[1.104.1] Allda nach einigen Augenblicken angelangt, wird er von der Gesellschaft sehr kalt empfangen. Dismas aber, solches wohl merkend, spricht die Gesellschaft nun also an: „Freunde, wie ihr auf der Erde wart, so seid ihr es auch hier. Eure wahren Freunde waren euch lästig, dafür aber desto angenehmer eure barsten Feinde, die da List genug besaßen, euch Sand in die Augen zu streuen, euch dadurch zu blenden, um euch dann leichter geschliffene Glasscherben für Diamanten und poliertes Messing für echtes Gold zu verkaufen. Der zu euch je mit der Wahrheit kam, der ward von euch als euer Feind zur Türe hinausgewiesen; wer euch aber ungefähr zu schmeicheln verstand, wie ein Fuchs den Hühnern und wie eine Klapperschlange den Vögeln, den begrüßtet ihr stets mit aller Wärme als euren besten Freund. Solange ich wie eures Gelichters mit euch leider in ein Horn stieß, ehrtet ihr mich und hieltet mich eurer Freundschaft wert; da ich aber – dem Herrn alles Lob! – die Leerheit unseres Zustandes einsehend, mich von euch abwendend dorthin wandte, wo die ewige Wahrheit und Treue waltet, und so vom Weg der Nacht und des Todes abwich und dafür den Weg des Lichts und des Lebens betrat und nun eben auf diesem neuen herrlichsten Weg wieder zu euch zurückkehre, um euch alle auf diesen Weg zu bringen, da empfangt ihr mich kälter als die kälteste Polarnacht den jungen, werdenden Tag!
[1.104.2] O ihr großen Toren! Was wollt ihr denn aus euch machen? Was hat euch denn bis jetzt eure Dummheit getragen, welche Vorteile hatte sie euch gewährt? Betrachtet euch und betrachtet jene Freunde Gottes dort! Wie selig sehen sie aus, und wie entsetzlich unselig ihr! Sagt, kann es euch denn nur bei einiger helleren Überlegung um Gotteswillen denn wohl ernst sein, für ewig bloß eurer großen Torheit zuliebe in diesem allermiserabelsten Zustand zu verharren?! Aus welchem Grund wollt ihr denn euch selbst verdammen, so euch Gott selbst glückselig machen und haben will?! Öffnet doch einmal eure Augen und schafft meinen Worten Raum in euren Herzen, damit es Gott und mir möglich werden soll, euch allen treuherzigst zu helfen. Wie wohl tut es mir nun, dass mir der Herr aus meinem Elend geholfen hat! Soll ich nun als euer alter Freund nicht euch allen dasselbe wünschen?! Und so ich bloß in der hehren Absicht zu euch komme, redet, warum wendet ihr zornig euer Angesicht von mir ab und verachtet mich noch obendrauf?! Wendet euch zu mir her und lest es aus meinen Augen, ob ich es unredlich mit euch meine! Findet ihr eine Hinterlist an mir, da verflucht mich in Gottes Namen! Wenn ihr aber an mir doch unfehlbar einen reellsten Freund findet, da nehmt mich auf und lasst euch von mir zur wahren Glückseligkeit hinführen!“
[1.104.3] Spricht einer aus der Mitte der dreißig: „Freund, du bist entweder ehedem ein gescheiter Mensch gewesen und bist jetzt zu einem Narren gemacht worden; oder du warst schon früher ein Narr und bist nun wenigstens ein zehnfacher! Wer hat denn auf der dummen Erde mehr gerechnet, gelesen und geforscht als ich, und manchmal auch du mit mir. Und was haben wir am Ende, aufrichtig gesprochen, herausgebracht? Siehe, nichts als dass der Mensch trotz all seines Mühens über das eigentliche Wesen des Universums kaum so viel herausbringt, wie die dir von mir oft vorgeführte gelehrte, unsere Menschennatur erforschen-wollende Laus, die, von ihrer Wissbegierde zu weit getrieben, sich einmal die impertinente Freiheit nahm, des Menschenhauptes Hochgebirge, Nase genannt, zu besteigen und kritisch zu untersuchen. Da sie aber dadurch dem Hochgebirge Nase ein bedeutendes Jucken verursachte, so wurde sie von dem immensen Arm ihres Weltkörpers (Mensch) ergriffen und ohne Gnade und Pardon in ein Minutissimum [geringsten Stäubchen] zerquetscht und zermalmt!
