Von der Hölle bis zum Himmel
Tiefgehende Einblicke in die spirituelle Entwicklung
„Von der Hölle bis zum Himmel“ von Jakob Lorber beschreibt die jenseitige Führung des Revolutionärs Robert Blum nach seinem Tod. Das Werk schildert seine Erfahrungen im Jenseits, beginnend mit seiner Ankunft und den ersten Eindrücken, über seine inneren Kämpfe und Erkenntnisse bis hin zu seiner geistigen Weiterentwicklung. Blum durchläuft verschiedene Bewusstseinsstufen, von Verzweiflung und Ablehnung bis zur Erkenntnis göttlicher Liebe und Ordnung. Das Buch bietet tiefgehende Einblicke in die spirituelle Entwicklung und die göttlichen Prinzipien, die das Leben nach dem Tod bestimmen.
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(Am 27. Nov. 1848)
[1.1.1] Dieser Mensch der deutschen Zunge kam unter den dürftigsten Umständen auf diese Erde und hatte bis auf einige seiner letzten Jahre stets mit der natürlichen, irdischen Lebenserhaltungsnot zu kämpfen, was ihm aber aus (der Welt freilich gänzlich unbekanntem) gutem Grund zuteilward, weil seine Seele und sein Geist von jenem Planeten herstammte, von dem ihr aus der Enthüllung der ,natürlichen Sonne‘ (siehe ,Die natürliche Sonne‘) wisst, dass seine Einwohner mit ihrer hartnäckigsten Beharrlichkeit ganze Berge versetzen und, was sie leiblich nicht vollbringen, das setzen sie sogar nach und nach als Geister ins Werk.
[1.1.2] Dieser durch seine Tollkühnheit gefangen genommene und für diese Welt hingerichtete Mann zeigte schon von seiner Kindheit her, welch beharrlichen Geistes er war. Und obschon Ich Selbst ihm, wo er sich nur immer erheben wollte, stets die tauglichsten Hindernisse in den Weg legte, wegen seines (Seelen-)Heiles – so half das aber am Ende, besonders für diese Welt, doch wenig. Denn seines Geistes zu rastlos beharrliches Streben brach sich endlich aus all seiner (ihm) gestellten Unbedeutendheit doch eine Bahn, auf der er zu einem größeren Wirken gelangte.
[1.1.3] Auf diesem Wirkungsstandpunkt machte er sogleich tausend große Pläne, setzte sie auch nach Möglichkeit ins Werk. Vor allem lag ihm ein gewisses Völkerwohl am Herzen, welches zu bewerkstelligen er kein Opfer scheute! Fürwahr, so er alle Schätze der Erde besessen hätte, so hätte er sie auch alle, samt seinem Leben, für die Realisierung dieser seiner für ihn höchsten Idee in die Schanze geschlagen!
[1.1.4] Diese Völkerwohlidee hatte er aber freilich hauptsächlich der bloßen Welt-Religionsschule des Ronge und dessen Genossen zu verdanken, welche Religion aber eigentlich gar keine Religion und keine Kirche ist und auch nie sein wird, weil sie Mich, den Herrn, leugnet und Mich zu einem ganz gemeinen und gewöhnlichen Menschen und Volkslehrer der Vorzeit macht. Diese Sein-wollende reine Kirche verwirft sonach aber auch den Grundstein, auf dem sie ihr Gebäude aufführen will, baut somit auf Sand; und ihr Haus wird daher einen schlechten Bestand haben.
[1.1.5] Wie aber Ronge seine Kirche baute, so auch baute unser Mann seine Völkerwohlideen auf Sand. Ihm war alles, was die Welt darbietet, nur äußerst klein und ohnmächtig; bloß in seiner Rednergabe sah er jene Machtgröße, der es gelingen müsse, in Kürze allen Machthabern den Stab zu brechen.
