[1.108.1] Als er aber in das Gemach seiner Feinde eingehen will, da stellen sich sogleich mehrere vor die Türe und sagen mit zornerregter Stimme: „Zurück, Elender! Was haben wir hier mit dir zu tun!? Warst uns doch stets widerwärtiger als der Tod und ein Gegenstand unseres Hasses und unserer tiefsten Verachtung! Was sollen wir denn nun mit dir hier in der Hölle? Zu allen Teufeln mit dir, du elendste Menschenbestie!“
[1.108.2] Spricht ganz beherzt Bruno: „Liebe Freunde, was wohl habe ich euch denn je getan, darum ihr mir gar so entsetzlich gehässig seid?! Ich will ja alles tun, was ihr nur immer von mir verlangt nach Recht und Billigkeit, damit ihr mir nur wieder gut werden möchtet!“
[1.108.3] Schreien die in der Türe: „Du elende Menschenbestie kannst nichts tun, um uns eine bessere Meinung von dir anzubinden! Und wir brauchen auch nichts von dir – außer dass du uns verlässt! Denn deine Gestalt widert uns mehr als die unterste Hölle an! Ein Teufel ist ein Gott gegen dir! Und so weiche gutwillig von uns, sonst zerreißen wir dich in Stücke!“
[1.108.4] Spricht Bruno: „Wenn euch das mit mir aussöhnen kann, so lasse ich mich gerne kreuzigen von euch! Aber nur versprechen müsst ihr mir, dass ihr dann keinen Groll mehr auf mich habt!“
[1.108.5] Sprechen die Wüteriche: „Glaubst du denn, dass uns das zur Ehre gereichen würde, so wir unsere Ehrenhände an den Leib eines Schandbuben legten?! Wir und dich kreuzigen, das wäre doch eine barste Schande für uns! Höchstens dich niederschlagen wie einen allerschäbigsten Hund, und das nur so im Vorbeigehen, das könnten wir dir anstandshalber aus ganz besonders menschlichen Rücksichten tun, wenn wir gerade gut gelaunt wären! Aber mit dir uns eine größere und mehr Aufsehen erregende Mühe zu nehmen, wäre wahrlich unehrsam, kleinlich und lächerlich von uns! Fahre daher ab und ärgere uns nicht länger durch deine scheußliche Gegenwart!“
[1.108.6] Spricht Bruno: „Aber schätzbarste Freunde! Ich muss es euch nun offen gestehen, dass es mir leider nur zu bekannt ist, dass ihr mich auf der Welt allzeit gehasst und, wie und wo nur immer möglich, verfolgt habt! Wie sehr ich aber auch immer mich bemüht habe, davon auf den Grund zu kommen, so war es aber dennoch allzeit vergeblich! Ihr verfolgtet mich bloß nur, weil ich euch nicht zu Gesichte stand. Hier auf dieser Welt aber haben wir doch alle unsere Gesichter sehr stark verändert. Ich denke nun ganz anders, als wie ich je auf der Erde gedacht habe, und bin auch ein ganz anderer Mensch geworden. Dasselbe dürfte denn doch auch mit euch der Fall sein?!
