(Am 1. März 1848)
[102.1] Borem geht zu ihm und spricht: „Bruder Martin, wie geht es dir nun mit deinem Mut? Ist er dir schon zu kurz geworden, oder wird er dir erst zu kurz werden?“
[102.2] Spricht Bischof Martin: „Ach, geh, das ist ja gerade rein zum Durchgehen! Bei diesen Chinesen scheint wohl noch so manches der altasiatischen Poesie geblieben zu sein, und das ist aber auch alles, was sie von einer geistigen Bildung innehaben. In allem Übrigen aber sind sie höchst sicher das dümmste Volk der ganzen Erde. Kaffern, Hottentotten, Madagaskaresen, Australier und Neuseeländer müssen gegen diese Glattköpfe ja wahre Platos und Sokratesse sein!
[102.3] Stelle dir vor – was meinst du, lieber Bruder, für was mich nun diese Holde Pekings hält! Ah, es ist wirklich lächerlich toll! Höre, für nichts mehr und für nichts weniger als platterdings für einen wirklichen Esel! Weißt, nicht etwa nur, wie man zu sagen pflegt, für einen allegorischen, sondern ganz im vollsten Ernst für einen wirklichen Esel! Erlaube mir, Bruder, das ist denn doch etwas zu stark!“
[102.4] Spricht Borem: „Allerdings ist das etwas Starkes, einen Hausherrn – und das einen himmlischen Hausherrn für einen wirklichen Esel zu halten! Aber da mache du dir nur gar nichts daraus. Denn siehe, nur auf diese Art konntest du ihre Anforderung an dich vollends loswerden. Und das hast du nur dem Herrn zu verdanken, der allein diese Sache so gewendet hat zu deinem und der armen Chanchah Bestem. Sei du daher nur ruhig und stecke alles geduldig ein, was dir zuteil ward; nach der rechten Weile wird sich schon alles wieder ausgleichen.
[102.5] Weißt du, mein liebster Bruder Martin, bilde du dir in der Zukunft auf deine Hausherrlichkeit nichts ein, so wirst du ums Hundertfache leichter fortkommen und alles leicht ertragen. Auch mit dieser Chanchah wirst du leichter überorts kommen.“
[102.6] Spricht Bischof Martin: „Ja, ja, du hast recht! Ich sehe nun schon ein, dass ich da nimmer Hausherr sein soll, wo der Herr eingezogen ist. Aber es pitzelt einen, weißt du, manchmal noch äußerst gewaltig danach, so ein bisschen was zu sein! Aber ich sehe es nun ganz rein ein, dass es das Allerbeste ist, gar nichts zu sein!
[102.7] Wegen der dummen Beschimpfung von Seite dieser Chinesin aber bin ich nun schon wieder ganz in der vollsten Ordnung, d. h. ich habe ihrer Dummheit alles verziehen. Aber dass ich wohl weiser Maßen mich mit ihr für die Zukunft eben nicht zu viel abgeben werde, dessen kannst du vollends versichert sein. Denn da ich schon einmal als ein Esel deklariert worden bin, so werde ich als solcher auch nicht zum zweiten Mal aufs Eis gehen!“
[102.8] Spricht Borem: „Bruder, du hast schon recht nun, aber rede nur nicht zu laut. Denn die Chanchah gibt nun auf jede deiner Bewegungen und Mienen mit den schärfsten Augen Acht. Weißt, es ist in ihr durchaus nichts Böses, aber dafür ein desto größerer Drang, über all das Heer der Mysterien ihres Landes hier im Geisterreich ins Klare zu kommen, darum sie denn auch sozusagen alles aufbietet, um hier wenigstens über den wichtigsten Punkt ihres Glaubens ins Klare zu kommen.
[102.9] Denn wie diese Chinesin, so pflegen alle jene Menschen sich hier zu benehmen, in deren Land auf der Erde oft die allerkrassesten und zahllosen Geheimnisse bezüglich des Hierseits zu Hause sind. Das ist an und für sich eine sicher sehr löbliche Eigenschaft dieser Menschen. Aber man muss mit ihnen dennoch äußerst behutsam zu Werke gehen, gleich wie mit sehr ausgehungerten Menschen auf der Erde, denen man auch nicht gleich anfangs gestatten darf, sich aus einer vollsten Schüssel nach dem großen Appetit vollsatt zu essen, sondern erst nach und nach, weil sie sonst an ihrer Gesundheit einen großen Schaden erleiden würden.
[102.10] Es ist allerdings wahr und löblich, dass diese auf der Erde in großer Finsternis gehaltenen Menschen einen nun hier unmäßigen Hunger und Durst nach der endlichen Enthüllung ihrer zahllosen Geheimnisse haben. Aber alle diese zahllosen Geheimnisse, durch die eben dieser Menschen Phantasie und Dichtergabe im höchsten Grad genährt ward, sind bei eben auch diesen Menschen mit solchen Bildern und Ideen ausgestattet, dass sie zur inneren Schöpfung geworden sind und gewisserart nahe vollends ihr gesamtes Wesen ausmachen.
[102.11] Würde man ihnen nun hier gleich mit dem reinsten Licht kommen, da würde sie dieses völlig vernichten, da es ihr eigenes Wesen so gut wie völlig auflösen möchte. Daher muss man mit ihnen nahe so verfahren, als mit einem alten, sehr schadhaften Haus, wo man auch nur teilweise mit den Ausbesserungen zu Werk gehen muss, wenn man das Haus nicht mit einem zu allgemein kräftigen Angriff vollends zerstören will. So aber ein Haus zerstört ist, da ließe sich freilich wohl ein neues in gleicher Form erbauen mit ganz neuen Bestandteilen. Aber mit einem Menschen geht es nicht also; denn da müssen alle seine Bestandteile verbleiben, ansonsten er vollends aufhört, ein und derselbe Mensch zu sein.
[102.12] Ich hoffe, du hast mich nun verstanden, und so sei nun nur auf deiner Hut, und rede und tue besonders mit diesen Chinesen nichts, als was der Herr mir und dir anzeigen wird, so wird alles in der besten Ordnung gehen. Auch musst du den Herrn wie auch mich vor diesen Menschen ja nichts laut fragen, sondern bloß nur im Herzen, und es wird dir dann schon auch ins Herz die Antwort gelegt werden, gleich wie mir, der ich auch fortwährend den Herrn frage, was hier und da zu tun ist, und der Herr mir dann auch augenblicklich anzeigt, was ich zu tun und nötigenfalls auch laut zu reden habe!
[102.13] Gebe nun nur Acht, die Chinesin naht sich dir. Denke nicht, was du reden möchtest, sondern frage nur im Herzen sogleich den Herrn, und Er wird es dir sogleich ins Herz legen, was du zu reden hast! Nun weißt du alles; handle also danach, so wird alles gut gehen. Aber beleidigen darf es dich in keinem Fall, so du von der Chanchah noch einige Mal als ein wirklicher Esel begrüßt werden wirst!“
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