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276. Staunen der Lichtblauen ob der Macht des Wortes dieses Boten. Gottesvorstellung und Gotteserkenntnis der Menschen und Geister. Selbst Gottergebene erkennen oft den Herrn persönlich nicht.

(Am 13. Nov. 1850)

[2.276.1] Sagen die nun sogleich mit lichtblauen Gewändern Angetanen, die nun nicht begreifen können, wie möglich ihre Kleider gar so plötzlich sich haben verändern und umfärben können: „Freund, du kommst uns ganz sonderbar vor! Was du sagst, das geschieht! Unsere Kleider, merkwürdig! Dein Wort erging über sie, und wir konnten es nicht einmal merken, wann sie so ganz eigentlich umgewandelt worden sind. Auch hat sich unsere Gesinnung ganz umgeändert. Wir sehen nun manches bis auf den Grund ein, wovon wir früher keine Spur hatten. Du musst ein gar überaus mächtiger Freund des Herrn sein. Die beiden früheren Freunde, d. h. die vor dir zu uns kamen mit den beiden Weibern, waren wohl auch so hübsch mächtig, denn jene rote Schar, die uns von weitem her ganz verzweifelt kriegslustig angrinste, haben sie ganz allmächtig scheinend zurückgedrängt, und jene haben sich darauf uns nimmer nahen können. Diese Tat zeugt wahrlich auch von einer ungeheuren Willensmacht; aber sie scheint doch nur mehr darin bloß zu bestehen, dass sie hindert und gewissen Begierden und Handlungen ein schroffes Ziel setzt gleich einem sanktionierten Gesetz aus dem Mund eines Feldherrn. Aber Dinge durch ein leichtes Wort zauberisch wunderbar verwandeln – ah – das gehört auf ein anderes Blatt!

[2.276.2] Es kann ein mächtiger Feldherr durch sein Donnerwort wohl einen halben Erdkreis erbeben machen, aber eine rote oder gelbe Blume durch sein Machtwort blau zu umfärben vermag er nicht, da gehört mehr dazu, als einem Heer von Millionen zu gebieten, dass sie Berge abtragen sollen und den großen Strom Euphrat austrocknen. Sage, du liebster Freund, mit welcher sonderbaren Macht tust denn du solch ein wahres Wunder? Siehe, wir glaubten auf der Welt eben nicht zu fest an die Wunder Christi, wohl aber an Seine Lehre, die wahrlich rein göttlicher Art ist. Aber nun werden uns auch alle Seine Wunderwerke einleuchtend; das ist schon rein göttlich. Nur möchten wir auch einsehen, wie denn doch so was möglich ist.“

[2.276.3] Sagt der dritte Bote: „Ich kann euch darüber vorderhand keine andere Erklärung geben als diese: ‚Bei Gott sind alle Dinge möglich!‘ Wer aber Gott über alles liebt und durch solche Liebe mit Gott eins ist, dem ist dann so wie Gott Selbst auch alles möglich. Sagte nicht Christus auf der Welt: ‚Um was immer ihr den Vater in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch gewährt werden.‘ Wer also in und durch die Liebe mit Gott eins ist, der kann auch tun, was Gott Selbst tut. Werdet alsonach voll Liebe zu Gott dem Herrn, so werdet ihr auch ebenso mächtig werden, als wie mächtig Ich nun vor euch stehe. Alle Macht besteht einzig und allein nur in der Liebe. Die endlose Macht Gottes besteht auch nur in dessen unbegrenzter Liebe. Und so kann ein jeder Geist durch die Liebe allein zu einer ebenso großen Macht gelangen, als wie groß da ist seine Liebe in Gott und zu Gott. Ohne Liebe aber gibt es weder ein Leben noch irgendeine Macht desselben. Habt ihr das nun wohl verstanden?“

[2.276.4] Sagen die nun Lichtblauen: „Herrlicher Freund! Wer soll deine Worte nicht verstehen? Sie fließen ja wie ein feinster Balsam in unsere Herzen. Wir bitten dich, führe uns nur sogleich zu Jesu dem Herrn hin auf diese Höhe, auf der Er Sich nun befinden soll! Wir brennen vor Liebe und großer Begierde, Ihn zu sehen und womöglich mit Ihm vielleicht auch ein paar Wörtlein zu wechseln – wenn Er auch nun rein im Geiste so ist, wie Er auf der Erde war, nämlich voll Liebe und voll der größten Sanftmut!“

[2.276.5] Sagt der Bote: „Aber als Er aus dem Tempel die Käufer und Verkäufer trieb und den Taubenkrämern und Wechslern ihre Buden umstieß, da war Er eben nicht von der größten Sanftmut beseelt; wie auch damals nicht, als Er den fruchtleeren Feigenbaum verfluchte und den heuchlerischen Pharisäern ihre Schandtaten vorhielt. Was meint ihr dazu?“

