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152. Die Schönheit der drei Sonnenmädchen ärgert wieder die anderen Weiber. Martins Donnerrede. Ein Wink vom Herrn

[152.1] Auf diese Meine Worte ziehen die drei sogleich ihre Kleider aus und sagen: „O du Erhabenster – wenn so, da sollen auch diese Kleider nimmer unseren Leib bedecken. Denn auch sie sind eine Verhüllung der Wahrheit und helfen mit, unser Herz und die Liebe im selben zu verhüllen, was nicht des Rechtens ist!“

[152.2] Als sie wieder bloß, nur mit einem Gürtel um ihre Lenden und Hüfte bekleidet, dastehen und ihre Schönheit wieder vollends ersichtlich wird, da fallen alle Weiber nieder und schreien: „O wehe, wehe uns Hässlichsten!“

[152.3] Über dieses Benehmen der Weiber wird der Martin wieder einmal unwillig, tut seinen Mund stark auf und spricht mit einer sehr vernehmbaren Stimme: „Da haben wir’s wieder! Da liegen sie gleich matt gewordenen Fröschen am Boden! Nein, so ist der Himmel bis auf die magisch-herrliche Gestaltung der Dinge aber auch nicht um ein Haar besser als die Erde mit ihren vergänglichen Wesen! Dort macht eben die Vergänglichkeit, dass die Menschen darob aus lauter Besorgnissen für ihr Leben ganz dumm werden und darum nicht selten das Leben samt dessen für sie äußerst fataler Vergänglichkeit ganz aus den Augen so sehr verlieren, dass sie dann gleich dem Vieh in aller Dummheit ihres Daseins sogar nicht mehr wissen, was das Leben ist und ob sie noch leben. Und am allerwenigsten wissen sie aber, ob sie über des Leibes Tod hinaus noch länger ihrer selbst bewusst leben werden.

[152.4] Hier im Himmel haben die Vergänglichkeitssorgen wohl aufgehört. Aber an ihre Stelle treten tausend andere Miserabilitäten, die die verhängnisvollsten Vergänglichkeitssorgen der Erde bei weitem übertreffen. Bald kommt dies, bald jenes, bald ganz was anderes. Kurz, man könnte schon eher alles als ein Mensch werden!

[152.5] Was mir diese weiblichen Wesen alles schon für Sorgen machten, das ist sogar dieser Sonnenwelt ungleich! So man meint: ‚No, dem Herrn alles Lob, nun wird’s einmal gut!‘ – gerade da kommt wie ein Blitz wieder etwas vor, dass man sich darüber schon gerade selbst die Haut vom geistigen Leib sogar übers Gesicht ziehen möchte!

[152.6] O ihr eitlen dummen Gänse, o ihr Schandwesen der Menschheit! Glaubt ihr denn, dass euch der Herr für die Eitelkeit oder als eine Zierde der Himmel erschaffen hat? Glaubt ihr denn wohl immerfort das Recht zu haben, uns männlichen Wesen mit dem ganzen Heer eurer Dummheiten zur nahe unerträglichen Last zu fallen? Steht auf und gebärdet euch in der Folge weiser, sonst lassen wir euch alle im Stich und ihr könnt dann allein euren allergrauslichen Dummheiten leben!

[152.7] Aus lauter heimlicher Galle, weil diese Sonnenmädchen freilich endlos schöner und weiser sind als sie, fallen diese Närrinnen wie mit Stroh gefüllte Säcke nieder und schreien dann aus lauter Kränkung ihrer unerträglich dümmsten Eitelkeit: ‚O wehe, wehe uns Hässlichsten!‘ O ihr Gänse, wollt ihr etwa aus eurer großen Dummheit heraus noch schöner sein als diese Töchter der himmlischen Weisheit, die so hoch steht, dass sie uns Mannsgeistern die gerechteste Bewunderung abnötigt? Ich sage euch, da hat es noch ganz entsetzlich lange Zeit für euch!

[152.8] Wenn ihr in eurer Dummheit so fort, wie bis jetzt, die löblichen Fortschritte machen werdet, da dürftet ihr mit der Folge wohl noch hässlicher werden als derselbe Gast, den ich mit dem Bruder Borem in meine Wohnung geschleppt habe an zwei Ketten! Auf daher mit euch, so ihr noch länger bei uns verbleiben wollt!“

[152.9] Nach diesen Worten Martins richten sich alle die Weiber wieder auf, wenden sich an Mich mit der Bitte, dass Ich dem Martin ob solcher ihnen angetanen Kränkung denn doch einen rechten Verweis geben möchte.

[152.10] Rede Ich: „Habt ja selbst Mund und Zunge; so gebt ihm zurück, was euch nicht taugt! Denn Mir tat Martin kein Leid an; denn es war recht so, dass er euch durch einen kleinen Donner ein bisschen erweckt hat!“

[152.11] Sagen die Weiber: „Also, also, auch Du, o Herr, Du unser Alles, bist wider uns!? Wo, wo werden wir dann Gnade finden!?“

[152.12] Rede Ich: „In eurer rechten Demut, in eurem Gehorsam und in der rechten Liebe zu Mir! Aber durch eure Eitelkeit werdet ihr Mir sehr schwer irgendeine Gnade entlocken. Daher tut, was euch der Martin geraten hat, dann wird alles gut werden! Werdet liebe Freundinnen diesen dreien und liebt sie, dann wird euch ihre Schönheit wenig mehr genieren!“

[152.13] Auf diese Worte fangen die Weiber sogleich an, gemütlicher zu werden, und mehrere können schon die große Schönheit der Sonnentöchter ertragen und nähern sich denselben nun ohne viel Scheu.

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