[81.1] [Bischof Martin:] „Aber siehe, nun geht der eine Frosch ganz zu den Füßen der beiden und beleckt dieselben.
[81.2] Der eine aber spricht nun zum Frosch (aufs Meer deutend): ‚Siehe, dort ist dein Element!‘
[81.3] Aber der Frosch richtet sich nun mehr auf seine Vorderbeine und quakt recht vernehmliche Worte, die so zu lauten scheinen: ‚O ihr Mächtigsten, wohl weiß ich, dass dieses erschreckliche Meer mein mehr als verdientes ewiges Strafelement ist; aber dennoch wage ich an euch die Bitte zu stellen, dass ihr mit mir armen Seele nicht nach aller Strenge des freilich gerechtesten Gerichtes Gottes verfahren möchtet! Doch nicht mein, sondern nur euer Wille geschehe!‘
[81.4] Spricht nun der eine: ‚Wir beide haben keinen Willen außer den des Herrn, der da ewig unwandelbar ist. Diesen haben wir dir kundgetan, und an dir ist es nun, dich diesem zu fügen! Siehe alsonach dort dein Element!‘
[81.5] Ah, ah, der Frosch fängt nun gar jämmerlich zu quaken an, und krümmt sich, und windet sich, und bittet nun ganz entsetzlich, dass ihn die zwei noch am trockenen Land belassen möchten, so es schon für ihn keine Gnade und kein Erbarmen mehr gäbe.
[81.6] Der eine spricht: ‚Solange du den vorgezeichneten Weg nicht wandeln wirst, kann dir nicht geholfen werden!‘
[81.7] Nun steigt der Frosch gar elend dem Meer zu und stürzt sich da in dasselbe; und nun ist nichts mehr von ihm zu entdecken, denn die große Flut scheint ihn auf ewig verschlungen zu haben. O du armer Frosch! Ich muss dir, Bruder Borem, sagen, dass mich der arme Frosch nun tiefst dauert. Aber es war ja des Herrn Wille also, und so ist es auch gut! Aber er, der arme Frosch, dauert mich dennoch!
[81.8] Nun aber geht der Alte auch ans Ufer und spricht: ‚Hat meine arme Tochter beim Herrn kein Erbarmen gefunden, so will auch ich keines und stürze mich aus Liebe für meine arme Tochter auch in ihr ewig verdammliches Los!‘
[81.9] Mit diesen Worten stürzt er sich zwar auch in das Meer, aber dieses lässt ihn nicht untergehen, da es nicht sein Element ist. Bruder, das ist merkwürdig, der geht im Wasser nun herum wie unsereiner auf trockenem Land und sucht klagend seine Tochter! Was doch da noch alles herauswachsen wird?
[81.10] Aha, aha, da sieh, nun werden auch die anderen Frösche kleiner und kleiner und steigen zu den zwei weißen Männern! Nun sind sie an ihren Füßen und belecken dieselben. Es ist wirklich überaus merkwürdig: Wie groß haben sich diese Frösche doch ehedem gemacht! Und nun sehen sie klein aus wie auf der Erde die Unkelchen sind. Hörst du, liebster Bruder, die müssen doch eine ungeheuer zähe Haut haben, dass sie bei einer solch immensen Aufblähung nicht zerborsten ist!
[81.11] Sapperment, wenn da eine in ihrer höchsten – verstehst, ich meine wie sie sich am allerärgsten aufgebläht hatte, zerborsten wäre! O jemine, o jemine, das wäre eine Explosion gewesen! Ich glaube, die hätte dieses Meer auf eine halbe Ewigkeit zurückgetrieben. Wenn auf der Erde so etwas Dehnbares, wie da die Haut dieser Frösche ist, könnte erfunden werden, da wäre es mit dem Gummielastikum rein aus!
[81.12] Du musst mir schon vergeben, liebster Bruder, dass ich mir manchmal noch solche Bemerkungen erlaube, die, weißt du, meiner Gewohnheit nach so einen humoresken Anstrich haben. Aber es bringts hier wirklich die Sache selbst mit sich, die an sich selbst betrachtet, wirklich im höchsten Grad komisch ist! So kann ich mir nun die Trillionen Falten denken, in die die Haut dieser Frösche nun zusammengeschrumpft sein wird; und das ist schon wieder komisch!
[81.13] Ich weiß es wohl, dass in den Augen des Herrn, wie auch denen eines Engels, alle diese Erscheinungen voll des höchsten göttlichen Ernstes sind. Aber dessen ungeachtet haben sie doch für unsereinen etwas oft sehr Komisches in und an sich. So hat der Herr auch sicher nicht gelacht, als Er dem Esel seine zwei langen Ohren angesetzt hat. Aber unsereiner muss ja da lachen, wenn man so einen langohrigen Philosophen ansieht, wenn man auch weiß, dass dem Esel seine zwei langen Ohren ebenso notwendig sind, als dem Vogel seine kaum sichtbaren.
