[195.1] Spricht Satan: „Freund, das Beste bei deinen Reden ist, dass du deine Kurzsichtigkeit mir gegenüber nun sehr artig und gelassen vorbringst. Aber sonst bist du in deiner Beurteilung und Auffassung dieser Dinge und Verhältnisse noch um eine ganze Ewigkeit zurück!
[195.2] Ich sehe aus allen deinen Worten, dass du alles, was ich nun zu dir geredet habe, auch nicht ahnungsweise verstanden hast, daher es auch eine rein vergebliche Mühe wäre, dir die tieferen Lebensverhältnisse zwischen Gott und mir näher zu enthüllen, da du sie noch viel weniger fassen würdest als das bisher dir Gesagte.
[195.3] Daher meine ich, wir sollen uns im Frieden wieder verlassen und uns unseren notwendigsten Geschäften weihen. Denn durch dies unser gegenseitiges unverstandenes und somit fruchtloses Hin- und Herreden werden wir ewig zu keinem Zweck gelangen. Ich verstehe es wohl, was du möchtest; aber du verstehst es nicht und kannst es auch nicht verstehen, was da möglich oder unmöglich ist. Daher ist all dies Wortetauschen mit dir eine vergebliche Arbeit!
[195.4] Aber ich werde dir, weil du so artig bist, doch etwas sagen, und das wird dir sehr nützlich sein. Siehe, du wie alle deine Welt sieht in mir den Grund alles Erzbösen, das da hervorginge aus meiner alle Engelsbegriffe übersteigenden Hohfahrt [Hoffart]. Ich lasse es euch gelten, wenn Selbstgefühl, das Bewusstsein des Daseins, die Selbstbestimmung seiner Kräfte und daraus hervorgehende notwendige Tätigkeit diesen beleidigenden Namen verdiente. Aber was ist denn das bei dir, Freund Martin, so du mich ganz eigentlich nun bloß darum zur Umkehr bewegen möchtest, um dir sogar aus des Herrn Munde in allen Himmeln den größten Namen zu bereiten?
[195.5] Du hast mit deiner Zunge an den Bewohnern dieser Welt siegend gewirkt, und der Herr hat dir darum ein großes Lob zukommen lassen, und hat dich ausgezeichnet vor diesen deinen gleich und mehr verdienten Brüdern. Nun möchtest du durch meine Besiegung dir wohl des Himmels größten Ruhm bereiten! Du möchtest nun bald also lobend und rühmend von dir sagen hören: ‚Da seht, da seht! Was bisher Myriaden mächtigster Geister, was selbst Gott nicht gelungen ist, das ist dem schwachen Martin rühmlichst gelungen!‘
[195.6] Meinst du, Martin, dass solch dein Bestreben etwas anderes als die größte versteckte Hohfahrt [Hoffart] ist, gegen die die meine ein pures Nichts ist? Gebe diese auf, und das aus dem innersten Grunde, dann erst werden wir vielleicht weiterreden können! Denn siehe, ich bin Licht, so ich in meiner wahren Gestalt vor dich hintrete. Daher musst du ganz rein sein, dann erst werden wir miteinander wirksam reden können! Gehe daher hin und reinige dich von allem Schmutz, sodann erst komme und rede mit mir, dem Urlicht von Ewigkeit!“
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