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214. Paulus‘ Wirken gleich dem einer geistigen Hebamme. Ein weltgeschichtliches Verlangen. Gleichnis vom Taschenspieler. Gefahr der Hofgrandezza. Der wahre Hofglanz.

(7. Juli 1850)

[2.214.1] Spricht Paulus: „Du wirst auch einen andern erhalten – aber jetzt noch nicht, wo du nahe wie ein Stein materiell in allem deinem Denken, Sinnen und Trachten bist. Ich, Paulus, aber bin darum ein Paulus, der winzige Apostel – weil ich zuerst von den Kindern das Grobmaterielle hinwegrasple und von ihnen den ersten Unrat schaffe gleich einer Hebamme und taufe die schwachen Kinder gewisserart schon im Mutterleib, auf dass sie dann um desto eher fähig werden möchten, die mächtige Taufe des Geistes zu empfangen. Solange du daher nicht deine zu sehr materievollen Gedanken und Begierden gegen geistige vertauschen wirst, wirst du des Paulus nicht los! Denn wie gesagt, das ist des Paulus Geschäft, dass er zuvor den Platz reinigt, auf dass hernach die rechten Bauleute das Gebäude aufführen können, welches dann vom großen Baumeister eigenhändig die entsprechenden Verzierungen und allerlei innern herrlichen Einrichtungen erhält.

[2.214.2] Sei du daher anfänglich nur zufrieden mit mir; denn wer einmal den Paulus annimmt, der kommt dann auch zum Petrus, zum Johannes und endlich zum Herrn Selbst. Aber jeder, der da anfängt, der fängt mit Paulus an, sonst kommt er nimmer an den Petrus und noch weniger an den Johannes. Wer aber nicht an den Johannes kommt, der kommt auch nicht an den Herrn! Denn Johannes ist gleich der Liebe des Herrn zu Seinen Kindern.“

[2.214.3] Sagt der Harte: „Ganz wohl, aber du bist nicht getreu in deinen Angaben, und so kann ich mich auf dich nicht verlassen. Denn ‚Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht!‘ – Du sagtest, dass ich schon nahe an zweihundert Jahren nach irdischer Rechnung hier in der Geisterwelt mich aufhielte. Und siehe, das ist vollkommen erlogen, denn ich bin erst kaum bei 110 Jahre hier, und es fehlen sonach noch 90 nach deiner Angabe! Sollten denn Geister deiner Art nicht genau anzugeben imstande sein, wie lange irgendein Geist als ganz bestimmt hier wohnt? Putze dich nun aus dieser Soße, so du’s kannst, und ich will dich behalten.“

[2.214.4] Sagt Paulus: „Das ist eine Schafswoll-Locke, um die du hier mit mir rechten möchtest! Aber es soll dir sehr schwer fallen ein solcher Streit! Denn wisse, der Paulus ist ein gewaschener und kein ungewaschener Jude, und mit denen ist es nicht gut Kirschen essen; denn da bekommt der in der Wette Mitessende sehr leicht alle Stängel und Steine ins Gesicht. Sage mir, du ausgehöhlter Hohlbohrer der hohlsten Materie, wann du in der Geisterwelt das Rechnen gelernt hast, indem du mich einer Lüge beschuldigen willst!? Siehe, du Tor, wir rechnen hier in der Geisterwelt so: Von dem Augenblick an, als vom Herrn deiner Seele der Geist eingelegt ward, was sobald geschieht, als die Seele eines Kindes des ersten Gedankens fähig wird, was bei manchen Kindern schon im ersten Jahr der Geburt geschieht. Vor der Zeit der Einlegung des Geistes in die Seele aber ist jeder Mensch auch schon ein Bewohner der Geisterwelt und lebt und webt stets die halbe Lebenszeit vollends in der Geisterwelt, was ihm seine Träume nur zu klar sagen. Nur die naturwache Tageszeit ist er zum größten Teil seines Wesens in der Materiewelt, obschon mancher durch geistige Gedanken, Betrachtungen, Gebete, Liebe zu Gott und edle Handlungen sich auch am hellsten Tage rein in der reinen Geisterwelt befindet. Und sieh, von da an beginnt auch die Rechnung, wie wir hier zu rechnen pflegen. Und so du das addierst zu deinen 110 Jahren, so wirst du die Annäherung an die 200 Jahre wohl doch sicher nicht gar so lügenhaft finden, als wie du es mir, deinem Freunde, keck und grob genug ins Gesicht sagtest.“