[1.104.4] Und siehe, wir Menschen sind noch viel weniger gegen das unendliche Universum Gottes, als wie da ist eine Laus gegen die Größe und Kraft eines Menschen. Und wir allerlausigsten Infusionstierchen des Schöpfungstropfens Erde wollen Gott begreifen, ja Ihn sogar als uns ebenbürtig vermenschlichen!? Ist das nicht gerade so viel, ja ums tausend- und millionenfache dümmer, als so eine theosophisch-sein-wollende Laus den Menschen, den sie, wie ein Mensch die Erde, bewohnt, verlauslichen wollte und sagen: ‚Unsere bewohnbare Welt (ein Mensch nämlich) ist nichts als eine mit hoher Macht und Kraft ausgerüstete große Laus!‘
[1.104.5] Schau, schau, Brüderl, wo du hingerutscht bist! Wie kann es dir aber auch nur im Traume beifallen, in jenem sonst ganz ehrwürdig schätzbarsten Menschgeist Jesus die große Gottheit uns nun hier auftischen zu wollen?! Geh und werde wieder der alte, vernünftige Kapitän Dismas! Sonst kann es dir noch ehestens ergehen, wie der eben erwähnten, gelehrten, naturforscherischen Laus!“
[1.104.6] Spricht darauf Dismas: „Freund! Solange der Mensch auf der Erde als eine quasi Erdlaus herumkriecht, will ich deine Lausfabel goutieren. Aber wir haben bereits das Lausmäßige abgelegt, und dieser Leib, den wir hier haben, ist kein fleischlicher, sondern ein rein ätherisch-geistiger Leib, in dem wir alles dessen gewahr werden, was uns der große Meister Jesus auf der Erde verkündigt hat. So wir aber nun sicher im höchsten Grad a priori das an uns bestätigt finden, als das Fortleben nach des Leibes Tod, und die Erinnerung an unser irdisches Leben und das uns selbst Wiedererkennen, dass wir dieselben sind, wie und was wir im Leibesleben waren – so wollen wir denn hoffentlich doch nicht zweifeln, dass derjenige Lebenslehrer, der auf der Erde gleich einer Sonne den Sterblichen zuerst die Augen öffnete und ihnen ihre wahre, ewig unvergängliche Heimat und ihren wahren Vater zeigte und kennen lehrte, denn doch etwas mehr sein musste, als alle Menschen zusammengenommen, indem Er der Einzige und der Erste war, die Menschen ihrer wahren Bestimmung zuzuführen, und wir nun als Geister die lebendige Überzeugung haben, dass es genau so ist, wie Er es durch Worte und Taten gelehrt hat. Wenn Er es nicht ist, sage, wer ist es dann?
[1.104.7] Zu alledem verrichtet Er Taten bloß durch Seinen Willen! Im Augenblick ist es da, was Er will; und es geschieht alles nach Seinen Worten. Unseres Rates bedarf Er nicht. Und so Er Sich von den Menschen auch etwas anraten lässt, so tut Er das nur, um den Menschen zu zeigen, wie gar wenig nütze alle menschliche Weisheit vor Ihm, dem endlos Weisesten, ist, und wie gut es sei, ewig nur von Seiner Weisheit abzuhängen!
