[115.1] Im selben Moment aber kommt auch eben derjenige Jesuit, den die Chanchah verriet, mit noch einigen seiner Kollegen, fällt vor Mir auf die Knie und spricht:
[115.2] [Der verratene Jesuit:] „O Herr, o Vater, nun erst haben unsere Herzen Dich erkannt! O vergebe uns unsere so lange Blindheit, die es nicht zuließ, Dich so zu erkennen, wie Du bist – so gut, so sanft, so mild, so endlos herablassend!“
[115.3] Rede Ich: „Steht auf, Kindlein, und macht nun kein Aufsehen; denn es gibt noch welche, die Mich noch nicht vollends erkennen dürfen ihrer Freiheit wegen. Denn ihr wisst es, dass der Töpfer es am besten weiß, wann es Zeit ist, den Topf von der Drehscheibe zu heben. Bleibt nun hier und zeugt, was Übels jener Drache an euch getan hat, den Martin und Borem soeben hierher ziehen. Du, Chorel, aber zeige dich nun auch hier dieser Chanchah, die dich einst in China an den Kaiser verriet, und nun hier ob ihrer immensen Liebe Mir zunächst sich befindet, aus welcher Nähe sie schwerlich die Ewigkeit verdrängen wird.“
[115.4] Chorel befolgt sogleich Meinen Auftrag und stellt sich gar freundlich der Chanchah vor. Diese erkennt ihn sogleich und erschrickt vor ihrem vermeintlichen Ankläger.
[115.5] Chorel aber fragt sie: „Chanchah, warum erschrickst du vor mir? Tatest du nicht, was dein Gewissen dir gebot? Ich selbst aber habe dich ja gelehrt, dass das nur Sünde sei, was ein Mensch tut wider die Stimme seines Gewissens; denn des Gewissens Stimme ist Gottes oder Lamas Stimme in uns. Du achtetest mich anfangs ja sehr hoch, da du in mir und meinen Gefährten wirkliche Boten Gottes ersahst, da du aber später durch deinen wirklichen Scharfsinn an uns einen Hochverrat entdecktest und brachtest durch deine List es am Ende dahin, dass wir dich in unser Vorhaben einweihten, so war es dann ja sogar deine Pflicht als eine Chinesin, mit allem Eifer unser böses Vorhaben anzuzeigen und dadurch viel Unheil von deinem Vaterland abzuwenden.
[115.6] Siehe, obschon wir dann schrecklich gezüchtigt worden sind, so bist du aber dennoch nicht im Geringsten schuld daran, sondern allein wir selbst, darum wir den heiligen Zweck unserer Sendung in einen so schmählichen Unfug verkehrt haben! Denn wären wir, und besonders ich, dem Zweck unserer Sendung getreu geblieben, so würdest du wohl eine der eifrigsten Christinnen geworden sein und eine Menge deiner Stammesverwandten. Da wir aber nur zu bald – von den großen Schätzen deines Landes geblendet – unserer Sendung heiligem Zweck abhold wurden, so verloren wir aber dann auch alles samt unserem wenig werten Leben.
[115.7] Du ersiehst daraus nun gar leicht, dass wir alle unmöglich gegen dich eine Anklage haben können, sondern nur eher das Gegenteil zu befürchten hätten; und somit hast du, holdeste, treuherzigste Chanchah, vor uns wohl ewig nie den leisesten Grund zu erschrecken, da doch wir mit Grund vor dir nicht erschrecken, die du uns wohl anklagen könntest! Vergib uns aber, du Geliebteste des Allerhöchsten, auf dass wir [uns] endlich frei von aller Schuld freier Dem nahen dürfen, dessen Namen unsere Zungen ewig nimmer wert sind auszusprechen!“
[115.8] Chanchah ist über dies Bekenntnis Chorels innigst gerührt und spricht: „O liebe Freunde, hier in diesen Hallen gibt es keine Schuld mehr; und gäbe es eine, so tilgt sie für ewig meine Liebe zu Lama! Denn mein Herz sagt es mir: ‚Deine Liebe zum Lama ist Lama Selbst in dir!‘ Und Freunde, diese heilige Liebe kennt keine Schuld, sondern überall nur liebe Brüder und Schwestern, und das auch dann, wenn diese noch in ihrem Irrtum wandeln! Meine Anklage gegen euch aber sei: dass ich euch alle liebe und achte wie mein eigenes Leben! Habt ihr dagegen etwas einzuwenden?“
[115.9] Chorel und seine Kollegen weinen freudig über diese herrlichen Worte Chanchahs und die Chanchah weint mit.
[115.10] Ich aber wende Mich zur Chanchah und sage: „O du herrlichste Blume Meines Herzens, komm her und lasse dich umarmen! Wahrlich, solch eine Liebe ist überaus selten und kaum eine so rein!
[115.11] O du Lieblichste, du bist endlos glücklich nun, dass du Mich so sehr gewonnen hast. Aber auch Ich als dein Geliebter bin nun überglücklich, da Ich in dir, einer Heidin, eine Liebe gefunden, dergleichen in der Christenheit außer einer Magdalena und der Mutter Meines Fleisches kein drittes Beispiel aufzuweisen ist!
[115.12] O Chanchah, Chanchah, du hast es weit gebracht, noch weißt du es nicht, wie weit du es gebracht hast; aber die jüngste Weile wird dich in eine Tiefe versetzen, von der du nun noch keine Ahnung hast! Deine Augen sollen noch eine kurze Weile gehalten sein, damit du dann desto seliger werden sollst. Daher gedulde dich noch eine kurze Weile! Nun aber fasset euch alle; die beiden ziehen den Drachen hierher schon über die Mitte des Saales und werden sogleich mit ihm hier sein!“
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