frühstück. Und da sie solchen Wunsch vernommen hatten, siehe, da hielten sie inne, traten etwas zurück, ihre Augen und Ohren und Herzen an den Mund Henochs legend, und dieser aber begann folgendes Gebetlein an Mich in aller Treue zu richten, indem er also begann:

[1.54.3] „Übergroßer, liebevollster, heiligster Vater, neige gnädig Dein heilig Ohr an meinen schwachen Mund, und vernehme das armselige Gewimmer eines bestaubten Wurmes der Erde an dem Tag der ewigen Erbarmung Deiner unendlichen Liebe, da es Dir wohlgefiel, dem Staub der Erde unseren Erzvater Adam und aus ihm die Erzmutter zu entwinden und in beide nachher die zeugende Segenskraft zu legen, in deren Fülle wir alle und noch ein zahlloses Gefolge aus dem Samen der Liebe geworden sind und noch uns nachfolgen werden zahllose Geschlechter auf Geschlechter bis ans Ende aller Zeiten, – den Du, o bester, heiligster Vater, aus Deiner ewigen Liebe nahmst, auf dass unsere Seele Dir zu einem lebendigen Ebenbild durch die Liebe Deines Geistes in ihr zu werden vermöchte! Oh, habe Dank, Lob und Preis für solche Gnade und Erbarmung, deren Größe wir nicht zu ahnen vermögen, dass Du Dich so weit herablassen mochtest, zu gebieten dem, das ewig nicht war, dass es werde und bestehe, in aller Freiheit zu erkennen sich und Dich und zu schauen Deine Erhabenheit und zu staunen über die Werke Deiner großen Macht und Herrlichkeit!

[1.54.4] Siehe, wir sind hier im Angesichte Adams, Deines erhabenen Erstlings, und vor uns befindet sich schon eine gute, frische Labung des Leibes! O heiligster, bester Vater, segne uns, und segne diese frische Labung, auf dass sie uns zum Leben in Deiner Liebe und nie mehr zum Tode Deines Zornes gereichen möchte, und lasse uns alle durch Deine Gnade wohl eingedenk sein, was Deine unendliche Liebe an diesem Vorsabbat an uns allen und für uns alle unendlich Großes getan hat!

[1.54.5] O lasse uns wohl gedenken, dass nur Deine Liebe es war, die den Erzvater Adam dem Staub der Erde entsteigen hieß, und Deine große Hand Deiner Liebe ihn formte zu Deinem Ebenbild und uns alle wunderbar so vollkommen, wie ihn aus Dir, aus ihm hervorgehen ließ. Oh, des will ich Dich loben, Dir danken und Dich preisen mein Leben lang; nur möchtest Du gnädigst aufnehmen dieses mein ohnmächtiges Geschrei, obschon es nicht würdig ist, sich zu nahen Deinem Herzen, das alle Deine Schöpfung nicht anzublicken wagt! O Herr, segne uns und die Labung; denn all unser Sein ist ein Segen aus Dir ewig! Amen.“

[1.54.6] Und als nun der Henoch solches Gebet ausgesprochen, da verneigten sich alle Väter gen Adam und verrichteten ihre Pflicht, deren schon früher erwähnt wurde. Adam aber segnete sie dafür und sagte: „Liebe Kinder, verharrt ein wenig bei mir, bis ich, die Eva und der liebfromme Henoch uns werden mit der Gabe Gottes gestärkt haben! Dann werde ich euch alsobald meinen Willen und die Gesichte des Morgens deutend kundgeben; derzeit aber lasst euch nieder, und gedenkt der Andacht Henochs! Amen.“

[1.54.7] Und sie ließen sich nieder und taten im Geheimen, das ihnen Adam anbefohlen hatte. Als aber das Frühstück nun alsobald eingenommen ward, siehe, da erhob sich Adam, blickte gerührt zu Mir empor und dankte Mir im Herzen, desgleichen auch die Eva und an ihrer Seite der Henoch.

[1.54.8] Nachdem aber Adam vollendet hatte seinen Dank, da wandte er sich zum Henoch, sagend: „Lieber Henoch, was du begonnen hast vor der Labe, siehe, das vollende nun auch laut im Angesichte aller deiner Väter, damit dadurch dein Werk ein ganzes werde vor Gott und vor uns, deinen Vätern! Amen.“

[1.54.9] Und alsobald erhob sich Henoch gar fröhlich, dankte dem Adam für solche Erinnerung und begann wieder folgende kurze, aber desto inhaltschwerere Rede an alle zu richten, sagend:

[1.54.10] „O liebe Väter, was könnte wohl billiger sein, als Gott für jegliche Gabe ohne Unterlass den kindlichen Dank abzustatten, und mit so starker Stimme zwar, dass Sonne, Mond und alle Sterne davor beschämt erzittern möchten!? Allein, fragen wir uns selbst, ob es dem großen Herrn damit gedient wäre, so wir Ihm, von unserem Hochmut geblendet, gewisserart zeigen wollten, wie machtvoll großartig wirkend sich Seine Liebe in unserer Brust ausnimmt!

[1.54.11] O Väter, des bedarf der große, heilige Vater im Himmel nicht; denn was Er in uns gelegt hatte, kennt Er, vor dem alle Werke offen daliegen, am allerbesten! Denn wir sind nur in unserer demütigen Schwäche etwas vor Ihm, dass Er uns in Seiner Liebe ansieht; unsere Stärke aber ist eine blinde Torheit vor den Augen Seiner Heiligkeit.