[1.108.7] Sagt mir doch, was ich denn auf der Welt doch gegen euch verbrochen habe? Ich bin jetzt wahrlich in der Lage, euch allen das tausendfach zu ersetzen, was immer ich euch irgend, wenn schon mir unbewusst, schulde. Nur vergebt es mir und werdet freundlicher gegen mich, als ihr es bis jetzt wart! Welches Vergnügen kann es euch wohl gewähren, so ihr mich als einen armen Teufel hasst?! Ich prätendiere [beanspruche] keineswegs eure Freundschaft. Denn das wäre von euch als meinen erklärten Feinden gegenüber wohl zu viel verlangt! Aber darum darf ich euch ja dennoch bitten, dass ihr von eurer deklarierten Feindschaft gegen mich absteht, und das umso leichter, indem ihr mich ohnehin für zu gering haltet, dass ich von euch würdigermaßen könnte gekreuzigt werden?!“
[1.108.8] Sprechen die Wüteriche: „Was nützt da dein Reden und dummes Protzmaulen! Du bist einmal ein Sch..kerl und bleibst das auch in alle Ewigkeit! Ins Gesicht tust du, als wärst du der rarste und biederste Mensch; hintendrein aber bist du dann ein Luder aller Luder, und ist dir niemals zu trauen! Weißt du, wie du mit uns auf der Börse gehandelt hast?! Du sahst nichts als ein fortwährendes Sinken, schrecktest uns die Aktien heraus und kauftest sie dann selbst! O Lump! Stelle dich nur nicht so unschuldig! Wir kennen dich! Fallen etwa auch hier die Kurse, weil du nun gar so sehr unsere Freundschaft suchst?!“
[1.108.9] Spricht Bruno: „Ah, da steckt es also?! O Freunde, wenn euer Groll auf mich von da herrührt, da hoffe ich, dass wir miteinander ehestens die besten Freunde werden! Denn da kann ich euch im Voraus die treueste und wahrste Versicherung geben, dass ihr mit eurem Hass gegen mich rein auf dem allerchinesischsten Holzweg seid! Seht, fürs Erste konnte ich doch ebenso wenig wie ihr im Voraus bestimmen, ob die Kurse steigen oder fallen werden; und fürs Zweite könnet ihr mir ewig nicht beweisen, ob ich eben diejenigen Aktien aufkaufte, die ihr mit Verlust an die Bank zurück verkauftet! Ich kaufte, weil ich Geld hatte, und ihr verkauftet, weil euch das Geld ausgegangen ist! Ich habe euch doch bei Gott nicht und nie gefragt, wie es mit dem Kurs stünde; aber ihr umlagertet mich auf der Börse nahe an einem jeden Tag und fielt mir mit euren stets gleichen Fragen oft zum Ekel lästig! Was habe ich davon denn wohl für Vorteile haben oder ziehen können? O seht, wie seicht euer Groll auf mich basiert ist? Habe ich euch doch nie weder zum Kauf und ebenso wenig zum Verkauf genötigt! Dass ich euch aber allzeit, so viel es auf einer Börse nur möglich ist, immer die Wahrheit über den besonders in Kriegszeiten sehr schwankenden Kursstand benachrichtigte, so ihr mich darum fragtet, das habt ihr ja selbst bei dem täglich neuen Kursruf auf das Eklatanteste ersehen können! Wer aber müßigte euch, eure Papiere beim niedersten Kursstand zu verkaufen und beim höheren zu kaufen?! Ich sicher nicht, und tausend andere auch nicht! Ihr wart selbst so töricht und kamt dadurch unter die Scheibe! Aber euch selbst wolltet ihr solche Dummheit nicht zumuten, weil ihr euch für zu spekulationsweise hieltet. Habt ihr aber dann an euch selbst eine derbste Spekulationssünde begangen, so wälztet ihr dann die Schuld auf den Nächstbesten, der in seiner Spekulation irgend klüger war als ihr! Fragt euch aber nun in dieser Geisterwelt doch einmal ganz ernst, ob solch euer Hass besonders gegen mich doch nur wenigstens einen Scheingrund für sich hat? Lasst euch doch nicht auslachen! Was konnten mich eure und euch meine Papiere genieren? Ich kaufte, ihr auch, so es euch rätlich dünkte. Oder ihr verkauftet, und ich kaufte! Das ist doch etwas ganz Natürliches! Woher dann euer Groll auf mich?! Falsche Gerüchte aber habe ich nie ausgestreut und mich auch nie einer Illusionslaterne bedient!“