[1.1.6] Seine Überzeugung war darin so stark, dass er darüber nahe keines Bedenkens fähig war. Mahnte Ich ihn auch innerlich bei zu toll gewagten Unternehmungen, so vermochte ihn aber das dennoch nicht abzuhalten von dem, was er sich einmal zu verwirklichen vorgenommen hatte. Denn es war das bei ihm eine Art Wahlspruch, dem zufolge ein rechter Deutschmann eher alles opfern solle, als von einer einmal gefassten und durchdachten Idee abzugehen! (Er meinte also,) ein Deutscher höre dadurch auf, ein Deutscher zu sein, so er mit Ideen zu tauschen anfange.
[1.1.7] Zur Festhaltung seiner einmal gefassten und zur Ausführung bestimmten Ideen bestärkte ihn auch das mehrmalige glänzende Gelingen derselben. Und so wagte er sich nun auch über ein Himalayagebirge, weil ihm die Abtragung einiger politischer Hügel gelang, durch welche Arbeit er sich auch allgemein bemerkbar gemacht hatte, und gewann dabei das Vertrauen eines ganzen Landes; welches Vertrauen ihm aber dann auch den Weg zu seinem unvermeidlichen irdischen Untergang bahnte.
[1.1.8] Er erprobte in der Deutschen Versammlung [Nationalversammlung in Frankfurt am Main 1848] die Macht seiner Zunge zu öfteren Malen und hatte heimlich eine große Freude über seine gefeierten Zungensiege, woran freilich sein starker Geist den größten Anteil hatte. Auf diese Siege gestützt und allerfestest vertrauend, eilte er vom Ort seiner Bestimmung in eine große ostdeutsche Stadt [Wien], wo das Volk auch die unverkennbarsten Symptome seiner Ideen tatsächlich ans Tageslicht zu fördern begann. Da wollte er sozusagen mit einem Schlage etliche dreißig sogenannte Fürstenfliegen totschlagen, ohne zu bedenken, dass hinter diesen Fliegen auch Ich, der Ich freilich für ihn nichts war, etwa doch auch ein paar Wörtchen eher zu reden hätte, bevor sie eine Beute seines Fliegenprackers [Fliegenklatsche] werden sollten!
[1.1.9] Unser Mann ging hauptsächlich von der Idee aus, die er wohl aus Meinem Worte borgte, dass man „vollkommen“ sein sollte gleich dem Vater im Himmel, und dass da nur Einer der Herr ist, und alle anderen aber Brüder, ohne Unterschied des Standes und des Geschlechtes. Aber er glaubte fürs Erste an Den nicht, dem die Menschen in der Vollkommenheit gleichen sollen. Für den Herrn aber hielt er nur so ganz eigentlich sich – durch die Macht der Rede; vergaß aber dabei ganz, dass die Fürsten auch Menschen sind, freilich im Besitz der Macht – aus Mir; und vergaß auch jenen Schrifttext, wo es heißt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ [Matth. 22, 21] – wie auch: „Seid jeder Obrigkeit untertan, ob sie gut oder böse ist; denn sie hätte keine Macht, so sie ihr nicht von oben gegeben wäre!“ [Röm. 13, 1] Gegen diese Macht hilft nur das Gebet und ein rechter Lebenswandel nach Meinem Wort, aber kein sogenannter politischer Fliegenpatscher.
[1.1.10] Dieser Mann wurde in der früher [oben] erwähnten Stadt, wo er seine völkerbeglückende Idee durch die Gewalt der Waffen wie durch seine Reden realisieren wollte, als ein dem Staat gefährliches Individuum gefangen genommen und nach einem kurzen Prozess aus dieser in die andere Welt befördert, und somit ward auch sein diesweltlicher Völker beglücken-sollender Wirkungskreis abgeschlossen.
[1.2.1] Nun fragt es sich: Wie kam seine Seele und sein Geist in der ewigen Geisterwelt an? Wie befindet er sich dort? Und was tut er?
