[2.202.1] Paulus geht nun ins Haus und sagt darinnen zu einem Haufen Menschen, die gerade eine geheime Beratung halten, wie sie eine großartigste Demonstration gegen das Ministerium könnten ins Werk setzen: „Der Friede sei mit euch! Ich, Apostel Paulus, ein Knecht Jesu Christi, vom Herrn Selbst zu euch gesandt, ermahne euch in aller Liebe und Geduld und in der wahren christlichen Sanftmut, die da ist ein rechtes Schild und ein fester Schirm gegen jeden Feind, dass ihr ablasst von euren bösen, nichts fruchtenden Beratungen, von euren höchst unlauteren Begierden und daraus hervorgehen-sollenden Werken. Kehrt eure Herzen dem Herrn zu, und tragt Ihm vereint eure Not vor, und Er wird euch helfen wahrhaft. Noch weiß die Geschichte kein Beispiel, dass der Herr je jemanden, so er sich ernstlich an Ihn gewendet hat, nicht erhört hätte; und Er wird auch vor euch Sein Ohr und Herz nicht verschließen, so ihr in eurer Not euch an Ihn wendet und in euren Herzen sagt: ‚Herr, Du liebevollster heiliger Vater, helfe uns aus unserer großen Not, denn wir sind ja auch Deine Kinder!‘ – So ihr also reden werdet, da auch wird der Herr mitten unter euch sein und wird jedem geben das Seinige. Bedenkt, dass eine jede Menschenhilfe gar keine Hilfe ist, sondern oft nur ein größerer Schade, als so sie nie einem sie Suchenden zuteilgeworden wäre. Sucht also die Hilfe bei Gott, dem Herrn aller Herrlichkeit, und es wird euch für ewig wahrhaft geholfen werden.“
[2.202.2] Tritt einer aus dem Haufen zum Paulus vor und sagt: „Was willst du, verkappter Pfaffe und sicheres Mitglied des verkappten Paulusvereines, der nun schon auf eine allerunverschämteste Weise sein Metier zu treiben anfängt? Sehe, dass du weiterkommst, sonst sollst du hier in optima forma Jesus Christus erst kennenlernen!“ – Spricht Paulus: „Lieber Freund, ich sage dir, dass du und deine ganze Gesellschaft euch ja schon durch eine geraume Weile nicht mehr auf der Welt, sondern rein nur im Geisterreich befindet – und tut aber noch immer, als wärt ihr in eurem Fleisch auf der finstersten Welt. Lasst euch ermahnen und werdet des wahren Zustandes inne, in dem ihr euch befindet!“
[2.202.3] Schreit der Hervorgetretene: „Hinaus mit diesem Schmafuh-Pfaffen! Da schaut einmal so eine Figur an! Jetzt will uns der Kerl begreiflich machen, dass wir schon gestorben wären! Ah, da geht der Spaß zu weit! Dass er sich für ’n Paulus ausgibt, das ist sicher eine schwärmerische Finte des neuen Paulusvereins und gehört offenbar ins Narrenhaus! Aber dass wir schon Geister seien, das ist zu viel auf einmal! Darum hinaus mit solch einem besonderen Paulus!“
[2.202.4] Spricht Paulus: „Hört, ich will euch noch ein Wort sagen, und danach könnt ihr mich hinaustreiben oder behalten, wie es euch frei belieben wird. Ich selbst, als ich zu Gottes Berufe zu Damaskus in Asien vor nahe zweitausend Jahren zu einem Gesandten Christi ward, da geschah es mir nicht selten, dass ich ebenso, wie nun bei euch hier, und manchmal wohl noch ärger, angefallen wurde wegen der damals bei den Erzjuden und auch anderen Völkerschaften sehr verhasst gewordenen Jesu-Heilslehre. Aber so ich zu jemanden im Vertrauen sagte: ‚Freund, prüfe die Lehre und behalte davon, das dir gut dünkt! Sie kostet dich ja nichts als allein deinen Willen und ein wenig Verstandes zur Prüfung.‘ Und seht, dadurch ward beruhigt so mancher, der mich im ersten Moment vor Wut und Ärger gleich hätte zerreißen mögen, und wurde am Ende selbst ein Eiferer für Jesu Heil- und Lebenslehre. Und also sage ich denn nun auch zu euch: Prüfet eher an euch, was ich zu euch geredet habe! Und habt ihr etwas gefunden, das sich an euch denn doch erwahren soll – was kann euch dann hindern, es anzunehmen und für die Folge euer Leben danach zu richten? So ihr dies euer eben nicht zu glänzend-glücklich aussehendes Leben gut wähnt, jemand euch aber ein offenbar besseres bietet – wahrlich, ihr müsstet ja rein besessen und von allen Sinnen sein, so ihr das, was ihr bei einiger Prüfung als besser findet, von euch weist und das viel minder Gute behieltet. Darum prüfet, prüfet! Und dann erst urteilet!
