[1.101.1] Hier wendet sich der Dismas an den Robert Blum und sagt: „Lieber schätzbarster Freund, wie ich es mir gedacht habe, so ist es auch; mit diesem Jesus ist nichts zu reden und nichts zu machen! Je mehr man sich vor Ihm beugt und demütigt, desto schroffer und unzugänglicher wird Er auch! Die Folge davon ist, dass man sich von Ihm entfernen muss und nach aller Möglichkeit zu trachten anfangen, dieses elenden Lebens, um das man nie einen Gott gebeten hat, loszuwerden! Denn bei solcher Sekkatur [Drangsalierung] pfeife ich auf ein solch verfluchtes Leben, das bloß zum Vergnügen einer göttlichen Schmeiß- oder Stechfliege da sein soll! Wohl sehe ich es nun ein, dass meine Ohnmacht gegen die göttliche Allmacht ewig nichts wird auszurichten vermögen. Aber danken werde ich der göttlichen Tyrannei wohl auch ewig nimmer für ein solches Sauteufelsleben!
[1.101.2] Bin ich dem Herrn doch so devot als nur immer möglich gekommen und glaubte, dass Er mich doch insoweit glimpflich aufnehmen werde wie diese Lerchenfelderin!? Aber welch ein Unterschied ist da zwischen ihr und mir! Sie wird behandelt wie ein Engel – und ich wie ein Verdammter! Und doch war sie so gut eine Hure wie ich ein Hurenlump. Wer bei solcher Handlung nicht in der Gottheit eine allerlaunenhafteste Willkür ersieht, der muss seine Augen im Steiß und nicht im Kopf haben! Auf der verfluchten Erde ist man ein Sklave seines Fleisches und hier ein allerelendstes Scheusal! Und für so ein sauberes Leben soll man etwa gar noch Gott danken?! Wann, wann in allen Teufelsnamen habe ich denn je Gott gebeten, mir ein Leben zu geben? Wo sind denn die ewigen Kontraktsbedingungen, unter denen mich die Gottheit zu einem selbständigen Wesen gestaltete?!
[1.101.3] Die Gottheit hat mich geschaffen, wie ich bin, und hat mir erst nachträglich Gesetze gegeben, die ich bewusstermaßen nicht halten konnte, weil meine ganze Natur dazu gar nicht eingerichtet war! Und nun soll ich dafür ewig zur Unterhaltung des göttlichen Mutwillens geplagt werden, weil ich zufolge meiner von Gott eingerichteten Natur nicht so handeln könnte, wie es dem Gesetz Seiner Laune angenehm wäre!? Kurz und gut, nun ist mir Gott und Teufel ein Ding! Das Mächtige spielt mit der Ohnmacht wie die Katze mit der Maus. Wenn es der Katze beliebt, so lässt sie die Maus laufen, und beliebt es ihr nicht, so wird die arme Maus gefressen! Und geradeso handelt die Gottheit mit den Menschen! Ein schönes Los, ein Mensch zu sein! Aber nun ist mir schon alles ein Teufel! Wo ist derselbe Sauwinkel, da ich ewig von einer Stechfliege soll gepeinigt werden?! Ich werde mich sogleich dahin begeben, und der allergerechteste Herr Jesus kann dann ein oder tausend Moskitos über mich senden! Meine Dankbarkeit dafür soll unbegrenzt sein – oder was? Die Gerechtigkeit der Weltfürsten ist bekannt! Denn da ist einer wie der andere ein Cicero pro domo suo [Sachverwalter fürs eigene Haus]. Aber die Gerechtigkeit Gottes sucht in der tyrannischsten Willkür ihresgleichen! Aber solange ich noch eines freien Gedankens fähig bin, will ich ihr einen Rezensenten machen, dass ihr die Augen übergehen sollen; und je mehr sie mich plagen wird, desto ärger werde ich schreien wider sie! Und nun in den verfluchten Dreckwinkel hin mit mir, damit ich desto eher aus allen Kräften zu fluchen die schönste Gelegenheit bekomme!“
[1.101.4] Spricht Robert: „Freund, bei solcher deiner Sprache kann ich mit dir nicht weiter reden! Der Herr, gegen den du zu Felde ziehest, wird dir die Antwort geben! Wir Geister Seiner Gnade haben das Recht der Liebe, die verirrten Seelen durch die Liebe und göttliche Weisheit für das wahre, ewige Leben zu gewinnen und sie zu führen vor des Herrn Angesicht, dessen reinstes Licht sie dann durchleuchtet und wahrhaftigst erwecket zum ewigen, freiesten Leben aus und in Ihm. Aber so irgendeine von uns schwächeren Geistern gewonnene Seele ein barster Teufel ist, da haben wir kein Recht und Befugnis mehr, uns weiter mit ihr einzulassen. Erwarte daher von mir nichts mehr, sondern der Herr wird dir geben nach deinem Verdienst!“
[1.101.5] Hier wendet sich der Robert von Dismas, und geht zu seinen Freunden hin, die voll Ärgers sich über die Frechheit des Dismas nicht genug verwundern können! Die Verwandten schlagen ein Kreuz ums andere und sind voll Entsetzens über die Verstocktheit ihres so nahen Anverwandten. Die anwesenden Apostel werden voll bittern Ernstes, und die Väter der Erde erschauern vor diesem Sohn des Gräuels, wie sie es sich gegenseitig laut bekennen. Die Helena brennt vor Grimm gegen dieses Scheusal, wie sie ihn benennt.