[1.54.12] Ist Er denn nicht Selbst alle unsere Stärke? Wie sollen denn wir uns dann dessen rühmen, das nicht unser ist, sondern Dessen, der es uns aus Seiner großen Erbarmung gegeben hat, auf dass wir selbst werden sollen zu Seinem Eigentum!

[1.54.13] So wir aber allzeit wollten mit großer, kräftiger Stimme Ihm vorschreien unser Lob und Dank, würde das dann nicht also lauten, als lobten und dankten wir uns selbst im Angesichte Gottes, so wir da mit Seinem Eigentum in uns vor Ihm großtäten und uns am Ende überredeten, als vermöchten wir etwas aus uns vor Ihm?!

[1.54.14] Sehet, so aber jemand redet mit großer Stimme (d. h. erhabenen Worten) wie aus sich, so ist diese Stimme nicht sein, sondern sie ist dann eine Stimme des Herrn durch den Menschen; wie sollten da wir denn wollen in unserer Blindheit, dass Sich der Herr Selbst loben, preisen und danken solle an unserer statt, während Er uns nur gnädigst dadurch anzeigt, was wir in unserer Schwäche zu tun schuldig sind, auf dass wir fürder einer gerechten Stärkung von Ihm würdig zu werden vermöchten?!

[1.54.15] O sehet, dass wir aber den Herrn würdig loben, preisen und danken möchten, so tun wir das in unserer Schwäche demütigst; dann werden wir von Ihm angesehen werden in Seiner Erbarmung und werden allzeit von neuem gestärkt werden durch Seine unendliche Liebe! Amen.“

[1.54.16] Als aber der Adam samt den übrigen solche Rede vernommen hatte, siehe, da wandte er sich alsobald zum Henoch, ihn fragend: „Aber lieber Henoch, was ist denn das, was du soeben gesprochen hast? So ich es nicht verstehe, wie sollen das dann meine Kinder, derentwegen ich dich ganz eigentlich vorzugsweise zu reden aufgefordert habe? Denn es geht aus deiner Rede hervor nach meinem Verständnis, dass wir auf diese Art den Herrn weder loben, noch preisen und danken sollen; denn wir alle und alles an uns ist ja Gottes und ist aus Ihm hervorgegangen!

[1.54.17] So denn jemand den Herrn somit loben, preisen und danken wollte, so müsste er denn ja alsobald schweigen in und durch die Erinnerung, dass der Herr in uns, als Seinen Werken, Sich Selbst lobe, preise und danke!

[1.54.18] Siehe, es ist ja alles an uns Gottes Macht und Kraft, und wir sind durchaus Sein Werk und lebende Teile aus Ihm! Siehe, somit wäre dann ja all unser Tun nichts als eine eitle Vermessenheit gegen Gott, so wir dächten, dass wir es tun, während doch nur Gott es tut, da nichts an uns unser, sondern lediglich Gottes ist!

[1.54.19] O Henoch, was du sagtest, musst du unserem Verständnis näherführen, sonst gehen wir alle zugrunde in der Nacht unserer Zweifel!“

[1.54.20] Als aber Henoch solchen Missverstand gewahr wurde, so schlug er sich auf die Brust und sprach: „O liebe Väter, wie nimmt euch des so wunder?! Wer mag wohl das Holz des Baumes essen, da es zu hart ist, und doch kommt die süße Frucht vom Holz, das an und für sich ungenießbar ist! So wir aber die Frucht genießen, da danken wir denn doch für die Frucht und nicht für den Baum, auf dem die Frucht für uns bereitet wurde!

[1.54.21] Nun aber denkt, so wir aber wären das Holz des Baumes, und es würde uns diesem gleich gegeben eine Frucht; da aber der Baum gesetzt ist, dass er Früchte trage, – was soll nun dem Herrn danken, der Baum oder die Frucht?

[1.54.22] Ist denn nicht da die Frucht eine Liebesgabe des Herrn, die dem Herrn nicht danken kann und darf, sondern nur der Baum als ein freies Gesetz – obschon aus derselben Frucht entstanden – darum, dass ihm ferner gegeben ist in ununterbrochener Reihe die Kraft von oben, dass er hervorbringe eine lebendige Frucht und in dieser zahllos seinesgleichen!

[1.54.23] Was ist demnach aber für ein Unterschied in der Pflanzung, so wir dem Baum Reiser abnehmen und verpflanzen selbe in die Erde, und es wird wieder ein Baum daraus, – und so wir die Frucht nehmen und legen sie in die Erde, und es wird ebenfalls ein Baum?!

[1.54.24] Sehet, wir aber sind die Reiser, und der Same ist der Segen Gottes. So wir aber erkennen, dass wir nicht die Frucht und der Same, sondern nur Reiser und Bäume sind, dass wir mit der Frucht und dem Samen möchten gesegnet werden, da ist ja die große Stimme in uns die gegebene Frucht und der Same Gottes, die für sich nicht loben, preisen und danken sollen, da sie es sind, dafür gedankt werden sollte; wir aber sind gleich dem Baum und den Reisern und müssen daher loben, preisen und danken in dem, was wir sind, aber nicht in dem, was wir empfangen, und dann allzeit für das, das wir empfangen, damit wir vollends frei werden möchten vor Gott und entsprechen dadurch dessen heiliger Absicht. Amen.“

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