[1.104.8] Wenn ihr dieses alles zusammenfasst und Jesus aus solchem Licht genauer betrachtet in euren Herzen, so müsst ihr es ja doch mit den Händen greifen, dass Er nicht nur allein als ein weisester Lehrer wie sonst keiner, sondern auch als das uns gegenüber sein muss, als was Er Sich uns Selbst ohne allen Hinterhalt geoffenbart hat! Denn man kann ja doch unmöglich annehmen, dass ein sonst so unerreichbar weisester Lehrer neben Seiner unbegrenzten Weisheit die überstarke, allereitelste Portion Dummheit besitzen soll, Sich Seinen Jüngern als Gott von Ewigkeit vorzustellen und als solcher Sich auch anpreisen zu lassen und vom Satan Gehorsam, Dienst und Anbetung zu verlangen, was meiner Beurteilung nach so viel sagen will als: die ganze geschaffene Naturwelt hat sich Seinem allmächtigen Gottwillen in allem vollkommenst zu unterwerfen, und zwar freiwillig, so sie nicht mit aller Schwere der Macht und Kraft Seines Wortes gerichtet werden will!
[1.104.9] Wenn ein Wesen voll der höchsten, unerreichbarsten Weisheit aber solches mit allem Gottesernst nicht nur von den Menschen, sondern auch sogar von der stummen Natur verlangt; kann man da noch einen Zweifel haben, ob solch ein Wesen – wenn schon uns Menschen gegenüber in der uns ähnlichen Gestalt – wohl Gott oder bloß nur, uns gleich, ein Mensch sei!? Ich meine, das nun Gesagte, das sich an Jesus nur zu klar erweist, muss wohl auch jeden Zweifel heben und in euch die lichteste Wahrheit aufrichten, dass Er ganz vollkommen das allerhöchste Gottwesen ganz allein sei. Glaubt das, und erhebt euch alle in diesem Glauben! Ich will euch dann hinführen zu Ihm, wo Er euch dann Selbst zeigen wird, dass Er derjenige ist, vor dessen Namen sich alle Mächte Himmels und aller Welten allertiefst beugen müssen.
[1.104.10] Ihr wisst es ja auch, dass eben ich aus euch allen derjenige war und noch bin, der leichten Kaufes wohl je am allerwenigsten etwas angenommen hat. Ich wehrte mich gewiss so lange, als es nur immer tunlich war. Aber als ich durch eine genaue und sehr harte Prüfung zum rechten Licht gelangte, da nahm ich aber auch weltenfest alles das unbezweifelt an, was mir von Jesus die klarste Offenbarung kundgab, und jetzt noch in einem stets helleren Licht kundgibt. Wenn also ich, als der Hartnäckigste unter euch, Jesus nun als Gott anerkenne und anbete, so glaube ich, dass solches wohl auch bei euch umso leichter stattfinden wird, indem ihr doch alle auf der Welt gläubiger wart als ich?!“
[1.104.11] Spricht der frühere Wortführer: „Freund, dich hat der Hunger dazu genötigt! Wir aber sind eben noch nicht gar so hungrig! Wenn uns aber der Hunger zwingen wird, dann werden auch wir jenen Schwarzkünstler lieber zuvor für einen Gott halten als verhungern!“
[1.104.12] Spricht der Dismas: „O ihr dummen Halbpolypen des stinkendsten Pfützenschlammes! Wo hat mich der Hunger zu der Annahme, dass Jesus der einige wahre Gott sei, genötigt?! Seit ich die Welt verließ, kam noch kein Brosame über meine Lippen! Und niemand von euch hat mich weder essen noch trinken gesehen! Und ihr sagt, ich hätte solches aus Hunger getan?! Nun sehe ich es wohl klar, dass ihr alle rein des Teufels seid! Ja, es hat mich ein Hunger dazu geleitet; aber das war kein Magenhunger, sondern ein Hunger im Herzen nach dem, der mir das Leben gab, das ich liebte, aber das mir ohne Ihn auch ein unerforschliches Rätsel war! Dieser Hunger und Durst nach der großen Enthüllung dieses heiligen Rätsels ist nun freilich gesättigt für ewig, und die Sphinx ist besiegt. Aber mein Magen ist noch vollkommen leer!