[1.108.10] „Gut!“, sagt einer aus der Hassgesellschaft, „du hast richtig also gehandelt, wie du es nun vor uns allen durchs Wort wiedergegeben hast, aber das kann unsern Groll, Grimm und Hass gegen dich nicht vermindern, weil du auf der Welt, was wir alle erst hier so recht radikal einsehen, stets anders dachtest, als wie der Sinn deiner süßen Worte lautete! Sagtest du schwarz, so war es sicher weiß; und sagtest du weiß, da war es schon ganz sicher schwarz. Hättest du in der Börsenspekulationssache durchaus keine Vorsichtskenntnisse, so hättest du doch unmöglich, und das aber allzeit, so sicher wie nur etwas sicher sein kann, schwarz für weiß und so auch umgekehrt prognostizieren können. Siehe, wir alle fragten dich nicht, um von dir von der Stirn weg die Wahrheit zu erfahren, sondern gerade das Gegenteil. Und das Gegenteil war dann die volle Wahrheit. Aber das merkte dein tückevollster Scharfsinn doch nicht, dass wir deine Aussagen verkehrt benützten, und dadurch, sicher zu deinem geheimen, großen Ärger, einen fünfzigpfündigen Huchen aus dem Strom der Papierspekulation zogen. Dass es uns gerade nicht allzeit glückte, das bringt des Spieles Laune mit sich; aber hätten wir allzeit nach deiner Aussage gehandelt, da hätten wir sicher in kürzester Frist alles verludert, was wir hatten! Sieh‘, so steht es, und von daher datiert sich auch unser gerechter Hass gegen dich! Erweise uns aber das Gegenteil, so wollen wir dich sogar um Vergebung bitten und deine besten Freunde sein.“
[1.108.11] Spricht Bruno: „Gut, ich nehme euch beim Wort. Beantwortet mir aber zum Voraus einige Fragen. Frage Nummer eins: War ich auf der Börse mehr als ihr, etwa so ein Direktor, Buchhalter, Kassier oder Sekretär oder ein Rechtskonsulent oder sonst was dergleichen?“ – Sagen die Grolligen: „Nein, du warst wie wir bloß nur ein Interessent!“
[1.108.12] Spricht Bruno: „Gut! Frage Nummer zwei: Wer auf der Börse ist denn so ganz eigentlich in all die finanziellen Geheimnisse eingeweiht?“ Antwort: „Die Bank- und Börsenamtsleute.“ – „Gut! Frage Nummer drei: Werden die vielen Bank- und Börseninteressenten von den unterrichteten Amtsleitern wohl allzeit mit der Wahrheit abgefertigt?“ Antwort: „Nein! Wenn etwas schief geht, so erfährt man schon gar nie die Wahrheit.“ – „Gut! Frage Nummer vier: So aber bei solchen zweifelhaften Gelegenheiten schon niemand aus der Interessentenmitte zur Wahrheit gelangen kann, wie und wodurch hätte denn da ich zur Wahrheit gelangen sollen?“ – Antwort: „O gar leicht! Auf dem Weg der Bestechung kann ein Lump hinter so manches kommen, was einem ehrlichen Kerl verborgen bleibt!“ – „Gut! Ex cantu cognoscitur avis! Aus dem Gesang erkennt man den Vogel! Oder: wie der Schelm, so der Helm! Bringt mir alle Bank- und Börsenbeamten her, und sie sollen reden, ob ich je aber auch nur den geringsten mit einem Heller wegen Verrat eines Bankgeheimnisses bestochen habe! Aber von euch wohl sprach die sogenannte böse Welt, dass ihr bei einer sehr kritischen Gelegenheit einem Eingeweihten einen heimlichen, tausend Dukaten schweren Rippenstoß sollt versetzt haben, auf dass er euch eine kleine Vorenthüllung gäbe, wie die Sachen sich gestalten dürften – worauf ihr dann aber auch schon am nächsten Tag fast eure sämtlichen Papiere mit einem bedeutenden Verlust gegen klingende Münzen umtauschtet und mit denselben dann ins Ausland einen geheimen Handel unternommen habt und dadurch zum zweiten Mal eingegangen seid. Sagt, habe da auch ich durch mein Schwarz-für-Weiß euch dazu bewogen?“