[1.101.6] Der biedere Max Olaf schlägt, mit Tränen in den Augen, die Hände überm Haupt zusammen und sagt: „O Gott, o Gott! Ist es denn wohl möglich, dass aus einem Menschen, der in der Schrift bestens bewandert war, durch die pure Fleischlust so ein aller-effrontester [allerfrechster] Teufel werden kann?! Um Gottes willen, was ist das!? Wer könnte das je glauben?! Nein, nein! Gott zu kennen, Gott vor sich zu haben, seine eigene Nichtigkeit einsehen, und solch eine Sprache zu führen!! O Jesus, o Du mein heiligster, liebevollster, allerwahrhaftigster, bester Vater! Mir zerspringt das Herz vor Gram, darum dass Du, o heiligster, ewiger Vater, von einem elendesten Wurm des Staubes gar so allerschändlichst verkannt und allertiefst beleidigt wirst – hier vor uns, Deinen begnadigten Kindern! O Herr, Vater Jesus, räche Dich doch an diesem Elenden! Denn er tritt Deine sichtbare Gnade, die Du ihm erteilen willst, mit den echtest satanischen Füßen und getraut sich hier Dir ins Angesicht zu trotzen!“
[1.101.7] Die gewisse Mariandl schlägt sieben Kreuze über ihre Stirn, Mund und Brust und spricht dann im noch wienerischen Dialekt zu dem oben bekannten Franz, dessen Augen auch größer und größer werden: „No host iena ghört? O der höllischi Sausackre der! Waon i hiazt af die Erd zruck denke thua, und mi so erinnern thua, daß de höllische Sausackre mei Liebhobr woar, und wos er mit mi alles tribe had, do möcht i aber schun vor Zorn grod aus der Haut faahrn! Na, hod aber so was amohl a menschlichi Seel gsehn und ghört! I bin a a große Sündrin, und waß es a recht guad, dass ich nix als d‘ Höll verdient han; aber i mieg hiazt grod zerfließa vor Lieb zum Herrn Herrgott Jesus, weil Er holt goar so entsetzlich guad is. Und i war auf d’r Welt a nit gar a so große Sündrin wurn, waon i nuar a bißel a beßri Erziehung ghobt hiet! Aber der höllische Sausackre hod die besti Erziehung ghobt, und immer d‘ heilge Schrift g’lesen, und aondri geistliche Bücher a no dazua, sodass seini Freund gemant hon, er miesst von Mund auf schnurgrod ins Himmelreich auffohrn! Aber hiatzt zagt sich, was für ein höllischer Sausacker von an Schriftglehrte er woar! Fur der Welt hod er wuhl für an ehrlichen Mensche gelte wuhln, aber unser liebesti Herrgott woar ihma a Pomadi. Und drum hod er furn Leite a so taon, als waon er schun ’s gaonzi Himmelreich mit a große Löfl gfreße hiate. Ober Samsti, waon er sani lustge Zeit hod ghobt, do hod er’s Himmelreich schön saubr an guadn Monn sein losse, und waon ma jehna draon erinnert hod, so woar er glei fuchsteufelstoll und sagte: ‚Sei still, dumme Gans! Was versteast du von dem Reich Gottes!? Sechs Tag ghöre Gott und einer der Natur!‘ Do hobmer hiazt seine wohre Natur! O du höllischer Sausackre du! Na woart, na woart! In der Höll werdes di schon sage, was du wert bist! Na, mit unsern liebasten Herrgott so z’reden!? Dos hod die Welt no nit gseahn!“
[1.101.8] Spricht der Franz: „Jo wuhl, jo wuhl, i moan, dös brächt der allerirgest Teifl net zwege! No, waon dös Luadr nöt in die Höll kummt, so wird noch der irgeste Teifl selig! Du waßt, i bin sist a guater Kerl und winsch kan Hund wos Schleachts; aber dös Vieh kunt i in dr Höll siede und brode seahn, und mi kummet ka Erbarmnus über’n ahn! No, ober i moan, den wird unser liabe Herrgott schun sogn, wie viel hiatzt für iehma gschlohn hod!?“
[1.101.9] Spricht darauf noch ein anderer Freund des Franz: „Du Fraonz, wie wars denn epr, waon mi badi den Limmel unsern liabe Herrgott z’liab pockete, und frisch von der Leber weg hinaus werfetn, und drauße, woaßt du, so reacht ausn Solz odrischanetn, doß er so auf a holbi Ewigkeit gnua hiat?!“
[1.101.10] Spricht der Franz: „Waon unsr liebesti Herrgott nix dagegn hiat, do loß i mi so wos net zwa mol sogn! Denn a Gift hob i af dös Luadr schun so, doß i iehn in klane Stickl‘ zreiße kunnt! Aber sei du hiazt nur ruhbig! Wias miar fur kummt, so is der liabi Herrgott a schun gricht, dös Luadr von aner Spitzbubnseel just in d’Höll zhoaßa! Sei d’her nuar stadig derwal!“
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