[2.202.5] Was aber habe ich mit dem neuen Paulusverein zu tun? Wahrlich, ich sage es euch: Ich, als der wahre Paulus, und dieser neue Verein unter meinem Namen haben wohl nichts anderes miteinander gemein, als den an sich selbst ganz toten Namen! In der Lehre und der zwecklichen Tendenz aber ist er von mir noch weiter entfernt, als der geistigste Himmel und die materiellste Erde. Mehr kann ich, als der wirkliche, lebendige und leibhaftige Paulus, nicht sagen. Und ihr könnt von diesem meinem Bekenntnis hinreichend entnehmen, dass ich weder ein finsterer Pfaffe und noch viel weniger ein Paulusvereinler bin. Prüfet aber alles zuvor und tut dann erst, was ihr wollt und was euch am besten dünkt.“
[2.202.6] Sprechen nun mehrere so recht proletarisch rau: „Ja, ja, die Red‘ wär‘ grad‘ so dumm nicht! Aber zwei schlawutzige [schlechte] Sach’n sind denn doch noch dabei! Und das ist, dass du der wirkliche Paulus sein willst und dass wir schon g’storb’n wär’n, da hätten wir ja entweder gar keinen Leib mehr und wären pure Geister oder wir wären wohl etwa gar nicht mehr, was das Gewisseste ist. So du aber doch nicht blind bist, da musst du’s ja sehen, dass wir alle ganz vollkommene Leiber haben mit Haut, Haaren, Fleisch und Knochen. Oder haben denn deine Geister auch Leiber? Wann das, dann magst du recht haben, aber sonst wohl in Ewigkeit nicht.“
[2.202.7] Spricht Paulus: „Ich sagte aber ja zu euch: Prüfet, und es wird sich zeigen, ob ich zu euch eine Unwahrheit geredet habe.“ – Sprechen mehrere: „Prüfen, prüfen – das ist leicht gesagt! Aber wie, das ist eine andere Frage. Wie sollen wir denn das prüfen? Sollen wir das etwa einem Minister unterbreiten?“
[2.202.8] Spricht Paulus: „Habt ihr kein Geld bei euch?“ – Sprechen die andern: „Geld!? Welch eine dumme Frage! Wie kämen denn wir und ’s Geld etwa zusammen, und das in Wien noch dazu, wo schon lange gar kein Geld mehr existiert! Nein, ist aber das wieder eine dumme Frage von dir gewesen! Wien, wir und ’s Geld!? Das ist ja beinahe schon gar nicht mehr wahr, dass in Wien einmal ein Geld existiert hat! Und wir sollen nun ein Geld haben. Lumpen [unwertiges Papiergeld] ja; aber lange schon kein Geld mehr. Wanns dir mit so einem Geldfetzen gedient ist, so können wir damit schon aufwarten!“ – Spricht Paulus: „Lasst sehen, es soll sich zeigen, was sich daraus machen lässt!“
[2.202.9] Sprechen die Redner des Klubs: „Schau du, der du schon durchaus der berühmte Paulus sein willst, wir werden jetzt auch ein wenig heiligschriftisch mit dir reden. Petrus soll einmal vor der Pforte des Tempels zu Jerusalem zu einem lahmen Bettler gesagt haben, als dieser ihn um ein Almosen anredete: ‚Mein Lieber, Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich dir!‘ – Sieh nun, du lieber Paulus, das sagen wir nun auch mit sehr vielen und tiefen Gründen: ‚Gold und Silber haben wir schon lange keines mehr, aber was wir haben, nämlich Fetzen, das geben wir dir!‘ – Petrus gab zwar dem Bettler die Gesundheit, die wir dir darum nicht geben können, weil du fürs Erste ohnehin kerngesund bist, und wärst du’s auch nicht, so könnten wir dir keine geben, weil wir keine solche Heilkraft in uns besitzen. Da wir dir sonach weder wirkliches Geld noch irgendeine Gesundheit geben können, so nehme denn hin unsern Gewinn – da ist nichts drin! Sieh, ein barer Zehn-Kreuzer-Fetzen. Verwandle ihn, so es dir möglich, in zehn Dukaten dafür, und rechne dann auf unsere besondere allseitige Dankbarkeit!“
[2.202.10] Paulus nimmt den Zehn-Kreuzer-Zettel und verwandelt ihn augenblicklich in zehn wirkliche, allerschönste und gewichtigste Dukaten. Die Klubisten staunen über die Maßen und sagen: „Nein, Freund, du kannst schon mehr als Birnen braten allein. Ah, das ist wirklich mehr als zu viel auf einmal! Das übersteigt schon alle Döblers und Boskos! Das wär‘ so ein Künstler nach dem Herzen des Ministers Kraus und nach dem Herzen Rothschilds und noch sehr vieler Millionen Herzen. Nein, hörst du, Paulus, mit deiner Kunst könntest du auf’s öst’reich’sche Papier ein wahnsinniges Agio [Aufschlaggeld] zuwege bringen. Weißt du was, wir behalten dich! Du bist uns wie aus allen Herzen zugleich erwünscht.“
[2.202.11] Spricht Paulus: „Nicht so und deshalb wollen wir in eine nähere Freundschaft treten, sondern auf dass ihr der Kraft Gottes, des Herrn, in mir gewahr werden mögt und daraus ersehen, dass ich euch kein Lügner und Betrüger bin. Ich verlangte von euch ein Geldstück, und ihr alle hattet nicht einmal einen reellen Kreuzer. Das zeigt auf euer Leben hin, das ihr noch für ein irdisch materielles haltet, das im Grunde aber nun dennoch trotz aller eurer eingebildeten Behauptung und allerirrigsten Meinung ebenso wenig Materielles in sich enthält, als eure Tasche Goldes und Silbers.