[1.108.13] Hier stutzen die Groller und wissen nicht, was sie darauf erwidern sollen. Aber Bruno spricht weiter und sagt: „Freunde, habe ich euch etwa auch dazu den Rat erteilt, dass ihr in Gesellschaft dreißigtausend fl. c. m. [Florin, Gulden] in Zwanzigern in einem Keller habt einmauern lassen? Als aber dann in Wien das liebe Standrecht publiziert worden ist und die strengen Hausuntersuchungen angeordnet wurden, und im verhängnisvollen Keller die guten Croati [Kroatisches Militär] die hohlklingende Mauerstelle aufbrachen, um etwa verborgene Waffen zu entdecken, aber statt der Waffen den für sie noch erfreulicheren Fund von baren dreißigtausend fl. c. m. fanden und ihn bis auf den letzten Groschen in den sichern Empfang nahmen – ich meine, dazu hat wohl mein Schwarz-für-Weiß keinen Beitrag gemacht. Ihr wart, kurz gesagt, allzeit selbst schuld an euren Verlusten. Ihr haltet euch aber noch immer für kluge Spekulanten und meint im höchsten Grad irrig, ich sei in eure Spekulationsgeheimnisse eingeweiht gewesen und habe an euch einen Verräter gemacht? Wie aber wäre so was doch möglich, da ich außer auf der Börse euch wohl nie mit meiner Gegenwart belästigt habe – wie auch auf der Börse nie, außer ihr fielet wie ein Schwarm Moskitos über mich her?! Ich trage an allem eurem Unglück nicht die geringste Schuld, dessen könnet ihr vollends versichert sein! Gott ist mein Zeuge! Meint ihr aber noch, dass ich euch unglücklich gemacht, so beweiset es mir vor Gott; und ich will alles tun, um meine Schuld an euch hundertfach abzubüßen. Redet nun, wie euch diese Sache vorkommt.“
[1.108.14] Sagt darauf einer nach einem etwas längeren Nachdenken: „Die Sache verhält sich allerdings so, wie du sie nun uns allen dargetan hast! Aber so du daran denn schon durchaus nicht beteiligt gewesen sein solltest, da begreifen wir aber dennoch nicht, wie du zu dieser genauen Kunde und Evidenz unserer Verhältnisse gekommen bist! Hättest du an unseren höchst misslichen Lebensverhältnissen durchaus keinen interessierten Anteil, wie wohl könnten sie dir dergestalt bekannt sein, als hättest du sie selbst angeordnet und geleitet? Es werden in Wien wohl noch eine Menge solch höchst unangenehmer Vorkommnisse stattgefunden haben, wie da die unsrigen waren – sage, sind sie dir ebenso bekannt wie die unsrigen?“
[1.108.15] Spricht Bruno: „Alle sicher nicht, aber gar viele gewiss, ohne dass ich an ihnen eben mehr oder weniger einen Teil hatte, als an den eurigen. Wusstet ihr doch auch allzeit, wer vom Gericht eingezogen wurde und warum – ohne darum irgend elende Denunzianten an den Gerichtsbeteiligten zu sein. Warum soll dann ich es nicht auch in Erfahrung gebracht haben können, wie es euch ergangen ist in der Zeit der großen Trübsal, da ihr mir von der Börse aus nur zu wohl bekannt wart, ohne an euch einen schändlichen Denunzianten gemacht zu haben? Gebt ihr mir nun darüber eine genügende Rede und Antwort und erweist es mir, dass derjenige, der wie zufällig vom Unglück seiner Bekannten Kunde erhält, auch an selbem darum eine Schuld haben müsse. Zeigt es mir, in welchem Gesetz das als ein kulpatives [schuldhaftes] Verbrechen aufgeführt ist?“
[1.108.16] Die Groller stutzen nun und wissen nicht, was sie tun sollen. Eine gute Rede fällt ihnen nicht ein, und mit einer seichten trauen sie nicht mehr aufzutreten. Ebenso steht es auch mit ihrem Zorn, Hass und Grimm. Sie möchten noch sehr gerne weiterhin nahe unversöhnlich zornig verbleiben; aber sie haben dazu bei weiserer Überlegung nun allen Grund verloren, und mit diesem verliert sich denn endlich doch auch der Zorn. So stehen sie nun ohne Grund zum Zorn und somit ohne Zorn vor Bruno und ärgern sich nun über sich selbst, da sie nun keinen Zorn, Hass und Groll auf den Bruno haben können.
