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52. Henoch besingt den Morgen

[1.52.1] Und alsobald verließen die beiden die Hütte und eilten der kleinen, runden Anhöhe zu und bestiegen alsobald dieselbe; denn sie war zehn Mannslängen höher denn der Platz, da die Hütte Adams stand, und war ringsumher frei von allen Bäumen, und die Wipfel der Zedern reichten nur bis zum Fuße dieses freien Hügels, auf welchen zwar ein schmaler, aber sonst recht bequemer Weg führte.

[1.52.2] Und so kamen sie auf die Höhe sieben Minuten nach eurer Rechnung vor dem Aufgang; da ließ sich Adam zur Erde nieder, dankte Mir für den wieder neu erlebten Tag und bat Mich um den Segen, auf dass er dann vermöchte wirksam in Meinem Namen alle seine Kinder zu segnen in Meiner Liebe und aus Meiner Gnade.

[1.52.3] (NB. Was ihr jetzt wenig mehr beachtet, und die Welt für eine Albernheit hält, – daher auch Ich und Mein Segen fernbleiben müssen, so nun alles dessen lange nicht mehr benötigt wird!)

[1.52.4] Und als er solches vollbrachte, siehe, da gewahrte er Mein Wehen und segnete alle seine Kinder vor dem Aufgang.

Am 13. Jänner 1841

[1.52.5] Als nun der Adam seinen Segen aus Mir gespendet hatte allen seinen Kindern und dabei auch wohl gedachte derer in der Tiefe, siehe, da brachen die ersten Strahlen der Morgensonne über den weiten Horizont hervor, und Adam weinte vor Freude beim Anblick derselben, da seine Augen wieder erblickten Meine Gnade strahlen über die weiten Fluren der Erde und durch Meine Barmliebe aus der Sonne nun auch wieder erwärmt zu werden anfing der durch die Nacht kalt gewordene Boden der Berge, da es auch stets kälter war denn in der Tiefe, – wie es noch heutzutage der Fall ist.

[1.52.6] Da aber Adam gefrohlockt hatte und sah den Henoch voll Freude, so gedachte er desselben und ermahnte ihn zu reden bei der aufgehenden Sonne, wie er es sich schon früher am Morgen gleich nach dem Morgengebet bedungen hatte.

[1.52.7] Und als der Henoch solchen Wunsch vernommen hatte, siehe, da fing er alsobald an zu reden aus der Liebe, und es war seine Rede folgende:

[1.52.8] „O Vater, du verlangst eine Rede von mir, deren ich nicht fähig bin! Ich soll dir nun gleich dem Seth den Morgen besingen, der da ist ein hochbegabter Sprecher in derlei Dingen – und ich nur ein blinder Liebefühler!

[1.52.9] Siehe, daher möchtest du wohl Nachsicht haben, so ich es nicht vermag gleich dem hohen Seth; doch das in meinem Herzen sich regt, will ich ja geben, soweit die Fähigkeit meiner schwachen Zunge reicht.

[1.52.10] O Vater, was ist dieser matte, schwache, vergängliche Morgen gegen den ewigen Morgen des Geistes aus der unendlichen Liebe des ewigen, heiligen Vaters! Diese Sonne mit ihrem matten Geschimmer, was ist ihr Licht gegen die unendliche Glorie der Liebe in Gott? Nichts als ein schwarzer Punkt in den Strahlen der göttlichen Liebe! Ja, sie ist der letzte Ausgangspunkt eines winzigen Gnadenfünkchens aus der ewigen Liebe in Gott, und es nimmt uns wunder ihre Majestät! Was würden wir denn tun, so wir zu schauen vermöchten die ewige Urquelle alles Lichtes in der Liebe des Vaters in aller ihrer Heiligkeit?!

[1.52.11] Es sei aber ferne, als dass ich darob die Sonne tadeln möchte, sondern das sage ich, dass sie sein soll eine erste Lehrerin und uns sage: ‚O ihr schwachen Menschen, was schaut ihr mich mattleuchtende Erderleuchterin so verwundert an? Das auf meiner Fläche euer Auge blendet, wie gering ist es gegen dem, was ihr in eurer Brust bergt! Wäre mir so viel gegeben wie dem Geringsten unter euch, wahrlich, mein Licht würde nahe an die fernen Pole der Unendlichkeit mit ungeschwächter Kraft dringen; allein, wo meine Strahlen zurückbleiben, da breitet das Auge eures Geistes noch mit der vollsten Kraft seine Strahlen aus und empfängt dafür wieder frischere und noch kräftigere aus dem ewigen Morgen der Liebe in Gott!‘

