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149. Niederschlagende Wirkung der Weisheit der drei Sonnentöchter auf Martins Siegesgewissheit

[149.1] Martin aber, der schon lange wie auf Nadeln gestanden ist, wendet sich sogleich zu Mir und spricht: „O Herr, o Vater – ganz gehorsamster Diener, da sind wir einmal ins rechte Wespennest geraten! Nein, das ist noch über alles, was mir bis jetzt vorgekommen ist!

[149.2] O Bruder Petrus und Johannes, ihr habt meinen Mut und Sieg viel zu früh gepriesen und die Heldenkrone angelobt! Jetzt hat es sich gezeigt, was für einen Sieg ich errungen habe und wie gut uns allen nun die drei Sonnenforellen geschmeckt haben!

[149.3] O Herr, wenn ich auf meine, Du weißt es, lumpigste Fischerei zurückdenke, so wahr ich Dich über alles liebe, so war sie für mich rühmlicher denn diese! Deine Güte und Gnade hat mich hier ehedem schon zu einem rechten Fischmeister in den Lebensgewässern der Sonne ernannt! Aber nun muss ich Dir schon mit der Bitte kommen, mir diese löbliche Meisterschaft ja sogleich wieder abnehmen zu wollen! Denn diese Fische fräßen mich ja doch lange eher – beim Potz und Stängel gleich gebraten am sauren Kraute, wie man zu sagen pflegt – auf, bevor ich so ganz eigentlich daran denken könnte, aufs Fischen auszugehen!

[149.4] O du verzweifelter Sturmwind! Nein, nein, diese drei haben uns allen hier die Leviten aus allen Sternen auf einmal vorgelesen! Und das Allerverzweifeltste ist dabei nur das, dass man ihnen im Grunde wenig oder nichts einwenden kann! Sie sind gut, edel, sanft, nachgiebig und dabei ganz unaussprechlich hold und schön. Aber doch möchte ich nun vor Ärger gerade zerspringen, dass mich diese – sage drei Kinder gar so schmählichst angesetzt haben!

[149.5] Wir sollen ihnen folgen?! Ich einmal nicht! Wer noch? Das ginge uns gerade noch ab, zu ihnen in die Schule zu gehen! Und Du, o Herr, etwa Selbst mit? Und du, Petrus, und Johannes auch? Die Sache machte sich! Was sagst denn Du, o Herr, Du mein Alles, dazu?“

[149.6] Rede Ich: „Sei nur ruhig, und wir alle tun, was die drei von uns wünschen, d. h. wir folgen ihnen und wollen sehen, was da herauskommen wird. Je verwickelter eine Komödie ist, desto beseligender ihre Löse. Denn siehe, ihr als Meine ersten Kinder, Brüder und Freunde müsst ja alles kennenlernen, sonst wärt ihr nicht geschickt zu Meinem Dienst. Daher gehen wir nun nur ganz geduldig den dreien nach.“

[149.7] Spricht Martin: „Herr, Du weißt es, dass ich jetzt wie alleweil sage und sagen werde: ‚Dein allein heiligster Wille geschehe!‘ Denn ich weiß es ja, dass nur Du ganz allein alle Wege kennst, die wir zu gehen haben, um zu jenem Ziel zu gelangen, das Du als Gott, Vater, Herr und Liebe und Weisheit uns für ewig gesetzt hast. Aber alles dessen ungeachtet stehe ich nun erst hier so recht wie ein barster Ochse am Berg und kann nicht einmal in diesem Moment auf einmal die Masse der Widersprüche zusammenfassen, die jetzt diesen drei Sonnengöttinnen wie in einem Strom entsprudelt sind!

[149.8] Ich sehe es nun immer klarer ein, dass ihre Sätze voll Widerspruchs sein müssen. Und doch kann ich ihnen nichts einwenden; denn was sie redeten, war und ist faktisch richtig.

[149.9] Aber Du wirst es Selbst am besten bemerkt und gesehen haben, wie sie an meiner Brust selig waren, gewisserart erlernen wollend die Liebe, deren Süßigkeit sie so sehr priesen, dass darob ihre Begleiter, oder was sie sonst sein mochten, mir Gewalt antun wollten und beriefen zu dem Behufe sogar ihre Geister, die ihnen dann freilich einen ganz anderen Bescheid gaben. Da war ihnen die Liebe alles; nun ward sie von eben ihnen als eine stumme Vegetativkraft deklariert, also ungefähr als ein Unding, das für sich gar nichts ist, sondern bloß nur den freieren Wesen zur Fortpflanzung als ein seiner selbst unbewusstes stummes Motiv dient, das wahrscheinlich in einem nichtigen elektromagnetischen, höchst imponderablen Fluidum besteht!

[149.10] Wie war ihre Sprache, als Du ihnen zu Dir zu kommen winktest! Welch eine überdavidsche Lyrik entfloss da ihrem schönsten Mund! Ich dachte mir: ‚Nun da haben wir’s, die haben Ihn schon erkannt oder ahnen es wenigstens stark, wer hinter Ihm steckt!‘ Aber wie sehr habe ich mich an ihnen getäuscht, wie ganz anders waren und sprachen sie, als sie Deine Füße umklammert hielten! Und gewaltigst hat sich ihre Rede geändert, als Du ihnen die sehr bitteren Bedingnisse kundgabst, unter denen ein Mensch auf der Erde zu Deiner Kindschaft einzig und allein nur gelangen könne – wobei Du aber freilich von Deiner endlosen Liebe, Erbarmung und Gnade wenig merken hast lassen!

[149.11] Ich sage Dir, o Herr und Vater, wenn das mit diesen Sonnenbewohnern so fortgehen wird, werden wir hier eine ganz verzweifelt sparsame Ernte halten. Denn da möchte ich eher mit dem Satan mir etwas auszurichten getrauen als mit diesen drei leider schönsten Sonnengöttinnen!

[149.12] Wahrlich, diese sind erst, wie man zu sagen pflegt, so recht des Teufels! Schön, wie sich schon keine menschliche Phantasie etwas Schöneres vorstellen kann, dabei aber verschmitzt, ärger denn alle unsere daheimgelassenen löblichen Badegäste, die ehedem als ein sehr respektabler Anhang des Luziferus von Dir von ihm getrennt wurden! Ich behaupte, ein sehr ungestaltig hässlichster Teufel ist um tausend Mal weniger gefährlich als ein solches überhimmlisch schönes Wesen, wenn es so ausgedehnte Teufelspfiffigkeiten besitzt!

[149.13] Aber sei es ihm nun, wie ihm wolle. Wie Du willst, so werde ich – wie sicher wir alle – handeln und werden nun auch in ihre Wohnung gehen. Aber das, o Herr, wirst Du mir wohl erlauben, dass ich bei guter Gelegenheit meiner Zunge keinen Zaum anlegen darf? Ihre unbegrenzte Schönheit wird mich nun nicht mehr beirren, und daher freut euch, ihr frommen Wesen dieser Welt, jetzt sollt ihr den Martin auf eine Art verkosten, dass euch eure große Weisheit wie eine Milbe gegen einen Berg vorkommen soll! Denn um Deiner Ehre und um Deines Namens willen will ich zu einem Löwen werden und kämpfen mit tausend glühendsten Schwertern zugleich. Aber freilich darfst Du, o Alles über Alles, mich nicht im Stich lassen! Denn so Du das tätest, da könnte ich mit meinem großen Mut erst in eine rechte Soße kommen!“

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Bischof Martin

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