[2.202.12] Aber ihr gabt mir dennoch in der Zehn-Kreuzer-Note ein rechtes Zeugnis über den Gehalt eures Lebens. Euer nunmaliges Leben gleicht ganz diesem schlechtesten Papiergeld, dessen innerer Wert natürlich so gut wie gar keiner ist. Nur äußerlich hin gilt es auf eine gewisse Zeitdauer, so wie diese Zehn-Kreuzer-Note. Wie aber nun auf der Welt die Papiergeldbesitzer nichts als Tag und Nacht spekulieren und simulieren, wie sie aus ihren vielen Kreditpapieren klingendes Geld machen könnten – so auch tut ihr und möchtet aus euren falschen, in sich völlig wertlosen Leben ein wirkliches herausbeuteln. Aber eure Mühe ist eine rein vergebliche. Denn alles Wertlose lässt sich durch ein abermals Wertloses unmöglich verwerten. So ihr fürs Papier wieder Papier ausgebt oder einlöst, sagt, welchen Wert hat dann das Papier? Ich sage es euch: Gar keinen! Denn je mehr neues Papier fürs ältere gesetzt wird, desto wertloser werden beide.
[2.202.13] Und gerade so ist es auch mit dem Leben. Das irdische Leben ist ohnehin an und für sich völlig wertlos. Sein Wert liegt lediglich darin, dass man durch eine rechte und kluge Spekulation fürs irdische, nur scheinbare Leben ein wirkliches aus der göttlichen Lebenswechselbank erhalten kann. So ich aber das irdische Leben nur dadurch verwerten will, um diesseits wieder in ein noch schlechteres und leereres Leben einzugehen, so nehme ich’s schlechte Papier fürs bessere frühere und bin somit ein Narr und ein unsinnigster Spekulant.
[2.202.14] Habt ihr aber noch nie ein Wettrennen gesehen, wo gute Läufer innerhalb gewisser Schranken einen Rundlauf machen eines rechten Preises wegen, den derjenige erhält, der natürlich am schnellsten laufen kann und somit am ersten das bestimmte Preisziel erreicht? Ich sage es euch: Viele laufen in den Schranken, aber nur einer bekommt den Preis. Ist denn der Preis nur dem einen bestimmt? O das sei ferne! Der Preis gilt allen! Aber die sich die Mühe des besseren Laufens nicht nehmen, die müssen sich’s denn am Ende selbst zuschreiben, so sie leer ausgehen. Ich aber sage euch: Lauft alle, der Preis ist groß und reicht für alle hin. So ihr aber gut laufen wollt, da müsst ihr aller eitlen, dummen Dinge ledig sein, auf dass euch nichts im Lauf hindere und die Füße nicht vor der Zeit beschwere und müde mache. Der Lauf ist ein ordentlicher Kampf; der aber da kämpft, der kämpfe vollen Ernstes aufs Bestimmte und Gewisse hin und haue mit seinem Schwert nicht in die leere Luft. Der Gewinn ist eine gute Sache; aber der ihn nicht ernstlich mit aller Mühe anstrebt, bleibt ein armer Teufel ewig.
[2.202.15] Ich machte aber auf euer Verlangen aus der Zehn-Kreuzer-Note zehn gute Goldstücke, und ihr habt darüber eine große Freude! Ich tat das aber durch meine geheime Kraft, nicht um euch zu zehn Dukaten zu verhelfen, sondern um euch zu zeigen, was sich auch aus eurem papierenen Leben machen ließe, so ihr danach auch, so wie nach den zehn Stück Dukaten, in euch ein Verlangen trügt. Denn euer hiesiges materiell scheinendes Leben gleicht ganz der Zehn-Kreuzer-Note, die wohl einen fingierten und durch die Umstände genötigten, aber keinen reellen Wert innehat, weil sie an und für sich nichts ist und auch nichts Reelles im Rücken zur Deckung ihres Nennwertes besitzt, auf das derjenige, der sie in ihrem Nennwert annimmt, Rechnung machen könnte. Kann aber jemand, wie ich, hinter diese Note zehn reelle Dukaten legen, dann freilich wird sie ein hohes Agio erhalten, wie ihr es selbst bemerkt habt. So lasst denn auch ihr euch umwandeln! Werft von euch alles Eitle, Leere, Nichtige! Macht leicht eure Füße und tretet an den Wettlauf nach des wahren Lebens Ziel! Und es soll euch an meiner Seite ein rechter Preis werden!“
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