[1.104.13] So ihr aber sagt: ‚Wir haben keinen Hunger, auch den heiligen des Herzens nicht!‘ Dann ist mir euer inkurabler [unheilbarer] Zustand aber auch erklärlich, und auch dessen Grund. Wartet aber nun nur ein wenig; es soll ein ganz sonderbarer Hunger euch zuteilwerden! Wir werden es dann sehen, wie er euch munden wird?!“
(Am 21. Juli 1849)
[1.104.14] Spricht der Sprecher der Gesellschaft: „Ja, ja, Freund, nur einen rechten Hunger, dann wird sich alles andere dann schon machen! Denn für die Hungrigen ist der ein Gott, der ihnen etwas zu essen gibt. Jene aber, die keinen Hunger, d. h. weder objektives noch subjektives Bedürfnis haben, die fragen wenig nach Gott und nach Seinem Reich. Zum Beispiel, wenn jemand von einer gewissen Lethargie in seinem ganzen Wesen ergriffen und dabei von einem Schlaf befallen wird, sodass er seiner Sinne kaum mehr mächtig ist – predige dem von der Moral und aller Tugend, so wird er nicht darauf achten; denn seine Sinne sind träge und sein Geist schläft!
[1.104.15] Willst du aber mit solch einem Lethargisten etwas ausrichten, so heile ihn früher von seinem Übel, schaffe in seine Seele ein lebendiges Bedürfnis nach dem, was du ihm geben willst, so wird er es denn auch sicher allergierigst an- und aufnehmen, das du ihm bietest, aber ohne dieses Präambulum [Vorspiel] wirst du bei deinem Patienten schwerlich etwas ausrichten! Möchte auf der Erde wohl je jemand die schwere Musikkunst sich eigen machen, wenn nicht schon vorhandene Künstler durch ihre herrlichen Produktionen und durch die damit verbundenen Vorteile in einem anderen Menschen den Hunger schafften, auch ein Musikkünstler zu werden!? Sage mir, würde die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes wohl statthaben, wenn der Schöpfer nicht in die sonst stumpfe Natur einen so mächtigen Trieb oder Hunger nach der Zeugung in dieselbe gelegt hätte?! Was würde ein Weib dem Mann sein, so dem Mann zum Weib keine Neigung eingehaucht wäre?!
[1.104.16] Du siehst hieraus hoffentlich leicht, dass beim Menschen allenthalben ein mächtiges Bedürfnis nach was immer vorhanden sein muss, so er sich für etwas tatkräftig interessieren soll.
[1.104.17] Und so steht es gerade nun denn auch bei und mit uns! Zu alledem, was du uns nun vorgetragen hast, fühlen wir durchaus kein Bedürfnis in uns. Wir sind wie Halbtote und haben keine Freude an diesem allerschläfrigsten Hundeleben. Sind wir aber bei so bewandten Umständen durchaus keine Lebensfreunde, wie sollen uns dann deine Lebenslehren und wie dein einziger Lebensmeister Jesus interessieren?! Schaffe in uns erst einen Hunger, oder fahre mit deinen uns lästigen Torheiten ab! Unsertwegen kann dein Jesus zehnmal hintereinander das höchste Gottwesen sein. Wenn wir aber kein Bedürfnis nach Ihm haben, wenn, sage ich, wir wie Steine nahe ohne Leben und Empfindung hier beisammen kauern, was soll uns da dein Meister Jesus sein?! Schaffe daher mehr Leben in uns und gebe uns ein Bedürfnis nach Ihm, so wird es sich dann ja zeigen, wie wir uns Jesus gegenüber benehmen werden – vielleicht besser als du?!“
[1.104.18] Diese Rede des Sprechers macht den Dismas stutzen, und er weiß nun nicht, was er aus ihr machen soll. Ich aber gebe ihm ins Herz, dass er einen recht mächtigen Hunger in ihre Mägen durch sein Wollen in Meinem Namen legen soll; da werden dann diese Halbtoten schon mehr und mehr ins Leben überzugehen anfangen.
