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85. Die alte Schlange, die zwölf Gerichtsengel und der Abgrund. Der herrliche Sieg und der köstliche Preis

[85.1] Spricht Bischof Martin: „Richtig, richtig, ja, ja, du hast in allem recht! Hinter diesem Wall erschaue ich nun zwölf große Geister, jeder hat ein ungeheures Schwert in seiner Rechten. Ah, ah, ist aber das ein Schwert! Mit solch einem Schwert hiebe so ein Geist ja die ganze Erde wie einen Apfel auf einen Streich entzwei! O Tausend, o Tausend! Und die Geister sind dir aber schon so furchtbar groß, dass sie eine ganze Welt zwischen zwei Fingern kurzweg zerreiben könnten! O Tausend, Tausend, Tausend! Der Wall fängt nun auch stets wütender sich zu gebärden an! Bruder, das sieht ganz wie ein Jüngstes Gericht aus! Sapperment, sapperment!

[85.2] Aber nun bemerke ich, dass das Wasser im Kelch etwas ruhiger wird, und die ganze Badegesellschaft liegt nun unter dem trotz der Ruhe noch immer sehr stark dampfenden Wasserspiegel wie ganz tot. Man vernimmt nun auch keinen Laut mehr von ihr. Nur die zwei Boten reden nun etwas miteinander, und ich kann nicht vernehmen, was sie so ganz eigentlich miteinander abmachen. Der eine hat nun auch einen Stab in der Hand, ähnlich dem des Aaron, und hebt ihn nun in die Höhe. Was wohl wird da wieder zum Vorschein kommen?

[85.3] Aha, aha! Da, da sieh nun einmal hinaus auf den Wall; der wird nun stets größer, rückt stets näher herzu und erhebt seinen Rücken bald hier, bald dort zu einer erstaunlichen Höhe! Ah, das ist wahrlich furchtbar anzusehen! Nun merke ich auch recht deutlich den schrecklich aussehenden Kopf dieses Höllenungeheuers. Um Gottes willen, ist das aber eine Scheußlichkeit ohne Namen! Stets näher und näher rückt es!

[85.4] Nun erhebt es sein ungeheures scheußlichstes Haupt, sperrt den Rachen so furchtbar weit auf, als wollte es die ganze Schöpfung verschlingen, und richtet seinen Gang, wie ich’s nun merke, schnurgerade zum Kelch her. No, wenn es diesen packt, so wird es damit gerade einen hohlen Zahn ausfüllen können!

[85.5] Nun ist im Kelch alles in der vollsten Ruhe; aber dafür speit das fürchterliche Loch da unten an der Stelle des ehemaligen Klosters desto mehr Rauch und nun auch schon Glut und Flammen aus! O sapperment, nun ist das Ungeheuer dir keine 100 Schritte mehr vom Kelch entfernt!

[85.6] Was wird nun geschehen? Die zwölf Riesengeister halten wohl ihre fürchterlich großen Schwerter in die Höhe, aber sie hauen noch nicht drein. Ihre Augen sind beständig auf den einen Boten mit dem Aaronstab in seiner Rechten gerichtet. Dieser winkt nun dem Ungeheuer, zurückzuweichen; aber dieses richtet sich nicht danach, sondern rückt nur näher und näher an den Kelch.

[85.7] Oh, oh, das sieht dir sehr drohend aus! Wieder winkt der eine Bote mit dem Stab, aber vergeblich. Ah, wie grässlich sieht nun dieses Ungeheuer aus! Es lässt sich nicht beirren und kriecht stets näher und näher an den Kelch! Nun winkt der Bote wieder mit dem Stab, aber auch diese Abweisung ist fruchtlos.

[85.8] Oh, oh, oh – jetzt ist es mit dem Kopf schon nahe am Rand des großen Kelches und macht mit einer ungeheuer langen Doppelzunge Versuche, den Kelch umzustoßen! Aber der Kelch steht fest und lässt sich nicht im Geringsten bewegen. Auch regt sich im selben nichts, weder das Wasser noch dessen dermalige Bewohner!

[85.9] Siehe, stets zudringlicher wird diese ungeheuerste Bestie! Nun erhebt der eine wieder seinen Stab und weist die zudringlichste Bestie wieder vom Kelch ab. Aber es nützt das sehr wenig, da diese Bestie sich auf den Wink dieses Stabes gar nicht entfernen will.