[1.2.2] Es muss hier bemerkt werden, dass die meisten der ihr irdisches Leben durch ein Strafgericht gewaltsam Einbüßenden in der Geisterwelt mit dem größten Zorn und Rachegefühl gegen ihre Richter wie Flüchtlinge ankommen und eine Zeit lang wie völlig Rasende herumtaumeln, was von ihrem großen Zorn und übermäßigen Rachedurst herrührt. Aus solchem Grund werden solche Überkömmlinge, so sie wirkliche Verbrecher wider Gottes Gebote sind, also im Grunde böse, alsogleich zur Hölle getrieben, die ihr eigentliches Element ist, um dort ihre Rache zu kühlen, aus der sie aber, so ihre Rache in etwas abgekühlt ist, wieder in die eigentliche Geisterwelt zurückkehren, und da von Neuem ihre Freiheitsprobe freilich auf notwendig sehr beschränkten Wegen durchzumachen beginnen.
[1.2.3] Geister aber wie der unseres Mannes, die bloß als politische, also rein weltliche Verbrecher gegen weltliche Gesetze, die freilich auch mit den Gottesgesetzen im Verband stehen, weltlich gerichtet drüben ankommen, werden anfangs bloß in einen lichtlosen Zustand versetzt, in dem sie wie Blinde sich befinden und somit auch keines Wesens ansichtig werden, an dem sie sich vergreifen würden, und kühlen ihre blinde und große Rache. Denn großer Zorn und große Rache bewirken schon bei Menschen auf der Welt, dass sie förmlich blind werden vor Zorn und glühendster Rachewut; umso mehr bewirken diese argen Leidenschaften bei Seele und Geist, in denen sie hauptsächlich auftauchen und zu Hause sind, den Zustand der gänzlichen Blindheit. In diesem Zustand werden solche Geister so lange belassen, bis sich mit der Weile ihre Rache in das Gefühl der Ohnmacht umgewandelt hat, und die so tief gekränkte und beleidigte Seele im stets mehr auftauchenden Gefühl ihrer Ohnmacht zu weinen beginnt; welches Weinen zwar wohl auch dem Zorn entstammt, aber denselben nach und nach auch ableitet und schwächt.
[1.2.4] Hier diesseits konnte unser Mann nichts mehr tun als bloß nur, da er für diese Welt alles als rein verloren ansehen musste, so viel als möglich seine männliche Ehre retten, aus welchem Grund er sich auch bei seiner Hinrichtung so entschlossen und den Tod verachtend zeigte; was aber durchaus nicht der Fall war, da er in sich wohl gar überaus stark die Schrecken des Todes fühlte, und das umso mehr, da er als ein fester Neukatholik an ein Leben der Seele nach dem Abfall des Leibes durchaus nicht glaubte.
[1.2.5] Aber in ungefähr sieben Stunden nach seiner Hinrichtung, da seine Seele sich gewisserart wieder zusammenklaubte, überzeugte er sich schnell von der Grundlosigkeit seines irdischen Glaubens und gewahrte gar bald nur zu unwidersprechlich, dass er fortlebe. Aber da verwandelte sich seine individuelle Überzeugung von dem Fortbestehen nach des Leibes Tod in einen anderen Unglauben, und zwar also: Er meinte und behauptete nun bei sich, dass er wohl auf den Richtplatz ausgeführt wurde, und blind [nur scheinbar] erschossen wurde, um die vollkommene Todesangst auszustehen. Aber da auf ihn nur blind geschossen wurde, weshalb ihm auch der Offizier die Augen verbinden habe lassen, auf dass er nicht das leere In-die-Luft-schießen merken solle – so sei er bloß vor Angst betäubt zusammengesunken und wurde von da in einem ganz bewusstlosen Zustand in einen finstern Kerker gebracht, von wo ihn eine starke Reklamation von Deutschlands Bürgern sicher bald in die erwünschte Freiheit setzen würde.
