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160. Martin reagiert zornig auf weitere Prüfungen. Petrus beruhigt ihn

[160.1] Spricht Martin, sehr nachdenkend: „Also – noch immer Prüfung, meine Prüfung! Also pur meinetwegen dies alles! O Gott, o Gott, wann werden diese Prüfungen denn endlich einmal ein Ende nehmen?

[160.2] Ich werde wohl etwa so lange geprüft werden, bis ich nicht für den Himmel, sondern für die Hölle reif genug werde? Darum muss ich jetzt wahrscheinlich so viel des Himmlischen verkosten, damit mir dann die Hölle desto erschrecklicher vorkommen soll?

[160.3] Wie oft habe ich schon vernommen, dass man zu mir sagte: ‚Nun, Martin, lieber Bruder, bist du vollkommen!‘ So ich aber vollkommen bin, kann ich denn und muss ich denn für den eigentlichen Himmel mehr noch als vollkommen sein?

[160.4] O Gott, hättest Du mich lieber ewig nie und nimmer erschaffen, dann wäre mein Nichts seliger nun als dies mein Sein unter lauter Prüfungen zwischen Hölle und Himmel!

[160.5] Zwar weiß ich nun, wie ich daran bin, und das danke ich dir, du lieber Bruder Petrus. Aber ich sage es dir auch, mit dieser deiner Enthüllung hast du bereits auch mit einem Hieb alle Prüfungen an mir beendet! Nun magst du Engel oder Teufel vor mir aufmarschieren lassen, so wird mir das wohl so ganz einerlei sein, als mein künftiges Sein oder Nicht-Sein, oder Himmel, oder Hölle! Denn wenn das auch noch Prüfungen sind und ich nichts als in einem fort geprüft werde, so schaffe ich von keinem weiteren Leben etwas!

[160.6] Und bei Gott, du sagtest ehedem vom kahlen Mond. O setze nur schnell, aber auf ewig mich hin, und ich werde dort glücklicher sein als hier unter diesen beständigen Prüfungen, aus denen ich nun nur zu klar ersehen muss, dass ich – trotzdem ihr ersten Fürsten der Himmel um mich seid samt dem Herrn – anstatt zum Himmel nur zur Hölle geführt werde.

[160.7] Aber sei nun, wie ihm wolle. Wie ich schon gesagt habe, führt nun Engel oder Teufel vor mich her, so wird mir das einerlei sein; denn von nun an will ich stummer sein denn ein Stein!“

[160.8] Spricht Petrus: „Bruder lasse fallen diesen Stachel! Denn dieser ist der Tod, den die Unzucht des Fleisches in sich führt. Sein Name ist ‚Zorn‘, darum auch Kinder des Fleisches ‚Kinder des Zornes‘ heißen. Nun aber kommen sie auch schon ganz heraus! Daher sei ruhig, dein Ernst wird dir nütze sein!“

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Bischof Martin

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