[1.108.17] Nach einer ziemlichen Weile tritt einer hervor und spricht: „Dumm, dumm, dumm ist das! Ja ganz verzweifelt dumm, dass wir dir nun nichts vernünftig Geltendes mehr entgegenstellen können und müssen daher notgedrungen von unserem Zorn gegen dich rein abstehen. Wie gerne hätten wir dich so aus dem Salze durchgeprügelt, wenn wir dir nur wenigstens eine scheinbare Schuld hätten andichten können! Aber du bist ein zu gescheites Luder, dass man dir nicht an den Leib kommen kann. Und so müssen wir nolens volens [wohl oder übel] dir obendrauf noch sogar Freunde werden! Das bringt wirklich alles Vieh auf der ganzen Erde auf einmal um. Aber was willst du denn nun ferneres noch mit uns? Was sollen wir nun tun?“
[1.108.18] Spricht Bruno: „Freunde, seht ihr nicht in diesem großen Saal den großen Ratstisch und alle, die um denselben versammelt sitzen und einen mächtigsten Rat gleich über die ganze Unendlichkeit halten?“
[1.108.19] Spricht der Redner: „Wir sehen gottlob nichts, auch keinen Saal und keinen Ratstisch! Nur diese wahrhaftigste Kneipe, die voll Dunkelheit ist, sehen wir und dich auch! Ob sie aber irgendeinen Ausgang hat, das sehen und wissen wir nicht. Was aber willst du mit deiner für uns wahrlich unsinnigsten Frage?“
[1.108.20] Spricht Bruno: „Ich will damit nichts anderes, als euch zu dem Herrn und Heiland Jesus hinführen, damit Er euch reinige und darauf für ewig wahrhaft glückselig mache – aus welchem Grund ich einzig und allein von eben diesem Herrn und Heiland Jesus an euch abgesandt wurde. Ob ihr Ihn nun seht oder nicht seht, so folgt mir aber dennoch liebewillig dahin, wohin ich vor euch hingehen werde. Am rechten Ort und an der rechten Stelle wird euch schon ein rechtes Augenlicht werden!“
[1.108.21] Spricht der Redner: „Das wird etwas hart hergehen! Denn fürs Erste besitzt du unser Zutrauen noch lange nicht in dem Maß, dass wir dir nun gleich so blindlings folgen sollten, als wärst du uns ein schon Gott weiß wie lange und mächtig erprobter Freund gewesen. Und fürs Zweite sind wir Neukatholiken, die wohl wissen, was sie von dem Juden Jesus zu halten haben und sind nicht so dumm wie manche andere, die Ihn sogar zu einem Gott gemacht haben, wie einst die Griechen ihren Herkules und noch andere Helden aus der grauen Urzeit! Daher musst du dir zu unserem Besten schon etwas Klügeres und deshalb Annehmbareres ausdenken, so es dir ernst sein soll, uns am Gängelband herumzuführen.“
[1.108.22] Spricht Bruno: „Freunde, da könnte ich wohl eine Ewigkeit nachdenken, und mir würde dennoch nichts Klügeres beifallen. Der römisch-katholische Glaube ist zwar wohl unendlich dumm, albern und seicht in gar vielen Stücken; aber der neukatholische ist noch um ganze tausendmal blinder und dümmer. Leugnet er nicht das Leben der Seele nach des Leibes Tod?! Und doch lebt ihr nun nach dem Tod eures Leibes fort. Dieser Umstand beweist ja schon mehr als zur Übergenüge, welch Geistes Kind der Neukatholizismus ist. Ferner leugnet er nicht nur die evidenteste Gottheit Christi, sondern à la Strauß und Hegel jede Gottheit ganz bei Butz und Stängel weg! Wer aber kann solch einer verdammlichen Lehre anhangen, besonders hier in der ewigen Geisterwelt, die hinsichtlich des Fortlebens der Seele gegen eure nun doch sicher lebendigste Überzeugung einen gar so ungeheuren Fehlschuss gemacht hat!? Eine Lehre aber, die einen so ungeheuren Fehlschuss gemacht hat, wird doch in allen ihren noch handgreiflicher aus der Moderluft der barsten Selbstsucht gegriffenen Prinzipien nicht glaubwürdiger sein als in ihrer schnödesten Annahme der Sterblichkeit der menschlichen Seele! Ist aber bei einer Lehre ein Hauptlehrsatz grundfalsch, so können die anderen, davon mehr oder weniger abgeleiteten Sätze und Theoreme doch unmöglich anders als ebenfalls grundfalsch sein. Werft daher eure ganze neukatholische Lehre zum Plunder, und folgt mir, wohin ich euch führen will! Ich stehe euch dafür, dass es mit euch in Kürze besser gehen werde!“