[1.2.6] Ihn genierte [störte] nun bloß die starke Finsternis, also ein sehr finsteres Loch, das ihm aber jedoch nicht feucht und übel riechend vorkommt. Er befühlt sich auch die Füße und die Hände und findet, dass ihm nirgends Fesseln angelegt sind. Da er sich aber fessellos fühlt, so versucht er die Weite seines Kerkers zu untersuchen, und wie etwa der Boden beschaffen ist. Ob sich in seiner Nähe etwa nicht so ein heimliches Gericht vorfindet?!
[1.2.7] Aber er staunt nicht wenig, als er fürs Erste gar keines Bodens gewahr wird und ebenso wenig irgendeiner Kerkerwand; und fürs Zweite aber auch nicht irgend von einer Hängematte etwas finden kann, in der er sich etwa in einem freien Katakombenraum hängend befände.
[1.3.1] Diese Sache kommt ihm sehr bedenklich sonderbar vor. Er prüft auch sein Gefühl, ob dieses nicht etwa an den Extremitäten so gewisserart noch halbtot sei. Aber er überzeugt sich durch ein tüchtiges Kneipen und Reiben über alle seine Seelenbestandteile, dass sein Gefühl durchaus nicht tot ist, im Gegenteil nur gar zu sehr lebendig.
[1.3.2] Als er sich nun, genau prüfend, von allen Seiten überzeugt, dass er vollends lebendig ist und sich von keiner Seite her irgendwie eingeschlossen befindet, außer von einer vollkommensten Nacht und Finsternis – da fragt er sich endlich ganz verzweifelt aufgeregt:
[1.3.3] „Wo in drei Teufels Namen bin ich denn? Was haben denn die durstigen Bluthunde aus mir gemacht? Erschossen haben sie mich nicht, sonst lebte ich nicht! Eingesperrt haben sie mich auch nicht; denn da finde ich weder Wand noch Boden und keine Fesseln an meinen Gliedern! Mein vollkommenes Gefühl habe ich auch; die Augen habe ich auch, sie sind mir nicht ausgestochen und doch sehe ich nichts! Was haben sie denn mit mir gemacht? Wahrhaftig, das ist schaudervoll merkwürdig! Dieser Menschenfeind, der mich pro forma [zum Schein] hat erschießen lassen, muss durch irgendeinen Chemiker mich vielleicht auf eine ganz eigene Art, etwa durch ein aller sonstigen gelehrten Welt unbekanntes Narkotikum haben narkotisieren lassen, welcher Operation zufolge ich nun mich in diesem Zustand befinde! Aber warte, du Wüterich, du Völkerrechtemörder, wenn ich aus dieser Narkose komme, wenn ich wieder nach Frankfurt komme, dann freue dich! Ich werde dir eine Suppe kochen, eine ganz verdammt heiße Suppe!
[1.3.4] Dieser Zustand wird nicht ewig dauern. Man wird mich in Frankfurt und in ganz Sachsen requirieren [dringend rufen]. Und ich werde, ja ich muss dahin kommen! Und bin ich dort, dann tausendfaches Wehe dir! Du sollst dann kennenlernen, was für ein Frevel es ist, an einem ersten Reichstagsdeputierten sich also schonungslos und allervölkerrechtswidrigst zu vergreifen! Mein ganzes Wesen, ganz Deutschland, ja ganz Frankreich darf nicht eher ruhen, als bis diese allerschmählichste, mir, einem Reichstagsdeputierten angetane Unbill in aller Fülle gesühnt sein wird! Und das auf eine Art gesühnt, von der die Erde und die ganze Weltgeschichte noch kein Beispiel aufzuweisen hat!
