[173.1] [Bischof Martin:] „Eure Welt ist uns eine Sonne, ohne die wir kein Leben hätten. Sie gibt uns Licht und Wärme; ihr aber bewohnt sie und kennt keine Nacht und keinen Winter.
(Am 9. August 1848)
[173.2] Wisst ihr wohl, was eine Sonne ist? Ja, ja, bei aller eurer Weisheit wisst ihr kaum, was da eine Sonne ist, weil ihr selbst Bewohner einer Sonne seid.
[173.3] Ihr kennt kaum den Vorteil, Bewohner einer Sonne zu sein. Ich kannte ihn eher auch nicht, als ich noch auf meinem armseligsten Planeten gleich einem Wurm herumkroch. Aber nun kenne ich ihn und kann euch darum sagen, dass ich als ein nun weiser gewordener Geist gar keinen Ausdruck finden kann, durch den es mir möglich wäre, euch darzutun, wie groß der Vorteil ist, ein Bewohner der Sonne zu sein. Wie entsetzlich kümmerlichst dagegen ein Bewohner besonders meines Weltkörpers gestellt ist, in allen seinen naturmäßigen Verhältnissen! Es gibt für ihn höchstens flüchtige Augenblicke kaum, von denen er sagen kann: Sie vergnügten mich!
[173.4] Die große Härte und Magerkeit des Bodens zwingt den armen Menschen, sein Brot im blutigen Schweiße seines Angesichtes sich zu erarbeiten. Weil aber dies schwere Arbeiten manchen schon von Geburt aus weicheren Naturen nicht munden will, so betteln sie. Oder so sie mächtig genug sind, da nehmen sie dann wohl auch den Tätigeren mit Gewalt ihren allfälligen Vorrat weg und verzehren ihn.
[173.5] Mit der Zeit dingen solche Menschen eine Menge Gleichgesinnter, die nicht mehr arbeiten, sondern bloß auf solchen Raub ausgehen, und die fleißigen Arbeiter auf alle mögliche Art und unter allerlei Vorwänden, die wie ein Recht schimmern, bedrücken, und von ihnen gewisse Steuern fordern, und die Arbeiter dabei aber dennoch für viel geringer halten als sich selbst.
[173.6] Mit der Zeitenfolge bilden sich dann aus solchen anfangs Arbeitsscheuen mächtige Herren, die die Arbeiter und Brotbereiter beherrschen, mit ihnen tun was sie wollen, und ihnen aber nichts dafür geben, als bloß nur Gesetze über Gesetze, die zumeist auf den Vorteil solcher Gesetzgeber abgesehen sind, darum auch deren Beobachtung unter den schärfsten Strafen im Verweigerungsfall geboten wird, was das kummervolle Leben eines Brotbereiters noch ums Tausendfache erhöht und elender macht.
[173.7] Werden hie und da die Arbeiter zu sehr gedrückt, so erheben sie sich dann nicht selten in großem Zorn, ziehen in großen Scharen gegen ihre Bedrücker und töten sie oft zu großen Haufen, wobei sie aber dann auch gewöhnlich das eigene Leben einbüßen.
[173.8] Solche zornentbrannten Bewegungen heißen bei uns Kriege. Und so sie anfangen, da nehmen sie dann aber auch gewöhnlich nicht eher ein Ende, als bis nicht selten eine Partei die andere entweder ganz aufgerieben hat oder die schwächere ist während des Mordens zu der Einsicht gekommen, dass sie der mächtigeren durchaus nicht gewachsen ist und sich also ergibt auf Gnade oder Ungnade, wo dann freilich wieder der Friede hergestellt wird.
[173.9] Aber was für ein Friede? Ich sage euch: ein Friede der Hölle und kein Friede der Himmel! Denn da wird der Besiegte zum Sklaven und muss sich wegen seiner Ohnmacht nicht selten Gesetze gefallen lassen, durch die nicht nur sein armer, oft mit vielen Wunden überdeckter Leib, sondern auch sein Geist mit den schwersten Ketten und Banden geknebelt wird.