[2.214.5] Sagt darauf der Harte: „Das habe ich aber nicht gewusst, dass man hier so rechnet! Hättest du mir davon früher eine Anweisung gegeben, so hätte ich dich keinen Lügner genannt und du mich auch nicht einen ausgehöhlten Hohlbohrer der hohlsten Materie, was auch kein Kompliment ist. Und weil du grob warst, da ich grob war, so glaube ich, dass wir uns gegenseitig quittiert haben und sind demnach einander nichts mehr schuldig. Ich bin nun gut; bist du es auch?“

[2.214.6] Sagt Paulus: „Ganz vollkommen! Aber jetzt musst du dir von mir dafür aber schon noch einige Worte gefallen lassen.“ – Sagt der nun etwas Weichere: „Rede nur, soviel du magst und kannst! Ich will dich anhören. Sage mir aber auch, wie es nun in der Welt aussieht, und was da meine Nachkommen machen und wie es ihnen ergeht. Ich habe vernommen, dass es in Österreich große Bewegungen gegeben habe. Sage mir auch darüber noch etwas Näheres, so du das kannst.“

[2.214.7] Sagt Paulus: „Wir sind nun in Wien selbst und werden in dieser Stadt noch manches zu schlichten bekommen, und bei der Gelegenheit auch so manches erfahren, wie es nun auf der materiellen Außenwelt aussieht. Vorderhand aber heißt es, sich mit dem befassen, was uns viel näher ist als die Materiewelt. Du bist noch ganz von der spanischen, zumeist durch den damals höchst und reichst gestellten Priesterstand promulgierten Hofgrandezza der dortigen Herrscher durchdrungen und meinst, dass alles Hohle nur durch einen möglichst erhöhten Glanz, der im Gold und allerlei eitelsten Zeremonien besteht, aller Welt imponieren kann, um das gemeine Gesindel zum blindesten Gehorsam zu nötigen. Ich aber sage dir, dass es auf der ganzen Welt nichts Grundfalscheres und Irrigeres geben könnte, als eben diese über alle Maßen dumme Annahme.

[2.214.8] Siehe, ein Taschenspieler unterhält seine geblendeten Zuseher nur so lange, als diese nicht hinter das Nichtige seiner Kunst gelangen; werden sie aber von einem Sachkundigen aufgeklärt, dann kann der falsche Zauberer schauen, wie er ein Loch zum Durchgehen findet, sonst werden ihm die Zuschauer etwas erzählen und sich bei ihm auf eine sicher sehr energische Weise zu bedanken wissen, darum, dass er ihnen eine falsche für eine wirkliche Zauberei verkauft hat. Ah, klar und gewiss etwas anderes ist’s, so ein Falschmagier sich auch als solcher ankündigt! Da wird ein jeder Zuschauer es wissen, dass diese Zauberei eine rein natürliche ist und wird ganz vergnügt, den Falschkünstler sogar ehrend und lobend, den Schauplatz verlassen und wird sich auch um die Art und Weise nicht viel kümmern, wie der Falschzauberer ein oder das andere Zauberstück hervorgebracht hat; denn der Zuschauer weiß es ja, dass das Ganze nur ein recht fein und pfiffig ausgedachter Sinnentrug ist, und keine Realität.

[2.214.9] Aber so der Falschkünstler ankündigte, dass er eine wirklich altägyptische Zauberei ohne alle Apparate zum Besten geben wird, und man entdeckt aber dann bei der Produktion dennoch allerlei Behelfe und entdeckt in dem angekündigten wirklichen Zauberer nur einen ganz gewöhnlichen sogenannten Hokuspokuskünstler, da wird dieser einen schweren Stand haben, sich vor seinen betrogenen Zuschauern zu behaupten. Und siehe, ebenso verhält es sich auch mit dem Hofglanz. Dieser kann ein wirklicher und auch ein falscher sein. Wehe aber dem Regenten, der da durch einen falschen Hofglanz seine Untertanen hat täuschen wollen! So sie dahinterkommen, wie es in Spanien und Frankreich und in vielen andern Staaten schon gar oft der Fall war, da wird es solch einem Falschglänzer schlecht und übel ergehen.