[1.3.5] Wenn ich aber nur schon bald aus dieser sonderbaren Narkose geweckt würde! Ich brenne vor gerechtester Rache, und dieser lästigste Zustand dauert noch immer fort! Das ist doch eine echt teuflisch verfluchte Erfindung! Aber nur Geduld, es wird, es muss bald besser werden!“
(Am 1. Dez. 1848)
[1.4.1] Nach diesen Worten verhält er sich eine ziemlich lange Weile ganz ruhig und still und reibt sich bloß manchmal die Augen, um eine allfällige narkotische Trübung loszuwerden. Aber da es trotz aller seiner vorgefassten Geduld und trotz allem Augenreiben denn doch nicht heller werden will, so fängt er an der Wiedergewinnung des Augenlichtes ganz vollkommen zu zweifeln an, und wird darum auch erboster von Augenblick zu Augenblick. Als aber auch trotz seines stets größeren Erbostwerdens das Licht sich bei ihm nicht einstellen will, so ruft er gar stark:
[1.4.2] „Was ist denn mit mir geschehen?! Was ist das für ein verfluchter Zustand?! Gibt es denn keinen Gott mehr? Einen Gott, der mächtig wäre und gerechter als die von Seiner Gnaden Machthaber der Erde und ihre blauen und goldbordierten Helfershelfer!?
[1.4.3] Gott! So Du irgend Einer bist, recke aus Deinen Arm und sühne mich, der ich die gute Sache Deiner Menschen, Deiner Kinder zu jenem erhabenen Ziel führen wollte, das einst schon der erhabene, unverstandene Völkerlehrer Jesus erreichen wollte; aber von gemeinen Häschern aufgegriffen und, aus Dank für Seine großen Mühen und Opfer zum Besten der gesamten Menschheit, an den Pfahl der damaligen größten Schmach der Menschheit gehängt wurde!
[1.4.4] Wie Er bin auch ich ein Sohn von Dir und aus Dir, so Du Einer bist?! Bist Du aber nicht und nirgends, außer im Bewusstsein der Menschen selbst, ist Deine Kraft nur jene, deren sich der Mensch bewusst ist, dann freilich rede ich nur leere und fruchtlose Worte und bin um mein ganzes Wesen für ewig betrogen, und das auf das Schändlichste! Warum aber musste ich ein lebendes, meiner selbst bewusstes Wesen werden? Warum musste irgendeine im endlosen Raum sich selbst ergriffene plumpe Idee in mir zum klarsten Ausdruck des sich erfassenden Seins werden? Ward ich denn eine Realität voll des hellsten Sich-Selbst-Bewusstseins etwa darum, um von einer andern füsiliert [erschossen] zu werden? Verfluchter Zufall, der mich je in ein so elendestes Dasein versetzte! Wenn es Teufel gäbe, arg und böse über jede menschliche Vorstellungskraft, so sollen sie doch jede wie immer Namen habende Kraft, die mich werden machte, für ewig zerstören!
[1.4.5] O Menschen! O Menschen! Ihr betrogenen, armen Menschen, hört auf, euch fortzupflanzen! Setzt nicht mehr lebende Wesen an eure Stelle zur Qual in die verfluchte Welt! Menschen, die ihr nun noch lebt, ermordet eure Kinder und euch, auf dass die verfluchte Erde leer werde von Menschen! Oh, erwürgt ihr Machthaber alle, alle Menschen, und teilt dann die verfluchte Erde unter euch, auf dass ihr dann an ihr allein zur Genüge haben sollt! Aber umsonst, umsonst ist mein Eifer; ein ewiger Sklave! Was kann ein Tropfen gegen des wogenden Meeres Allgewalt?! Darum verstumme, du eitle Sprache meiner Zunge! Nur ihr Hände versucht diesem elendsten Dasein ein Ende zu machen!“
[1.4.6] Nach diesen Worten macht er an sich Erdrosslungsversuche. Er macht einige recht tüchtige Eingriffe in seine Kehle, aber natürlich ohne alle Wirkung; denn er greift sich gewisserart allemal durch und durch, ohne nur eine auch nur allerleiseste Spur von irgendeiner Erstickung zu verspüren! Das macht unsern Mann stutzen, und er wird über diesen seinen Zustand stets begriffsverwirrter. Da es aber mit dem Erdrosseln gar nicht geht, da beschließt er, schnurgerade sich vorwärtszubewegen anzufangen; – denn, spricht er bei sich ganz erbost, „finsterer und grundloser als es hier ist, kann es wohl im ganzen endlosen Raum nirgends mehr sein, daher habe ich auch keinen Abgrund und noch weniger irgendein geheimes Gericht mehr zu befürchten. Darum also nur vorwärts! Vielleicht komme ich doch irgendwo zu einem Lichtschimmer oder zu einem erwünschten vollkommenen Tod?!