[173.10] Und ein solcher Zustand dauert dann nicht etwa eine kurze Zeit, sondern nicht selten Tausende von langen Erdenjahren fort. Dabei aber bleibt die Natur der Erde dennoch stets die gleiche: bald Nacht, bald wieder ein elender Leidenstag. Bald ein alles erstarren machender Winter, darauf wieder ein so heißer Sommer, der die ehernen Ketten und Bänder noch glühender und unerträglicher macht als der totstarre Winter.
[173.11] Mangel an Nahrung erzeugt einen Schmerz im Magen, den wir Hunger nennen, der oft bei unfruchtbaren Jahren so groß wird, dass viele daran sterben.
[173.12] O Freunde, vergleicht dies Leben mit dem eurigen und sagt es selbst, ob eure Weisheit wohl irgend Worte findet, durch die der ungeheure Vorteil des eurigen genügend bezeichnet werden könnte! Ihr sagt: ‚So ein Leben ist ja kein Leben, sondern eine scheußlichste Qual desselben nur! Wie können da Menschen bestehen und wie loben ihren Schöpfer?‘
[173.13] Ich sage euch aber, obschon eure Frage gerecht ist, dass es dort dennoch sehr viele Menschen gibt, die ihren Schöpfer desto mehr lieben und loben, je ärger es ihnen geht! Was sagt ihr denn dazu?
[173.14] Ihr sagt: ‚Freund, das ist unmöglich! Wie kann ein über alles guter Schöpfer irgendwo Seinen Geschöpfen so Arges geben und verlangen, dass sie Ihn dafür noch loben und lieben sollen? Wahrlich, wenn so, da haben die armen Bewohner der Erde noch nie ihren rechten Schöpfer erkannt! Oder erkennen sie Ihn, da sind sie Narren, so sie Ihm für so ein Leben danken oder Ihn gar noch lieben dazu!‘
[173.15] Ich sage euch, auch diese eure antwortlich gestaltete Gegenfrage ist zufolge eures so endlos bevorzugten Lebens gerecht. Aber was sagt denn ihr dann dazu, dass der Schöpfer den Menschen meines Planeten sogar die schärfsten ewigen Strafen im Feuer der Hölle zur sichersten Folge gesetzt hat, so sie Ihn bei allen Qualen ihres irdischen Lebens nicht über alles lieben, ihre Feinde und Quäler nicht segnen, für die nicht beten, die ihnen fluchen! Und so sie Gott, dem Schöpfer, nicht für alles, was Er ihnen an Wohl oder Wehe gibt, aus allen ihren Kräften, die ihnen bei all den Martern noch übrigbleiben, dankbar sind? Sagt, was dünkt euch da?
[173.16] Wie gefällt euch, dass der Herr auf jenem Planeten gerade diejenigen am meisten züchtigt, die Ihm am meisten und von ganzer Seele zugetan sind? Und dass sich Seine barsten Verächter oft und fast meistens im besten Wohlstand befinden, d. h. was man auf meiner Welt ‚Wohlstand‘ nennt, der freilich mit dem eurigen nicht zu vergleichen ist?
[173.17] O redet, Freunde, gebt mir kund euer Urteil, ihr Glücklichsten! Ihr seid förmlich stumm! Ich muss euch schon noch mehreres sagen, auf dass ihr dann desto leichter ein volles Urteil schöpfen könnt! Und so hört:
[173.18] Ich brauche euch nicht allzeit euren herrlichsten Zustand zu schildern, um dagegen den elendsten meiner Welt recht leuchtend vor eure Augen zu stellen; denn ich weiß es, dass ihr den euren ohnehin viel besser kennt als ich. Aber ich will euch dafür den Zustand meiner Welt desto klarer vor die Augen stellen und mich etwas weitwendiger fassen, und ihr werdet mit eurer gediegensten Weisheit und mit euren schärfsten Blicken dann schon von selbst gar leicht zu beurteilen imstande sein, wie die Bewohner meiner Erde zuständlich sich zu euch verhalten. Da ihr über das, was ich euch bis nun mitteilte, schon nahe atemlos dasteht, da bin ich wahrlich sehr neugierig, was ihr zu dem sagen werdet, was ich euch nun weiter mitteilen werde!