[1.104.19] Dismas tut das, und die Gesellschaft wird sogleich regsamer. Einige fangen sich sogleich die Bauchgegend zu befühlen an und sagen zum Sprecher: „Freund, mache dass wir was zu essen bekommen, sonst fressen wir dich bei Butz und Stängel auf!“
[1.104.20] Spricht der Sprecher: „Narren, ich werde nun selbst hungrig wie ein zur Schlachtung durchfasteter Ochse und habe selbst nichts, damit ich mich sättigen könnte! Was soll ich denn euch geben?! Da steht der Dismas vor euch – den packt! Der wird euch wohl etwas zum Essen und Trinken zu geben haben; denn er ist ja nun, wie es sich zeigt, ein intimer Freund jenes Lehrers Namens Jesus geworden, der einmal in einer Wüste bei fünftausend Menschen mit wenig Broten soll gesättigt haben! Vielleicht ist da für uns auch noch eine Kleinigkeit übriggeblieben?! Daher also nur den Dismas darum angepackt!“
(Am 23. Juli 1849)
[1.104.21] Darauf fangen alle an in den Dismas zu dringen und verlangen Speise und Trank von ihm.
[1.104.22] Dismas aber spricht: „Freunde, ihr verlangt nun etwas von mir, das ich nicht habe! Dort am Tisch aber sitzt derjenige, der alle Sättigung besitzt in Hülle und Fülle! Geht zu Ihm hin, bekennt vor Ihm eure Gebrechen, demütigt euch vor Ihm, da werdet ihr dann sicher auch gesättigt werden!“
[1.104.23] Sprechen die nun stets empfindlicher hungrig und durstig Werdenden zum Dismas: „O du ausgepeitschter Hauptlump von Halbengland! Hast du uns nach deinen eigenen Worten den Hunger und den Durst geben können, wie sollst du denn nun nicht imstande sein, uns allen durch was immer für ein Mittel die beiden Plagen wieder zu nehmen?! Kannst du das eine, so musst du auch das andere können! Benehme uns allen daher nur sogleich den nun nahe schon ganz verflucht quälenden Hunger und brennenden Durst – sonst sehe zu, was dir widerfahren wird!“
[1.104.24] Spricht Dismas: „Liebe Freunde, ich bitte euch nun eures eigenen Heils willen, werdet nicht ungestüm! Dass ich euch auf euer eigenes Verlangen Hunger und Durst geben konnte, beruht darauf, dass da nie jemand irgendeinem Bruder etwas zu geben imstande ist, was er zuvor nicht selbst hat. Was er aber selbst hat, das kann er auch geben, so er’s will. Ich selbst habe in meinem Magen einen wahren Hundert-Ochsen-Hunger und kann davon sehr leicht den starken Überfluss mit anderen teilen. Hätte ich aber auch eine Sättigung, so könnte ich auch diese mit anderen teilen. Aber so ich euch zeige, wo ihr für ewig die vollste und sicherste Sättigung finden müsst, so geht denn hin und tut, was ich euch angeraten habe, so werdet ihr auch ebenso bestimmt von dem alle Sättigung überkommen, der die ganze Unendlichkeit nährt, sättigt und erhält! Und soll euch da die Sättigung nicht werden, dann erst habt ihr das Recht, mit mir zu machen, was ihr nur immer wollt; aber eher nicht! Dies Recht, an mir Rache zu nehmen, aber tritt auch erst dann ein, so ihr alles getan habt, wie und was ich euch angeraten habe. Unterlasst ihr aber auch nur einen Punkt, so habt ihr es euch selbst zuzuschreiben, so ihr nicht gesättiget werden würdet!“
