(Am 18. Februar 1848)
[91.1] Auf diese Meine Rede erhebt sich der Martin schnell, fällt Mir an die Brust und küsst Mich klein ab. Als er mit solchen seinen wahrhaft kindlich-tatsächlichen Liebesbeweisen zu Ende ist, spricht er:
[91.2] [Bischof Martin:] „So, so, so! O nun geschieht es mir schon viel leichter, darum ich nun meiner zu mächtigen Liebe zu Dir doch endlich einmal ein wenig Luft gemacht habe! Wenn es auf mich ankäme, so könnte ich Dich, o Du mein liebster, heiligster Vater, eine ganze Ewigkeit so abherzen und klein abküssen. Aber ich behalte mir diese meinem Herzen allerangenehmste Beschäftigung vor, und wende mich nun sogleich an Dein Wort und führe diese Chinesen in dies Haus, unter natürlich Deiner Voranführung. Denn ohne Dich, o Herr, ist kein Schritt vor- und kein Schritt rückwärts zu machen! Und nun ans Werk!“
[91.3] Bischof Martin wendet sich nun an die hundert und spricht: „Nun, liebe Brüder und Schwestern, erhebt euch alle und geht mit mir in dies Haus! Ihr Schwächsten aber hängt euch an mich, auf dass wir alle vereint in dies nun mein Haus ziehen können; darinnen sollt ihr sogleich alle Pflege und Wartung haben. Die gar Allerschwächsten von euch aber wird schon dieser mein allmächtigster Freund übernehmen und wird sie vor mir hin in dies Haus führen.“
[91.4] „Aber, Freund“, sagen nun einige aus der Gesellschaft, „wie können wir dieses reinste Haus betreten? Siehe, wir sind ja alle im höchsten Grad unrein! Weißt du denn nicht, dass bei uns ein Gesetz besteht, demzufolge kein Haus von irgendeinem Aussätzigen betreten werden darf? Und das umso gewisser, als sonst die Todesstrafe unvermeidlich einer solchen Gebotsübertretung folgen würde. Nun bedenke, wenn die weltlichen Machthaber ein göttliches Gebot schon allsosehr respektieren, um wie viel mehr wird es hier respektiert werden. Daher belasse uns doch lieber in diesem Garten, bis wir rein werden; dann erst erlaube uns, in dies dein Haus einzuziehen!“
[91.5] Spricht Martin: „Liebe Freunde, Brüder und Schwestern! Lasst euch durch eure uralten tyrannischen Gesetze, die ihr nicht versteht samt euren Machthabern, nicht irremachen. Denn alle Gesetze der Welt gehen uns hier nichts mehr an, sondern allein ein Gottesgesetz nur, welches da ist ein ewiges Gesetz der Liebe! Dieses Gesetz aber wird euch nun soeben auferlegt und fordert von euch, dass ihr der Liebe unbedingt folgen sollt; und so tut denn nun auch sogleich willigst, was meine Liebe von euch allen verlangt!“
[91.6] Auf diese Worte erheben sich nun die hundert und gehen, aber freilich sehr bedenklichen Schrittes, mit Mir und Martin in das Haus. Als sie alle im Haus und eigentlich in dem übergroßen, majestätischen Saal sich befinden, da schreien sie laut auf vor Verwunderung und Schreck und sagen:
[91.7] [Die hundert:] „O Lama, Lama, Dalai-Lama! Das ist ja die Wohnung des ewigen Brama!? O wir Armen, o wir Armen, o wir Armen! Wir sind hier verraten und für ewig verloren! Denn es steht im Zoroasteron geschrieben: ‚Wer je die allerheiligste Wohnung des ewigen Brama unrein betreten wird, den wird der böse Ormuz angreifen und ihn dann allergrässlichst ewig martern!‘ O wehe uns, o wehe uns, o wehe uns!“
[91.8] Spricht Martin: „Ei, ei, liebe Brüder und Schwestern, was faselt ihr für leeres Zeug durcheinander! Ich sage euch auf mein Gewissen und auf alle meine Liebe, die ich euch hier will angedeihen lassen, euer gefürchteter Brama ist ein Betrüger, der seinesgleichen sucht, und ist sterblich, so wie ihr es wart! Den Lama (Gott) kennt weder der betrügerische Brama, noch euer Kaiser, wie auch keiner aus euch.
[91.9] Ich aber, mit Namen Martin, ein ehemaliger Bischof der christlichen Religion auf der Erde, und zwar in Europa, bin der wirkliche Besitzer und Eigentümer dieses Hauses nun für ewig, und [es] hat kein Brama je hierin etwas zu tun, außer er käme hierher, gleich wie ihr hierher gekommen seid, als Hilfsbedürftige. Darum seid ruhig nun und ängstigt euch nicht vergeblich. Denn in diesen wahren ewig heiligen Hallen wird nimmer jemand fallen, dem sie zu betreten nicht vorenthalten wurden.“
[91.10] Nach solcher Versicherung werden die hundert sichtlich ruhiger und können sich vor lauter Pracht und Glanz und Größe nicht genug fassen, um dem Martin auf seine Tröstungsrede einen Dank zu geben.
[91.11] Zugleich aber kommt auch schon der Borem mit Brot und Wein herbei, um die neuen Gäste zu stärken. Ich aber segne beides insgeheim. Nachdem es gesegnet ist, beides, Brot und Wein, spricht Borem zu den Gästen:
[91.12] [Borem:] „Liebe Freunde, Brüder und Schwestern, lasst euch auf die Bänke nieder und nehmt hier eine Stärkung zu euch; sie tut euch not auf eine so lange Faste. Unser Herr, Gott und Vater ist von unbeschreiblicher Liebe, Güte, Sanftmut und Geduld und erlässt euch alle Schuld, die ihr von irgendwoher an euer Gewissen gelegt habt!
[91.13] Daher sollt ihr nun froh und heiter sein und genießen ohne Furcht und Sorge, was euch dargereicht wird. Denn alles, was ihr hier genießen werdet, wird euch stärken zum ewigen Leben, wie solches auch Gott der Herr Selbst gelehrt hat, indem Er sprach: ,Das aber ist das ewige Leben, dass sie (alle Jünger) Den erkennen und erkannt haben, den Du, o heiligster Vater, in die Welt gesandt hast zur Vergebung aller Sünden!‘“
[91.14] Nach dieser guten Anrede setzten sich alle diese neuen hundert Gäste nieder, und der Borem teilt darauf emsigst das Brot und den Wein aus, und alle greifen emsigst danach, danken und verzehren alles mit großer Begierde, was da ist ein gutes Zeichen; denn mit der Begierde sie nun dieses Brot und diesen Wein verzehren, mit derselben Begierde werden sie auch hernach das noch viel geistigere Gotteswort verzehren.
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