[2.276.6] Sagen die Lichtblauen: „O Freund! Da war Er erst ganz ungeheuer sanft und nachgiebig. Wir an Seiner Stelle, so wir im Besitz Seiner Macht gewesen wären, hätten da eine ganz andere Wirtschaft angerichtet. Das jüdische Krämer- und Wechslergesindel hätten wir wie Wanzen und Schwabenkäfer mit Feuer behandelt und das jüdische Pfaffentum wäre von uns aus ganz à la Sodom und Gomorrha behandelt worden. Die Kerls hätten braten müssen wie ein kälberner Schlegel am Ostersonntag. Was aber den fruchtlosen Feigenbaum betrifft, so stellte Er dadurch ja ohnehin nur ein Symbol auf, wahrscheinlich von der römisch-katholischen Kirche, die auch voll von lauter heidnischen Zeremonienblättern ist, hinter denen keine Frucht bemerkbar ist. Also nur zu Ihm hin auf Gnade und Ungnade! Er muss Sich von uns über Hals und Kopf lieben lassen.“

[2.276.7] Sagt der Bote: „Nun denn, auf eure Verantwortung! Wir wollen also unser Glück versuchen.“ – Sagen die Lichtblauen: „Nur zu! Wir werden dich schon verantworten! Wir fürchten uns nicht vor Ihm, denn wir lieben Ihn ja über Hals und Kopf!“

[2.276.8] Auf diese Äußerung der nun Lichtblauen, deren Zahl dreißig Mann hoch ist nebst einer ziemlichen Zahl ihrer Dienerschaft, wird nun hurtig der Hügel erstiegen. Als wir oben im bekannten Baumrondo ankommen durch die vielen Reihen von Geistern aller guten Art, da stehen die drei Apostel, die Kaiser und etliche Bischöfe und machen eine tiefe Verbeugung vor uns. – Da fragen die Lichtblauen den vermeintlichen Boten: „Freund, vor wem verneigen sich denn diese Geister, vorausgesetzt, dass sie auch Geister sind? Am Ende sehen sie schon irgendwo Christus den Herrn, den wir als Folge unserer zu tiefen Unwürdigkeit noch nicht sehen können? Wenn das der Fall wäre, o da zeige uns wenigstens die Stelle, von welcher Er herkommt, auf dass wir uns vor Ihm sogleich niederwerfen und Ihm im Staub unserer gänzlichen Nichtigkeit unsere Ehre geben!“

[2.276.9] Sagt der vermeintliche Bote: „Wahrscheinlich werden diese den Herrn sehen und kennen zugleich, weshalb sie sich also verneigen vor Ihm. Denn es gibt recht sehr viele, die wirklich den Herrn sehen und sprechen oft viele Tage und manchmal sogar Jahre lang, aber weil ihr Herz noch blind ist, so erkennen sie Ihn nicht. Diese fragen dann auch in einem fort und sagen: ‚Oh, wenn wir doch nur einmal das große Glück hätten, den Herrn Jesus zu sehen, dann verlangten wir keine andere Seligkeit mehr! Wir würden im Staub vor Ihm aus lauter Demutstiefe uns herumwälzen und Ihn preisen und loben mit allen Psalmen Davids und hohen Liedern Salomons!‘ Das sagen sie dem Herrn, den sie wohl sehen und sprechen, aber nicht kennen, ins Gesicht und harren immer Seiner, während sie doch mit ihren Nasen hundert und Tausend Mal an Ihn gestoßen sind.

[2.276.10] Aber was nützt das Sehen allein, so das Erkennen nicht dabei ist? Das Erkennen ist aber zumeist darum recht sehr erschwert, weil das menschliche Herz, das in seinen Tiefen noch so manchen Hochmutsbrocken birgt, sich in dem sehr schwer findet, sich die Gottheit etwas menschlicher vorzustellen, als es gewöhnlich der Fall ist, wonach die Gottheit etwas ganz verzweifelt Außerordentliches sein muss. Wenn Sie auch schon der Form nach aussehe wie ein vollkommenster Mensch, so soll Sie aber nach dem Erwarten und Einbilden der Menschen doch wenigstens glänzen wie eine Sonne.

[2.276.11] Der Mensch kann sich die Gottheit nur als etwas ungeheuer Außerordentliches vorstellen. Die Ursache davon ist erstens die Anschauung der Materienwelt in all ihren Verhältnissen, sowohl der Masse wie der Größe und ihrer Einrichtung nach. Der gestirnte Himmel zeugt von einem überriesenhaft großen Gottwesen, die Sonne von Seinem Licht, die Erde von Seiner Macht und Stärke. Der Papst, die Kardinäle, Bischöfe und andere geistliche Korporationen aller Konfessionen verkünden Ihn auch als etwas, das der Mensch sich kaum zu denken getrauen soll. Am Ende kommt noch der Hochmut des eigenen Herzens und dessen feinen Weltverstand dazu, der sich so ganz eigentlich eines unansehnlichen Gottes schämt, nicht gern in einer angesehenen Gesellschaft den Namen Jesus ausspricht und noch weniger dessen unbestreitbarste Göttlichkeit fest behauptet.