[1.104.25] Sprechen die Hungrigen und Durstigen: „Haben wir dich denn gerufen, zu uns zu kommen?! Du kamst zu uns nicht in unserem Auftrag, sondern im Auftrag deines Gottes Jesus. Hat Er dir aber die Macht gegeben, uns mit Hunger und Durst zu schlagen, warum denn nicht auch die Macht uns zu sättigen?!“
[1.104.26] Spricht der Dismas: „Liebe Freunde, wer aus uns hat denn eine Macht, Gott zu nötigen? Er ist der allein Allmächtige und kann tun, was Er will. Er lässt aber gewöhnlich zuvor durch allerlei Apostel den Menschen Bitteres bringen, auf dass sie dann zu Ihm kommen sollen, und Süßes empfangen von Ihm. Die Menschen müssen dadurch zu der Einsicht gelangen, dass alle Menschenhilfe kein nütze ist, und dass sie gleich ist jenem sonderbaren Buch in der Apokalypse, das, von einem großen Engel dem Johannes zum Verschlingen dargereicht, im Mund honigsüß wohl schmeckte, aber dafür im Magen gar bitter ward! Erwartet daher auch von mir nichts Gutes! Denn so ich selbst schlecht bin, wie könnte ich euch denn Gutes bieten? Der aber Selbst wahrhaftig ist und gut über gut, der kann daher auch allein das Gute geben! Daher also zu Ihm hin!“
[1.104.27] Sprechen die Hungrigen und Durstigen: „Wenn alles gut ist, was von Ihm ist – warum bist denn hernach du und wir schlecht? Gehen wir ja doch alle von Ihm aus!“
[1.104.28] Spricht Dismas: „Wir aber sind nicht schlecht von Ihm aus; sondern durch uns selbst werden wir erst dann schlecht, so wir zufolge unseres freien Willens uns von Ihm abwenden und uns die vergebliche Mühe machen, zu tun, als wären wir selbst freie Götter, die vom eigentlichen Gott nichts mehr hören wollen. Da aber der eigentliche Gott das nicht wollen kann, so lässt Er solche eingebildete Götter so oft anrennen, bis sie zu der Einsicht kommen, dass sie denn doch keine Götter, sondern ohne Ihn nur schwache und dumme Menschen sind. Das bedenkt auch ihr und geht zu Ihm hin, so wird euch sicherlich wahrhaft geholfen werden!“
[1.104.29] Spricht die nun schon ganz verzweifelt hungrige und durstige Gesellschaft: „Aber wir wissen gar nicht, was du mit deinem ‚Sichergeholfenwerden‘ hast! Dummer Teufel! Bist du auch zu Ihm hingegangen, als dich der talkete [abgeschmackte] Blum dazu aufforderte? Was ist dir denn dadurch geholfen? Was hast du denn nun mehr, als du ehedem gehabt hast? Oder bist du etwa nun satter geworden als du früher warst? Siehe, so wie uns allen nun, schaut auch dir der ‚Herr von Hunger‘ bei den Augen heraus! Und das nennst du ein Besserwerden?
[1.104.30] O du blitzdummes Luder du von einem Apostel! Geh und lasse dich nicht auslachen! Komme in der Zukunft, vorausgesetzt, dass es hier eine gibt, selbst mit einem zufriedenerem Gesicht zu uns als diesmal, so wollen wir dir wenigstens ein wenig mehr Glauben schenken, als es nun möglich ist, aber wenn du selbst mit einem allerunzufriedensten und bedürfnisreichsten Gesicht zu uns wiederkommst, so wird es dir kein Pudel, geschweige erst ein Menschengeist glauben, dass du selig, d. h. mit allem versorgt und versehen bist!