[1.52.12] O Vater, siehe, die Sonne hat recht, so sie uns eine solche Lehre gibt mit ihrem ersten Strahl! Denn so wir zu uns selbst zurückkehren und betrachten da den großen, endlosen Raum unserer Gedanken und den noch größeren unserer Gefühle und dann erst den allergrößten der Liebe zu Gott, der gewiss unendlich sein muss, da es uns dadurch erst möglich wird, den unendlichen, ewigen Gott zu erfassen und so zu lieben, wie können wir da das Licht des Staubes, es fast anbetend, für herrlich und groß halten, das hinreichend Platz hat im Fleischesauge, da der ewige, große, heilige Vater Sich von uns lieben und in der Liebe wohl zugänglich erfassen lässt?!

[1.52.13] Es erfreut unser Herz durchs Auge sich der Morgensonne sanften Strahles zwar, und all das Heer der Tiere jubelt lauten Getöses ihr, der holden Tagesmutter, entgegen, und der Blumen Kelche öffnen sich, um gierig einzusaugen die ersten milden Strahlenspenden des lichten Morgensegens der schönen Sonne, und die fernen Wellchen des Meeres hüpfen munter gleich jungen Kinderchen und zupfen gleich diesen ihre Strahlenmutter am weiten Gewand des Lichtes, – ja, das sind lauter schöne Bildformgedanken; aber wenn ich bedenke, dass, um all dies Schöne zu empfinden, doch immer ein Mensch dazu gehört, dessen Herz solcher Bildformgedanken wohl fähig ist, so dessen Gemüt seine Ruhe treu genommen hat in der Liebe Gottes, so ist da ja der tröstende Nachgedanke einer der wahren Ordnung, vermöge welchem alle diese Morgen- und andere Szenen so gut wie nichts wären, so sie weder gesehen, empfunden, noch gefühlt und sonach äußerlich begriffen werden möchten von einem Menschen, dem da innewohnt eine lebendige Seele und [in] ihr aber ein ewiger Geist der Liebe aus Gott.

[1.52.14] Da wir aber solches gar wohl wissen, wie ist es denn aber, dass wir regelmäßig frohlocken, so die Sonne dem Willen Gottes gemäß heraufgetrieben wird, auf dass sie erscheine zur bestimmten Zeit; und so wir aber unseren freien Geist betrachten, nimmt es uns fast gar nicht wunder, so wir in ihm ein Licht erschauen, das da, nie untergehend, in gar wunderbarer Freiheit hin und her strahlt mit stets gleicher Liebefähigkeit und Kraft in den endlosen Gebieten der Gnade und aller Liebe des ewigen, heiligen Vaters?!

[1.52.15] Ja, es verwundert uns ein hängender Tautropfen, wenn dessen schillernden Strahlenfarben und Zitterschimmer unser lüsternes Auge kitzeln, während wir den unermesslichen Lebenswundertropfen der göttlichen Liebe in uns fast unbeachtet lassen! So uns ein frisches Morgenlüftchen anweht, o dann frohlocken wir der holden Anmut lächelnd entgegen; aber dass wir unablässig von der frischesten Lebensluft aus dem ewigen Morgen Gottes über- und überwehet werden im Angesicht der Sonne des Geistes zum ewigen freieren und freieren Leben, o dessen frohlocken wir wenig! So auch spannen wir alle unsere Sehkraft hin zur weitgedehnten, wellenden Meeresfläche und ergötzen uns gewaltig am losen Geschaukel der blitzenden Flut; aber die großen Lichtwogen des endlosen Meeres der göttlichen Gnade gehen an uns gar oft spurlos vorüber, und unsere Freude darüber hat bald ihre Grenzen erreicht! So auch macht uns staunen ein rot, grün und blau glänzender Schmetterlingsflügel; aber ein hoher Gedanke in der Brust eines unsterblichen Bruders wird leichtlich als ein loses Machwerk der trügerisch verschrieenen Phantasie verworfen! Und so wird nicht selten das Nest eines Vogels bewundert und Gott dafür rechtlich gepriesen, während ein unschätzbar köstliches Werk des freien, unsterblichen Geistes mit großer Geringachtung hintangehalten wird!