[2.276.12] Und so kommt es denn auch ganz besonders hier im Geisterreich wie auch dann und wann auf der Erde vor, dass der Herr Selbst lange mit sonst weisen Geistern wie auch mit Menschen auf der Erde umgeht, aber sie erkennen Ihn nicht aus den angeführten Gründen. Die Erdmenschen verlangen oft noch mehr als die Geister, sie wollen große Wunder, denn kleine taugten ja nicht für ihren großen Gott, dessen Namen Jesus sie sich, wie gesagt, in einer noblen Gesellschaft nicht auszusprechen getrauen, weil ihnen der Herr Jesus ein denn doch ein bisschen zu kleiner Gott ist. Da heißt es nur, wenn schon von Gott die Rede ist: Großer, allmächtiger Gott! Großer Schöpfer der Unendlichkeit, Weltenlenker, Vater der Äonen und dergleichen. Wenn nun Jesus den Menschen auf der Erde als ein ganz gewöhnlicher, manchmal dem Anschein nach sogar mit manchen Schwächen behafteter, dürftiger Mensch entgegenkommt, Sich oft länger bei ihnen aufhält und nicht alsbald echt zauberisch verschwindet und geisterartig, wohl sehr weise, so es nottut, spricht, mit ihnen isst und trinkt, aber keine Wunder wirkt – da erkennt Ihn sicher niemand, obschon Er Selbst so bis an das Weltende bei den Seinen zu bleiben versprach.

[2.276.13] Denn nur im Kleid der Armut kommt der Herr zu Seinen Kindern auf die Erde gar oft. Aber sie erkennen Ihn nicht, weil ihre Begriffe von Gott an und für sich schon Hochmut sind – gleichwie ein Adeliger sich’s wohl gefallen lässt, wann ein Hochadeliger von sechzehn Ahnen und darüber über ihn herrscht. Man unterstelle ihn aber nur einem Unadeligen, und sein Gehorsam und besonders sein Respekt hat, wenigstens moralisch genommen, sein Ende erreicht. So, wie gesagt, geht es mit der Gottheit bei den vom Hochmut Aufgeblähten. Hat der Heer vor ihren Augen nichts ihren hohen Forderungen Gemäßes und glänzendst Außerordentliches, etwa so was von einer echt orientalischen oder wenigstens spanischen Grandezza an Sich, etwa nichts von einem echt stoischen Ernst und nichts Wunderähnliches, gehen Seinem Erscheinen nicht Feuer, Sturmwind, Blitz und Donner allerdickster Art voran – dann ist es mit Seiner Gottheit aus.

[2.276.14] Manche sonst sogar sehr gottergebene Seelen ließen sich eher martern, bevor sie sich anzunehmen getrauten, dass der Herr sie in der Gestalt irgendeines in der Welt ganz bedeutungslosen Menschen heimgesucht hat. Ja, Ich sage euch, es ist dem Herrn auf der Welt seit achtzehnhundert Jahren das schon gar oft widerfahren, dass Er sogar von sonst ganz gemütlichen Gottergebenen hinausgeprügelt worden ist; und doch war es wirklich der Herr des Himmels und der Erde Selbst, den sie hinausgeprügelt haben. Daher es denn auch fast stets schwerer wird, dass Sich der Herr den Menschen auf der Erde nähere. Als ein Lügner gegen Sein Wort kann der Herr die Menschen nicht besuchen; kommt Er aber in Seiner harmlosesten Weise, da mag Ihn niemand erkennen. Was soll man dann tun und wie Sich Selbst richten, dass man erkannt werden möchte?

[2.276.15] Seht, im Himmelreich Gottes ist nur der der Erste und Vorzüglichste, der aus allen der Geringste und der Unbedeutendste zu sein scheint. Wie soll bei solcher ewigen Ordnung Gottes Er als das allererste und vorzüglichste Wesen von dieser goldensten Regel eine Ausnahme machen wollen? Fragt euch nun selbst, ob bezüglich der Gotteserkenntnis nicht etwa auch bei euch ganz derselbe Fall vorhanden ist. Ihr seht Christus den Herrn vielleicht schon eine geraume Weile, mögt Ihn aber nicht erkennen, weil Er euch ganz sicher viel zu wenig göttlich nobel aussieht.“

[2.276.16] Hier erst fangen sie den Boten schärfer zu betrachten an und sagen: „Du wirst es aber etwa ja doch nicht sein? Ah, das wäre wirklich ein sehr fataler Spaß! Wenn Du es wärst, was dann mit uns Sündern? Aus Deinen Worten aber könnten wir fast entnehmen, dass, o Gott, es so wäre!“

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