[1.104.31] Fahr daher nur wieder ganz ruhig ab, Dismaserl! Denn in diesem deinem uns bis jetzt auf ein Haar gleichen Zustand richtest du nichts mit uns! Bringe uns lieber etwas zu trinken und zu essen, aber hierher; dann werden wir dir auch irgendwo anders hin folgen. Aber von deiner gegenwärtigen Weisheit lässt sich beim besten Gewissen nichts herabbeißen! Denke nach, denke nach, Dismaserl, wie schön dumm du nun bist! Du empfiehlst andern etwas an, was du selber noch nie gehabt hast! Dein Vater muss ’s Schweinerne gern gegessen haben, weil ihm an dir ein gar so saudummer Sohn geraten ist?“
[1.104.32] Spricht Dismas: „Freunde, habe ich euch von dem, was ich nun in Kürze an mir erfahren habe, keine lebendige Überzeugung verschaffen können, so müsst ihr mir doch das zugeben, dass ich es mit euch allen fürs Erste sicher wohlgemeint habe, und fürs Zweite kann mir von euch allen wohl nie jemand nachweisen, dass ich mich je unartig, roh und grob gegen ihn benommen habe. Aus dem Grund aber glaube ich von euch mit Recht erwarten zu dürfen, mit mir doch ein wenig artiger und humaner zu reden. Ich ziehe euch ja nicht bei den Haaren hin zum Herrn! Wollt ihr hingehen, so geht ihr hin; und wollt ihr es durchaus nicht, da wird euch auch kein Zwang angetan werden. Aber unartig, roh und wahrhaft flegelhaft grob sollt ihr darum nicht sein! Dass ihr nun einen starken Hunger und Durst in euch verspürt, daran bin nicht ich, sondern ihr selbst schuld! Ihr habt zu eurer mehreren Belebung den Hunger gewünscht; und nicht ich, sondern der Herr hat ihn euch zukommen lassen durch mein Wort und durch meinen höchst eigenen Magenhunger. Ich aber habe es euch daneben auch sogleich gezeigt, wo und wie ihr den Hunger und den Durst stillen könnt! Warum tut ihr es nicht, so ihr es wisst? Ihr heißt mich einen dummen Teufel, weil ich dem Blum folgte, und sagt, dass mir diese Hinreise nichts genützt habe. Ich aber sage es euch, dass mir diese Hinreise gar überaus viel genützt hat. Ist auch mein Magen noch leer, so ist aber dennoch mein Herz gesättigt mit der Liebe zu Gott dem Herrn! Und das ist mehr als ein voller Magen! Es ist viel besser, ein Herz, denn hundert Magen satt machen! Denn so das Herz genährt wird, da wird auch des Magens bestens gedacht werden. Aber neben einem hungrigen Herzen kann kein Magen befriedigt werden, außer mit der Kost des Todes zum Tod des Herzens! Tut ihr nun, was ihr wollt! Ich aber werde euch für die Folge keinen Narren mehr machen! Wollt ihr Viecher bleiben, so bleibt es! Wollt ihr aber hin zum Herrn gehen, so steht euch der Lebensweg offen!“
[1.104.33] Auf diese Worte des Dismas stutzt die Gesellschaft und ist unschlüssig, was sie nun tun soll.
[1.104.34] Der Hauptwortführer aus ihrer Mitte aber tritt hervor, bittet die Gesellschaft um Gehör und spricht darauf, als ihn alle darum ersuchen, dass er reden möchte: „Achtbarste Freunde und Schwestern! Ich habe nun selbst bei mir viel nachgedacht über die Mission des Dismas an uns und über seine Rede; und habe, ich muss es euch denn doch offen gestehen, gefunden, dass er denn am Ende doch recht hat. Wir sollen wahrlich denn doch das tun, was er von uns haben will. Denn wir können für eine halbe Ewigkeit hin und her witzeln und Rat halten, so werden wir aber dennoch schwerlich je zu etwas Besserem gelangen, als es der gute Bruder Dismas uns geraten und gezeigt hat.