[1.4.7] O wie glücklich muss der Zustand eines vollkommenen Todes sein! Wie glücklich muss ich gewesen sein, als ich nicht war, als ich kein Dasein fühlte und kein freies Bewusstsein mein Wesen trog! Oh, wenn ich doch nur wieder vollends vernichtet werden könnte! Aber sei es nun, wie es werden will, so mir nur ein künftig möglich werdendes Nichtsein ein Gewinn ist, der vollkommene Tod ein Labsal, so gibt es auch nichts mehr, wovor ich mich fürchten soll, darum also nur vorwärts!“
[1.5.1] Hier macht unser Mann mit seinen Füßen gewöhnliche Gehbewegungen. Aber da er unter seinen Füßen keinen Boden wahrnimmt – so scheinen sie ihm bloß gegenseitige effektlose Pendelbewegungen zu machen, die ein Weiterkommen ebenso wenig bezwecken, als so jemand auf einer Bank säße und schlenderte mit den Füßen in der Luft leer hin und her. Er denkt daher wieder bei sich auf eine andere Art der Weiterbewegung, sprechend nämlich:
[1.5.2] „Ich muss mit Händen und Füßen durch diese lichtlose Luft auf eine eigene Art zu schwimmen anfangen; das wird besser sein als das Gehen mit den Beinen! Denn, um mit den Beinen weiterzukommen, muss man eine feste Unterlage haben, auf der ein Bein so lange ruht, bis das andere eine freie Bewegung vorwärts macht. Aber wenn die Unterlage fehlt, da ist diese Art zu gehen fruchtlos; da heißt es entweder schwimmen oder fliegen! Zum Fliegen aber gehören Flügel; diese haben wir nackten Zweibeiner nicht. Aber schwimmen können wir, und so will ich mich ans Schwimmen machen! Ach du guter Himmel, das wird freilich ein erbärmliches Schwimmen sein! Aber was lässt sich da anderes tun, als die noch innewohnenden Kräfte so lange möglichst zweckmäßig gebrauchen, als wie lange sie sich nur immer gebrauchen lassen! Also – es werde geschwommen!“
[1.5.3] Hier fängt er an, förmliche Schwimmbewegungen mit Händen und Füßen zu machen, verspürt freilich wohl keinen Fortgang durch irgendeinen Luftzug. Aber das beirrt ihn nicht. Er setzt seine Schwimmbewegungen fort. Je mehr er arbeitet, desto mehr auch verspürt er, dass all sein Mühen ein vergebliches ist. Denn er merkt es, dass ihn diese schwarze Luft nicht den allergeringsten Widerstand irgend verspüren lässt! Er stellt daher seine schwimmerischen Bewegungen wieder ein und spricht:
[1.5.4] „Ich bin ein Esel und dümmster Narr! Was mühe ich mich denn vergeblich ab?! Wo nichts ist, da ist nichts! Ich bin nun im barsten Nichts; was will ich das Nichts weiter verfolgen?! Im Nichts ist sicher die größte Ruhe und nimmer eine Tätigkeit zu Hause?! Daher will auch ich in die Ruhe des Nichts eingehen, um in ihr auch zu nichts zu werden! Ja, ja, das ist schon der Weg zur völligen Vernichtung! Hm, hm! Wäre freilich recht, wenn ich nur wüsste, dass ich wirklich sei erschossen worden?! Krachen, kommt es mir wohl vor, als ob ich es noch gehört hätte. Aber freilich müsste ich da ja natürlich vollkommen tot sein, was bei mir doch nicht der Fall ist? Auch verspüre ich nichts von irgendeiner Zerrüttung!
