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138. Fortsetzung des Disputes über Weisheit und Liebe

[138.1] Auf dieses Selbstgespräch wendet sich Martin wieder zu den dreien und spricht: „O ihr über alle meine Begriffe herrlichsten Töchter der großen Sonne! Ihr habt mir wohl in allem eine vollends rechte Erwiderung gegeben auf das, was ich zu euch geredet habe. Aber eines ist dabei, das denn doch ein ganz erheblicher Rechnungsfehler von eurer Seite zu sein scheint und auch wirklich ist.

[138.2] Seht und hört! Ihr habt wohl recht, so euer Licht euch sagt: Der große, urewige Geist ist in Seiner Liebe und Weisheit wie sicher auch sonst in allem vollkommenst unteilbar, und wo ein Leib ist, da muss auch ein Kopf sein, was so viel sagen will als: Wem da zuteil ward ein Preis der Liebe, der dürfe, um vollkommen zu sein, den Preis der Weisheit nicht außer Acht lassen. Aber ihr seht es ja doch sicher mit euren hellsten und himmlisch schönsten Augen, dass mein Haupt schon mit einem dem euren ganz gleichsehenden Preis geschmückt ist. Und da ihr in alle meine sonstigen Erlebnisse so tief eingeweiht seid, so werdet ihr ja auch das wissen, dass ich diesen Schmuck unmittelbar vom Herrn Selbst erhalten habe!

[138.3] Da ihr allerliebsten Kinder aber das doch unmöglich in die Abrede stellen könnt, so muss mir der Herr dennoch einen geteilten Preis gegeben haben, also – den der Liebe für sich ganz allein, der aber in sich dennoch schon den nötigen und verhältnismäßig gerechten Grad der Weisheit fasst! So aber dieser Preis als eine vollkommene Gabe des großen Gottes demnach keine halbe, also geteilte, sondern eine vollkommene, bestgemessen ganze Gabe ist, so sehe ich demnach trotz eurer sehr weise gestellten Entgegnung wahrlich nicht ein, wozu mir euer lediger Weisheitspreis dienen soll!

[138.4] So ich schon einen Kopf habe, wie es euch doch sicher meine Gestalt zeigt, wozu soll mir nun noch ein zweiter Kopf dienen? O sagt es mir; soll ich wirklich noch eines Kopfes bedürfen, so will ich ihn nach dem Willen meines Herrn ja von euch, ihr endlosest liebenswürdigsten Töchter der Sonne, sehr gerne annehmen. Ist es aber nicht nötig, zwei Köpfe zu haben, sondern bloß nur einen vollkommenen, da werdet ihr es dann aber ja doch wohl auch einsehen, dass ich euren für mich bestimmten Preis durchaus nicht annehmen kann? O redet, redet; ich höre!“

[138.5] Sagen die drei: „O du Herrlicher, du Hoher, wohl wissen wir, dass dir in solchem deinem Preis mehr gegeben ist, als wir es ewig je zu fassen werden imstande sein. Also wissen wir es auch, dass dein Preis kein halber, sondern ein vollends ganzer ist. Aber siehe, wir wissen es aber auch aus zahllosen, stets auf dieselbe Art wiederkehrenden Erfahrungen, dass der große Gott auch jedem Wesen nach seiner Art ein vollkommenes, ganzes Leben gibt!

[138.6] Wir wissen, dass da kein Mensch ohne Kopf zur Welt geboren wird, und hat Augen zum Sehen, Ohren zum Hören, eine Nase für den Geruch, einen Gaumen zum Schmecken, und allerlei Nerven für allerlei Empfindungen und Gefühle. Es fehlt einem neugeborenen Kind nichts von alledem, und alles das entstammt doch sicher wie der Liebe, also auch der allerhöchsten Weisheit des allerhöchsten Geistes. Denn da ist das eine wie das andere mit einem Blick klarst ersichtlich.

[138.7] Wie aber kommt es denn, dass ein neugeborenes Kind – als ein Werk der Liebe und Weisheit des großen Gottes – zur Weisheit doch allzeit bei weitem später gelangt als zur Liebe, die da ist das eigentliche Leben? Du selbst lebst schon gar lange und hast Liebe in aller Überfülle. Aber so du dich fragst, ob deine allfällige Weisheit auch so alt ist, als dein Leben, da wirst du in dir selbst offenbar die widersprechendste Antwort finden!

[138.8] Siehe, wir wissen es von unseren obersten Weisen, dass der große Gott auf deiner Erde zu einem gewissen weisen Juden so geredet hat: ‚Niemand kann in das Reich Gottes eingehen, so er nicht neugeboren wird im Geiste!‘ Sage uns: Wie kann der große Gott von einem schon lange lebenden Weisen des Geistes Wiedergeburt verlangen, so Er schon einem Kind im Mutterleib alles gegeben hat, was zur vollsten Besitznahme des ewigen Gottesreiches vonnöten ist?!

[138.9] Überall zeigt es sich, dass die Reife jeder Entstehung erst viel später folgt. Kannst du uns wohl aus deiner Erdgeschichte nachweisen, dass da je ein ganz ausgebildeter Mensch dem Mutterschoß entstammt ist? Oder weißt du nun schon ganz bestimmt, warum dich der große Geist erst jetzt, nachdem du schon so manche Verwandlungen erlitten, in der Mitte dieser zwei urerzweisen Geister hierher in diese große Welt des Lichtes beschieden hat? O rede, rede, du Herrlicher, und unterrichte uns, denn wir möchten von dir ja gar überaus viel Tiefes erfassen!“

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Bischof Martin

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