[199.1] Da der Satan aber nun mit keiner Frage mehr zum Vorschein kommt und sein Gesicht mehr einen dumm-verdutzten als so eigentlich bösen Charakter annimmt, da spricht Johannes weiter sagend:
[199.2] [Johannes:] „Satan, nun, wie ist es denn? Hast du denn keine Frage mehr? Ich wäre nun gerade so recht von ganzem Herzen aufgelegt, dich mit Antworten geradezu förmlich einzugraben! Aber du schweigst, und ich muss nun aus diesem deinem Schweigen den Schluss ziehen, dass du mit deiner Weisheit so ziemlich zu Ende bist und dein väterliches, von dir gewaltsam erzwungenes Erbe ehestens bis auf den letzten Heller vergeudet sein dürfte. Was wohl meinst du in dieser Hinsicht?“
[199.3] Spricht nach einer Weile sehr knirschend der Satan: „Da hat’s noch lange Zeit! Glaube es mir, meine Weisheit ist noch gar sehr unendlich! Ich könnte dir noch eine unendliche Frage stellen; aber wie würdest du, endlicher Geist, sie mir je beantworten? Und so schweige ich lieber, da ich es einsehe, dass das rein Unmögliche für meine Sättigung von dir auch unmöglich zu verlangen ist. Ein kleiner Tautropfen kann wohl einer Mücke Durst löschen, aber einer Zentralsonne wird er wohl schwerlich genügen! Ich meine, du wirst wohl so ungefähr verstehen, was ich mit dieser Parabel andeuten will?“
[199.4] Spricht Johannes: „O ja, o ja, ohne viel Mühe und Kopfzerbrechen; aber ich entnehme daraus noch mehr, als du glauben dürftest! Siehe, ich entnehme daraus auch, dass du, so dir dein vermeintlicher Weisheitsfaden vollends ausgegangen ist, dann sogleich wieder zu deinem alten lügenhaftesten Hochmut die Zuflucht nimmst und willst dich damit selbst befriedigen. Aber siehe, es tut sich so was nun denn doch wohl nicht mehr.
[199.5] Messe meinen und dann deinen Umfang, und du wirst dich leicht überzeugen, wie es nun mit unserer beiderseitigen Unendlichkeit steht! Ich meine, was sich mit der Elle und mit dem Zirkel bemessen lässt, da ist die Unendlichkeit nicht eben gar zu weit her! Und so steht es auch mit deiner und meiner Unendlichkeit. Ich sage dir, der sich für unendlich dünkt, der versteht entweder nicht, was die Unendlichkeit ist, oder er ist ganz und gar ein Narr und kann somit um desto weniger fassen, was die Unendlichkeit in jeder Hinsicht und Beziehung ist.
[199.6] Schau, schau, du hast ehedem von einer unendlichen Frage gefaselt! Sage, würdest du mit ihr wohl je fertig werden? So aber deine Frage ewig kein Ende nähme, wann soll dann darauf die gleichfalls unendliche Antwort ihren Anfang nehmen? Das musst du ja doch nun einsehen, dass solch hochtrabende Reden aus deinem Munde heraus nichts als die unsinnigsten Faseleien sind! Ober siehst du das wirklich nicht ein?“
[199.7] Spricht Satan: „Ich sehe alles ein, so ich’s will. Aber ich will manches geflissentlich nicht einsehen, und das bloß darum, weil es mir als einem Herrn der Herrlichkeit nicht beliebt! Verstehst du diese meine Sprache?“
[199.8] Spricht Johannes: „O ja, das ist deine alte, uns allen nur zu bekannte Sprache. Aber diese Sprache hören wir nicht mehr an, sondern gebieten dir jetzt, diese Welt mit deiner Zentralwesenheit zu verlassen und dich im Namen des Herrn zur Erde auf den dir bestimmten Ort zu begeben! Wirst du dort ruhig sein, so soll dir kein weiteres Leid zukommen. Wirst du aber voll Unruhe und Bosheit sein, da wirst du dir es dann nur selbst zuzuschreiben haben, so dir der Herr Seines Zornes Schärfe zum Verkosten geben wird!“
[199.9] Spricht Satan: „Liebe Freunde, tut ihr mir das nur nicht an; denn vor der Erde graust mir nun wie vor einem allerekelhaftesten Aas! Belasst mich hier! Ich verspreche euch, mich für ewig wie ein Stein ruhig zu verhalten; nur von hier treibt mich nicht!“
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