[1.52.16] O wie erhaben stimmt unser Gemüt das Rauschen der Zedern, wenn ein dreister Wind schonungslos durch ihre zarten Äste mit Ungestüm rennt; aber das heilige Rauschen des Geistes der ewigen Liebe überhört das windbetäubte Ohr, das im Sturm Sprache sucht und nicht achtet des lauten Rufens der Stimme Gottes in der eigenen Brust!

[1.52.17] O Vater, da ich schon rede vor dir, so lasse mich noch ferner reden aus meinem Herzen, das da einsieht vor Gott, dass es wahrhaft unbillig ist und außer aller Ordnung, so da jemand hat ein großes und ein kleines Gefäß und tut in das große wenig und in das kleine aber vieles, das da nicht Platz hat darinnen und fällt außen herum, da es zertreten wird, während das große Gefäß fast leer steht, darinnen gar vieles wohlgehalten Platz hätte. Unser sinnlicher Leib ist das kleine Gefäß, das wir stets gewaltig überladen, und unseren Geist der Liebe aber, als das endlos große Gefäß, beachten wir fast gar nicht und tun daher auch ganz entsetzlich wenig hinein!

[1.52.18] Wir brennen unsere Opfer regelmäßig und glauben dem Herrn einen Gefallen zu erweisen, so wir uns vor dem Opferbrand auf unsere Gesichter in den Staub niederlegen; allein, das sind lauter Dinge, zu überlasten das kleine Gefäß, während dabei des großen, dem Herrn allein wohlgefälligen Opfergefäßes der reinen Liebe im Geiste und in der Wahrheit gar wenig bedacht wird!

[1.52.19] Ich aber bin der Meinung, da wir das eine tun zum sichtbaren Zeichen unserer geistigen Blindheit, so sollen wir von der Hauptsache umso weniger abstehen, da durch sie allein nur das wahre, ewige Leben des Geistes der Liebe in Gott bedingt ist! Denn des gemahnt uns jeder Morgen und jede aufgehende Sonne, da wir nicht wissen, von wannen sie kommt, und was sie ist, ob der Blindheit unseres Geistes. Des gemahnt uns auch die Rinde des Baumes, den sie umkleidet, so dass da niemand behaupten kann, der Baum sei da der Rinde wegen, wohl aber die Rinde des Baumes wegen, damit des Baumes schaffende Kräfte aus Gott geschützt und verborgen bleiben möchten vor unserer fleischlichen Neugierde, – dem Geiste aber als ein Wink gelte aus Gott, der da spräche:

[1.52.20] ‚Siehe, Ich habe das Leben vor dem Fleische verborgen, damit der Tod seiner nicht ansichtig werde, und habe verhüllt Mein Eigentum in dir, damit du es in dir trügest bis zur Zeit der Enthüllung wohlverwahrt! Unter der Rinde da wallet ein mächtig Getriebe und handelt und ordnet des ewigen Gottes gar weise und liebevoll ernst die heilige Liebe; da rauschen gar mächtige Ströme des tätigen Lebens aus Gott!‘

[1.52.21] O Vater, so ist alles, alles, was wir nur immer mit unseren Fleischaugen ansehen, nichts als ein totes Kleid, innerhalb dessen ein stilles Leben wallt, das uns anziehen soll, und zwar zunächst das unsrige in uns; und haben wir das in der reinen Liebe zu Gott gefunden, so werden erst dann die Wunder um uns lebendig, von deren äußerlicher, toter Beschaulichkeit wir uns schon gar so oft, selbe fast anbetend, für nichts haben hinreißen lassen.

[1.52.22] Wer möchte denn wohl bewundern einen Tropfen Wasser darum, dass es ein Wasser ist? Was sollte man denn tun beim Anblick des Meeres, oder so ein fruchtbarer Regen von oben in zahllosen Tropfen zur Erde fällt und dieselbe befruchtet?

[1.52.23] Wenn aber der Geist sein eigen Bild im Tropfen erschauen wird, o Vater, da wird derselbe erst zu sammeln anfangen fürs Gefäß des Lebens und des Wunderns gut Rat haben, da er in sich nach der früheren Sonnenlehre wohl, wie in seinen Brüdern, der Wunder größtes entdecken wird, das da ist die ewige, unendliche Liebe Gottes voll der größten Demut in uns! O Vater, siehe, so habe ich denn vollendet; nehme es gnädig auf, und zeige mir gnädigst an deinen ferneren Willen! Amen.“

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