[1.5.5] Oder sollte es nach dem Tod wirklich ein Fortleben der Seele geben?! Ich aber bin ja noch mit Haut und Haaren und sogar mit meiner Kleidung, die ich wohl verspüre, noch da! Hat denn die Seele auch Beine, Haut, Haar und Kleidung? Wenn so, da muss also auch der Rock eine Seele haben?! Nein! So was anzunehmen, müsste einen Mann wie mich doch die ganze Unendlichkeit hell und laut auszulachen anfangen!? Hahahaha! Die Unsterblichkeit eines Rockes wäre noch bei Weitem ärger als die Wunderkraft des Leibrockes Christi zu Trier, vom Bischof Arnoldi ausgestellt!? Und doch und doch, doch, doch! Wenn ich Seele bin, ist der Rock mit mir hierher gewandert!?
[1.5.6] Nein, nein und tausendmal nein! Ich bin keine Seele! Ich bin Robert Blum! Ich bin der Reichstagsdeputierte in Frankfurt, zur Konstituierung eines einigen Deutschen Reiches! Welchem Reich sich Österreich nicht unterwerfen will. Ich habe es nun hier in der Residenz (Wien) kennengelernt, was Österreich will. Ich weiß es, dass alles Trachten dieses Staates lediglich dahin gerichtet ist, um das eiserne Kleid des alten Absolutismus wieder von Neuem anzuziehen! Ich kämpfte wie ein Riese dagegen. Aber da die Kanonen des Gegners stärker waren als mein guter Wille, so musste ich samt meiner gerechtesten Sache dennoch abziehen – ja, nicht nur abziehen, sondern mich auf dem Weg meines Ab- und Zurückziehens sogar gefangen nehmen und am Ende sogar wirklich oder doch wenigstens scheinbar totschießen lassen! Ein schöner Lohn für ein dem wahren Vaterland treu ergebenes Herz! Du verfluchtes Leben! Und verflucht, der es mir gegeben!
[1.5.7] So es irgendeinen Gott gibt – welche Freude kann es Ihm denn wohl sein, solch einem mächtigen Wesen, so sich Menschen, die sich unter jeder Zone als wahre Brüder liebevollst verträglich und voll Geduld gegeneinander erweisen sollen, wegen eines Thrones und Zepters und nun sogar wegen Meinungsverschiedenheiten grausamst erwürgen und totschlagen!? Daher aber, weil nun wie gar allzeit so Arges geschieht auf der Erde, und solches doch von einem Gott, der logisch und physisch nichts sein kann als die reinste Liebe nur, nicht ausgehen kann, so gibt es entweder gar keinen Gott, oder, wenn es einen Gott gibt – so ist Er nur ein erzböser, also nur ein fluchwürdiges Fatum, das die Wesen als ein Spielzeug Seiner Launen betrachtet! Darum noch einmal Fluch jedem Wesen, das Menschen schafft fürs leidigste Verderben!
[1.5.8] Aber nun nur Ruhe, nicht mehr räsonieren! Denn so ich in diesem Nichts auch die über alles erwünschte gänzliche Vernichtung finden will, und so ich stets mit mir selbst rede, so erwecke ich mich dadurch aus der Vernichtung, werde wieder lebend durch die neu erregten Lebenskräfte, und mein Wunsch kann dadurch nicht erfüllt werden! Daher also nur Ruhe, strenge Ruhe – damit Vernichtung kommt.“