[85.10] Nun taucht der eine den Stab in den Kelch und gibt ein Zeichen den zwölf mächtigsten Geistern, und diese, o weh, o weh! Diese schlagen jetzt drein! Und siehe, siehe, siehe! Diese Bestie ist nun in zwölf Teile auseinandergehauen!

[85.11] O je, o je, o je! Bruder, das ist nun ein Wüten und Toben! Wie schrecklich bäumen und krümmen sich nun die einzelnen abgehauenen Teile! Wie einzelne Berge springen sie nun auf dieser weitgedehnten Ebene herum und wälzen sich dem schauderhaften Loch näher und näher!

[85.12] Und der Kopf, o Gott, o Gott, das ist schaudervollst! Ich sage dir, der Kopf, der Kopf! Der macht Sprünge bis an das sichtbare Firmament und grinst schon in einer solch unbeschreiblichen Zornwut nach den zwölf Geistern, dass diese Großen schon nahe ein Grauen überkommt ob des zu enorm grässlichen Anblickes!

[85.13] Aber nun wird der Kopf von dem einen mit dem Stab an den Rand des Loches getrieben und auch – Gott sei’s gedankt! – hineingestürzt. Das gibt aber nun Rauch, Glut und Flammen! Oh, oh, oh, das prasselt und rasselt nun, dass es ein Grauen ist!

[85.14] Aber nun werden auch die andern elf Teile von einer unsichtbaren Macht in dasselbe Loch getrieben und stürzen unter grässlichstem Gekrache in dasselbe. Da, da gibt es nun Rauch und Flammen, als hätte man den ganzen Erdball angezündet!

[85.15] Nein, nein, nein, dieses Krachen, dieses Donnern! Freund und Bruder, ich werde nun schon förmlich sprachlos! Wahrlich, um das Grauenhafte dieses Tobens und Wütens aus diesem Loch zu beschreiben, müsste man die Zunge eines allerfeurigsten Cherubs haben! Aber es soll nun wüten und toben, wie es will! Weil diese furchtbare Bestie nur einmal in dieser sicher festweg höllischen Verwahrung sich befindet, da bin ich schon sehr froh; denn da heraus wird dieses Ungetüm doch sicher nicht so leicht wieder zum Vorschein kommen!

[85.16] Nun sind auch die beiden Boten schon wieder beim Kelch. Auch die zwölf großen Geister nähern sich nun auch dem Kelch; aber je näher sie kommen, desto kleiner werden sie. Ah, das ist auch merkwürdig! Früher waren sie solch ungeheure Kolosse, und nun sind sie kaum größer als die beiden anderen Boten! Das ist wirklich auch sehr merkwürdig!

[85.17] Nun sind sie auch schon völlig bei den zweien, und was seh’ ich? Alle verneigen sich übertief, besonders vor dem einen, der noch den Aaronstab in seiner Rechten hält! Das muss schon so ein rechter Zentralengel sein aus dem obersten Himmel!?

[85.18] Nun spricht dieser eine zu den zwölfen: ‚Brüder, hebt den Kelch nun und tragt ihn hin dort an die Pforte der Hölle! Dort setzt das Gestell über diese Pforte, auf dass dem Aufsteigen des Bösen endlich einmal ein Ziel gesetzt sei, das es nicht leicht wieder überwältigen soll, zu verderben diese arme Gesellschaft, zu deren Wiederbelebung in Mir alle Mächte der Himmel in den Anspruch genommen wurden; also tuet!‘

[85.19] Nun heben die zwölf den Kelch und tragen ihn behutsam hin. Nun stellen sie das Gestell gerade über das noch sehr stark dampfende und rauchende Loch, das aber nun keinen Rauch mehr emportreiben kann, weil es mit dem Gestell des Kelches sicher hermetisch geschlossen ist. Ah, nun schaut es in dieser Gegend schon recht lieb aus, und was ich nun noch bemerke, ist, dass sich nun die gesamte Badegesellschaft im Wasser des Kelches wieder zu regen beginnt. No, no, Gott sei’s gedankt, dass nur diese wieder zum Leben kommen!“

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