[173.19] Ich habe euch schon ehedem gesagt, dass meine Welt durchaus sehr hart ist, natürlich, wie geistig oder moralisch. Nur mittelst schwerster, alle Kräfte anstrengender Arbeit kann ihrem Boden eine Nahrung des Fleisches abgewonnen werden. Bevor man aber dennoch mit Erfolg arbeiten kann, muss man sich noch tausend Werkzeuge anfertigen, mit deren Hilfe man dem harten Boden der Erde etwas abgewinnen kann.
[173.20] Nun haben sich mit den höchst veränderlichen Zeitenfolgen die Dinge und Verhältnisse auf dieser meiner Welt unter den Menschen so gestaltet, dass da nur der wenigste Teil der Menschen einen Grund und Boden besitzt. Der bei weitem größte Teil hat nichts und muss dem besitzenden Teil um schlechten Sold und um nicht selten die allermagerste Kost einen puren leibeigenen Sklaven willig machen. Wenn der Besitzer auf seiner gewöhnlich arbeitsscheuen Haut liegend und sich möglichst wohlgeschehen lassend, einen solchen Sklaven irgend seine müden Glieder ausruhend erschaut, da gibt er ihm sogleich die härtesten Mahnreden, die gewöhnlich mit einer Drohung enden, die aber beim nächsten Betreten meistens schon in die volle Ausübung gebracht werden.
[173.21] Gar viele dieser Besitzer scharren oft viele tausend Male mehr zusammen, als sie und ihre Kinder in tausend Jahren verzehren könnten.
[173.22] Nun kommt aber der harte, alles erstarren machende Winter. Für diesen haben die reichen Besitzer gute Häuser und wohlvermachte Gemächer, die sie mittelst eines künstlich erzeugten Feuers recht angenehm erwärmen können, und haben in solchen Zimmern oder Gemächern warme und weiche Betten zum Ruhen.
[173.23] Aber die gar übervielen besitzlosen Armen müssen mit schlechter Bekleidung und nicht selten hungrig, krank und elend in den schlechtesten Löchern ihr Leben zubringen. Und wenn es ihnen nicht selten auch schon so schlecht geht, dass sie, wie es häufig der Fall ist, zu vielen Tausenden verhungern und verzweifeln müssen, so lassen sich darum die reichen Besitzer dennoch kein graues Sorgenhaar wachsen, sondern sie sehen ganz behaglich zu und sagen: ‚Es ist wohl gut, dass solch ein überflüssiges Bettelgesinde verendet und wir von ihm nicht so sehr gequält und belästigt werden!‘
[173.24] Aber ebensolche Not, die sie am meisten bei den Armen bewirken, benützen sie dann noch mehr zu ihrem Besten: sie wuchern unmenschlich mit den in großen Massen aufgeschichteten Lebensmitteln. Wer ihnen nicht das gibt oder wenigstens nicht geben kann, was sie verlangen, der kann vor ihrer Tür verhungern, und sie werden darum nicht um ein Haar weicher in ihrem Herzen.
[173.25] So himmelschreiend ungerecht aber auch eine solche Sache ist, so tut aber der Schöpfer dennoch sozusagen nichts dabei. Die Tage und Nächte wechseln regelmäßig. Der Regen fällt und segnet die Felder der Reichen mehr denn die der Armen, die nicht so viele Mittel haben, ihre ohnehin magersten Anteile nach Erfordernis zu bestellen. Die Fruchtbäume der Reichen strotzen meistens vom Segen, während die der Armen nicht selten verkümmert, halbverdorrt und fruchtlos dastehen. Die harten Reichen haben alles im gesegnetsten Überfluss, während die Armen oft im kaum beschreiblichen Elend verschmachten und zugrunde gehen!