[2.214.10] Der wahre Hofglanz aber besteht vorerst in der Weisheit und Herzensgüte des Regenten, in einem gut verteilten und zweckmäßigen Wohlstand der Untertanen, in einer festen und guten Disziplin eines nicht unnötig, bloß der Parade wegen, großzählig gehaltenen Wehrstandes und in allerlei weisen Staatseinrichtungen, vor denen die ganze Welt einen tiefen Respekt bekommen muss; und nachher auch erst in dem, dass der Regent seiner Würde nach in seiner Wohnung als das erscheint, was er eigentlich ist, nämlich ein weiser Regent eines wahrhaft glücklichen, großen Volkes.

[2.214.11] Was nützt es aber einem Regenten, in goldnen Staatswagen herumzufahren, so sein Volk in dürftigste Lumpen gehüllt, traurig, matt und hungrig seufzt, weint, klagt und von einer Verzweiflung in die andere dahinschmachtet? Was nützt es, den Schwachen alle Bürden aufzulegen, von denen sie erdrückt werden, selbst aber als ein stolzer Aar in hohen Lüften, der armen Menschheit am harten Erdboden spottend, herumzuschweben und sich zu ergötzen am Elend der schreienden Armut? Die Armut wird sich in ihrem Todeskampf entsetzlich rächen an solch einem Regenten, der füglicher ein Volksvampir als ein Volksregent genannt zu werden verdiente.

[2.214.12] Siehe an solch stolze Herrscher, wie da Spanien, Frankreich und England schon einige getragen haben! Sie fielen endlich als traurige Opfer einer entfesselten Volkswut! Du bist aber im eigentlichsten Sinn noch ganz befangen von dieser Hofgrandezza, die weder vor den Menschen und noch viel weniger vor Gott einen Wert hat. Lasse sie fahren, denn sie hat dir nie einen Segen gebracht und wird dir noch weniger für die Ewigkeit je einen bringen! Siehe, wäre deine Tochter nicht von einem ganz anderen Geist durchdrungen worden, als wie von dem deinen, da bestände schon lange kein Österreich mehr! Von allen Seiten wären sie über es hergefallen, wie die Raben über ein Aas, und hätten es zerrissen nach allen Seiten, wie sich’s hernach auch unter deiner Tochter, ihrem Sohn, unter dem Leopold und Franz praktisch in teilweisem Maß gezeigt hat. Und siehe, zu all diesen Übeln hast du den Samen gelegt. Und solange die nachfolgenden Regenten in deinen Goldwagen fahren werden, werden sie von Prüfungen mancher trüben Art nicht befreit sein. Der Herr kann es zwar ändern und kann die veränderten Wagen segnen; aber leicht geht das nicht, besonders wo ein solches Gerät zu sehr aus den Tränen geheim weinender Völker geschaffen ward.

[2.214.13] O Karl, du warst ein harter Regent! Werde daher nun weich vor Gott, deinem Herrn, auf dass du jene Wunden heilen magst, die dein übertriebener Hochmut den Völkern geschlagen hat. Warst du auch gerade kein böser Regent, so warst du aber dennoch ein harter. Und darum werde nun weich vor Gott und ein Balsam allen, die unter dir, stark verwundet, in eine krasse Nacht gelangt sind; denn es schmachten ihrer noch viele hier im Geisterreich, die unter dir geblendet worden sind. Gehe daher nun her vor den Herrn, deinen Gott und unser aller Gott und Vater, lege deine große Schuldenlast zu den Füßen Jesu des Herrn, auf dass Er dich stärke und gesund mache in allem, wo du als höchst krank vor Ihm erscheinst. Denn bei Ihm sind alle Dinge möglich.“

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