[1.104.35] Was geniert uns denn im Grunde auch hin zu jenem Mann zu gehen, von dem der Dismas nebst allen anderen, die nun schon glücklich sind, aussagen, dass Er die Gottheit Selbst sei? Ich meine also: Ist jener Jesus wirklich Gott Selbst, trotz unseres starren Unglaubens, so wäre unsere Renitenz gegen Ihn mehr als eine Tollheit zu nennen. Und soll Er das nicht sein, was der Dismas nebst den glücklichen andern von Ihm aussagen, no, so haben wir dadurch wahrlich nichts verloren, so wir Ihn uns zu einem Freund umgestaltet haben. Denn so die anderen an seiner Seite es gut haben, warum sollen wir es denn schlecht haben, so es lediglich nur von uns abhängt, sich zu Ihm hinzubegeben, und Ihn durch unsere Herzensfreundlichkeit für uns zu gewinnen? Ist’s nichts, so ist’s nichts, und wir verlieren nichts, weil wir haben nichts! Alles aber, was wir dadurch erreichen, kann für uns nur ein Gewinn sein! Denn wer, wie wir, durchaus nichts hat, der kann aber ja auch ewig nichts verlieren, sondern nur gewinnen, indem er wenigstens doch etwas Kleines sich eigen machen kann, was ihm früher in seinem neidischen Naturzustand unmöglich war. Gehen wir daher doch zum Herrn dieses Hauses hin und suchen Ihn für uns zu gewinnen; es wird sich dann ja ehestens zeigen, welchen Fang wir dadurch werden gemacht haben, so wir Christus werden gesprochen haben? Was meint denn ihr in dieser Sache?“
[1.104.36] Sprechen alle anderen: „Ja, ja, das können wir ja kinderleicht tun, weil es uns wahrlich keine besondere Mühe kostet; denn die Köpfe wird Er uns ja dennoch nicht vom Rumpf reißen? Auf deine recht vernünftige Rede ist aber auch leichter etwas zu unternehmen, als auf die stark geschwollene des Dismas! Wir wollen trotz unseres impertinenten Hungers und Durstes zwar nicht behaupten, dass der Dismas dumm geredet hätte; aber nach seiner altgewohnten Sitte desto geschwollener! Und eine geschwollene Rede macht nie den Effekt als eine nüchterne, vernünftige.“
[1.104.37] „Es wäre sonst alles recht“, spricht ein anderer aus der Gesellschaft, „wenn wir aber nur so um ein Haar besser adjustiert [bekleidet] wären! Besonders pitoyable [jämmerlich] nehmen sich unsere zehn Damen aus! Nichts als Fetzen und Lumpen von der schmutzigsten Art hängen in höchster Unordnung über ihre äußerst unvorteilhaft aussehenden Leiber! Und wir Männer haben eben nicht viel vor! Ich meine daher, so es möglich wäre, dass wir zuvor trachten sollten, zu nur um ein weniges besseren Kleidern zu kommen, und dann zu Ihm hinzugehen; denn in diesen sehr unhochzeitlich aussehenden Kleidern würden wir uns in Seiner mit aller Macht ausgestatteten Nähe denn doch gar verflucht schlecht ausnehmen. Was meint ihr in dieser Hinsicht?“
[1.104.38] Spricht der erste Redner: „Freund, ultra posse nemo tenetur! – übers Können hinaus kann niemand gezwungen werden! So sollen denn die Damen hinter uns einhergehen; und die von uns noch am leidlichsten bekleidet sind, die machen Avantgarde [Vorhut] – und so wird es sich meiner Meinung nach schon machen. Dismas als der am besten Bekleidete aber macht ja ohnehin unsern Anführer.“
[1.104.39] Sagen alle anderen: „Nun gut denn; so du’s also für gut erachtest, so wollen wir denn also auch den Versuch machen.“
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