[173.26] Und wie gesagt, solch ein himmelschreiendes, höllisches Treiben wird vom Schöpfer mit einer sogestalteten Gleichgültigkeit nicht selten viele Jahre lang geduldet, als wenn das gar nichts wäre. Und wenn Er schon dann und wann, aber freilich nur vermutlich durch blutige Tränenbitten der Armen erweicht wird, und etwa ein Gericht über die Erde sendet, das aber freilich nur den Schein hat, als käme es von Ihm, so trifft dann solch ein Gericht wieder hauptsächlich die Armen und Schwachen, während die Reichen gewöhnlich zumeist mit heiler Haut davonkommen, und manche während eines solchen Gerichts nur reicher und irdisch glücklicher werden!
[173.27] Kommt ein Gerichtskrieg, da müssen für die reichen Besitzer zuallermeist die armen Nichtsbesitzer ins Schlachtfeld und müssen sich für die ohnehin glücklichen Besitzer totschlagen lassen, wofür sie nichts als einen kargsten Sold bekommen. Dafür aber wird dann den Reichen ihr Besitz wieder gesichert. Und so die Armen dann vom Schlachtfeld heimkehren – oft ganz verstümmelt, mit einem Fuß, mit einer Hand und mit tausend Wundnarben –, da müssen sie betteln um ein elendes Stück Brot. Und kommen sie vor die Tür eines Reichen, da werden sie nicht selten wie ein gemeinstes Tier hinweggeschafft, bekommen nichts als oft die ruchlosesten Schmähworte und werden davongetrieben, so sie nicht selbst gehen wollten!
[173.28] Und seht, dennoch dürfen sie nichts Übles wünschen solchen reichen Tätern des Übels, sondern sie noch segnen und ihren Quälern und Peinigern von ganzem Herzen vergeben, ansonsten sie noch von Gott aus der ewigen Strafe in der Hölle verfallen können!
[173.29] Wie es aber mit dem Krieg als einem Gottesgericht aussieht, das da nämlich allzeit am meisten die ohnehin Elendsten am härtesten trifft, so ist es auch mit allen anderen Gerichten der gleiche Fall. Die Armen und Elenden trifft jedes am stärksten, während die herz- und gefühllosen Reichen und Glücklichen zumeist mit der heilen Haut, wie ich schon früher erwähnt habe, davonkommen!
[173.30] Und dennoch sind es zumeist eben nur die Armen, die an dem Herrn hängen, an Ihn glauben, zu Ihm beten, so gut sie es können. Die glücklichen Reichen aber haben selten einen halben Glauben kaum, meistens wohl auch gar keinen, und haben in ihren steinfesten Herzen wohl sehr wenig Liebe zu Gott, beten wenig oder gar nicht und erlauben sich nicht selten, Ihn samt Seinem Gesetz auf das Schmählichste zu verhöhnen.
[173.31] Ein Stück Goldes, ein gutes Essen und eine junge, geile, fette Dirne, mit der sie die schändlichste Unzucht treiben können, ist ihnen lieber um tausendmal als Gott, der für sie so gut wie keiner ist, und viel tausendmal mehr als jene, die im Schweiße ihres Angesichtes für sie die schwersten Arbeiten verrichten und mit ihrem ohnehin ärmsten Leben für ihre Sicherheit Wache halten Tag und Nacht und Sommer und Winter.
[173.32] Aber bei aller solcher ihrer völligsten Gottlosigkeit sind sie irdisch glücklich, werden nie durch die Armen, sondern durch ihresgleichen in ihrem Überfluss manchmal beeinträchtigt, befinden sich aber dann selbst als Unglückliche gewöhnlich noch um tausendmal besser als die glücklichsten Armen, die nie außer Elend über Elend etwas besessen haben.
[173.33] Freunde, was sagt ihr denn dazu? Wie gefällt euch dieses Verhältnis des Lebens eines Menschen auf jenem Stern, den ihr gemeinhin den ‚heiligen‘ nennt?“
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