[1.108.23] Spricht der Redner: „Freund, du bist ein ganz verteufelt gescheiter Kerl! Man muss dir recht geben, will man es oder will man es nicht; denn du redest wie ein gedrucktes Buch. Aufrichtig gesagt, es tut mir nun recht von Herzen leid, dass wir alle dir früher so hart und beleidigend entgegengekommen sind. Aber ich hoffe, du wirst uns das wohl vergeben können, besonders wenn du bedenkst, wie wir zu allen unseren Zeiten mit der barsten Finsternis in allem von der Geburt an geschlagen worden sind. Bedenke, wie in Wien alles so bestellt war, Pfaff und Beamte, die arme Menschheit in des Geistes dickste Nacht zu versenken, sie einzuschläfern durch zotige Komödien, Bälle, geduldete Hurerei und dergleichen mehr. Unter solchen, allen Geist tötenden Auspizien [Einflüsse] war es ja doch unmöglich, sich in ein reineres Wissen emporzuschwingen. Wie wir aber erzogen wurden, so sind wir noch, nämlich blind, taub und stumm an der Seele und am Geiste, und können daher das Schwarz vom Weiß kaum unterscheiden. Habe daher Nachsicht und Geduld mit uns und führe uns denn in Gottes Namen irgendwohin, wo wir doch etwas mehr Licht bekommen werden, als es bis jetzt der Fall war.“
[1.108.24] Spricht Bruno: „Ganz wohl und gut! Dass ich mit dem geduldigsten und zornlosesten Herzen zu euch hierhergekommen bin, das brauche ich euch nun hoffentlich wohl nicht mehr zu beweisen; denn mein ganzes Benehmen gegen euch ist dafür ein sprechendster Beweis. Ich habe euch alles vergeben und bin nun, wie allzeit, euer Freund in aller Wahrheit! Und so glaube ich denn nun auch, dass da zwischen uns nun kein Hindernis mehr obwalten dürfte, das uns beirrte, jenen Weg einzuschlagen, auf dem ganz allein es möglich ist, hier in dieser Welt sich in einen solchen Lebenszustand für ewig zu versetzen, in welchem es dem Bedürfnis der Seele und des Geistes gemäß möglichst selig zu bestehen ist. Fasst sonach Mut und einen festen Willen und folgt mir! Alles Übrige aber erwartet getrost von Dem, der allein helfen kann, mir schon geholfen hat, wie vielen meinen anderen Freunden, und also auch euch sicherst helfen wird; denn nicht umsonst hat Er mich an euch abgesandt. So viel eurer auch sind, ob hundert oder tausend, das ist gleich, folgt mir alle, und es soll euch allen geholfen werden.“
[1.108.25] Sprechen nun alle die Vorderen: „Wir, die wir uns von der Börse her kennen, sind unser nur etliche Zwanzig; aber hinter uns gibt es dir eine nahe unzählige Menge lauter allergemeinstes Gesindel. Ob diese dir auch folgen werden, das ist eine ganz andere Frage! Möglich, aber sehr wenig wahrscheinlich! Denn die sind zu tief in der Nacht zurück. Versuche es! Uns ist das ein Gleiches, ob sie mitziehen oder nicht.“
[1.108.26] Sagen die vielen Hintergründler: „Gar so dumm, wie die Herren da vorne meinen, sind wir nicht! Daher nichts für ungut ihr Herren – werden wir denn auch so frei sein, euch als eine wahre Tausendgesellschaft zu begleiten. Denn der euch helfen wird, der wird sicher auch uns nicht zur Türe hinausweisen. Versteht ihr das? Also denn auf gut Glück zur Ehre Gottes nur aufgebrochen!“
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