[81.14] Wie es aber auf der Erde eine Menge dummscheinende und somit komische Erscheinungen gibt, so gibt es auch hier dergleichen nun genug, aber freilich nicht für alle, sondern nur für Wesen meinesgleichen. Ich werde vielleicht mit der Zeit, so hier auch noch von einer Zeit die Rede sein kann, auch an diesen Erscheinungen nichts mehr Komisches finden. Aber für jetzt und in diesem meinem Zustand ist es mir rein unmöglich, das Humoreske ganz beiseite zu setzen.“
[81.15] Spricht Borem: „Macht nichts, macht nichts, lieber Bruder! Auch ich bin kein Kopfhänger, und der Herr schon am allerwenigsten. Aber dessen ungeachtet muss die sogenannte Spottlache aus den Himmeln rein verbannt sein, weil in ihr doch eine geheime Schadenfreude versteckt ist, so wie in einer übertriebenen Neugierde.
[81.16] Aber diese deine Bemerkung über die große Dehnbarkeit der Haut dieser erscheinlichen Frösche ist nichts als eine deinem Geist angeborene Witzelei, die gar keine Bösartigkeit in sich fasst. Mit der Weile wirst du über diese deine wässrigen Witze selbst lachen, wenn du innewirst, wie wenig Gehalt sie haben. Nun aber wende dein Augenmerk nur wieder deinen Unkelchen zu und habe Acht, was da mit ihnen weiter geschieht!“
[81.17] Spricht der Bischof Martin: „Ja, ja, du hast recht; ich hätte mich beinahe verplauscht! Ich sehe sie schon! Sie belecken noch die Füße der beiden Männer, und einige quaken sie nun an, aber ich verstehe nun nichts von dieser Quaksprache. Das wird schon zu echt quakisch sein?
[81.18] Wahrscheinlich werden sie die beiden Boten auch um eine allgemeine Amnestie angehen? Aber diese scheinen sich auf diese quakische Sprache auch nicht zu verstehen und zeigen ihnen das Meerwasser. Die Fröschlein aber quakeln nun noch ärger und steigen den zweien auf die Füße; aber das nützt ihnen nichts. Die beiden bedräuen sie, und die Frösche hüpfeln nun dem Meer zu und nun – husch – in dasselbe!
[81.19] Und nun ist’s gar! Kein Frosch und kein Fröschlein ist nun mehr zu sehen. Nur die Alten stehen noch am Ufer, starren hinab in die Tiefe, um von ihren Töchtern etwa doch noch das letzte Skorpionschweifspitzel zu entdecken. Aber sie entdecken nichts, wie auch der erste nichts, der noch immer auf dem Wasser herumgeht und seine Tochter sucht. Er ruft einige zu sich und sagt, dass da das Wasser fest wäre wie ein Stein.
[81.20] Aber die anderen Alten wollen dieses Wassers Härte dennoch mit ihren Füßen nicht probieren, sondern kehren zu den zwei weißen Männern zurück, und fragen sie bittend, was denn nun aus ihren Töchtern geworden ist, ob sie nun etwa auf ewig verloren sind.
[81.21] Die beiden aber geben ihnen nun keine Antwort und begeben sich von dannen aufs Meer, und wandeln in eine weite Ferne hinaus.
[81.22] Die Alten starren nun hinaus wie Verzweifelte, und einige versuchen nun auf dringliches Zuraten des einen, ihre Füße aufs Wasser zu setzen – und siehe, es geht! Nun rennen alle hinaus und wollen den zweien nachrennen, aber es geht mit dem Rennen nicht recht vorwärts, denn die Oberfläche des Wassers muss äußerst glatt und heikel sein, weil diese alten Renner in einem fort übereinander herfallen. Der erste, der sich ins Wasser stürzen wollte, kommt so ziemlich gut fort. Aber die anderen fallen dir in einem fort hin und kommen fast gar nicht von der Stelle. No, diese werden wohl etwa auch das erste und letzte Mal auf dieses wahre Eis tanzen gehen!
[81.23] Nun möchte ich aber doch wissen, was nun so ganz eigentlich mit diesen Damen oder nun Fröschen geschehen wird. In der Hölle werden sie etwa doch nicht sein, da sie hier als wahre Statuen noch alle zu sehen sind. Wie aber nun ihr etwa doch noch außerhöllischer Zustand beschaffen sein dürfte, das wird der Herr sicher besser wissen und sehen als ich.
[81.24] Aber sage mir doch, liebster Bruder, was hat denn das alles so ganz eigentlich für einen Sinn und was für eine Bedeutung: die Froschgestalt, dieses Meer nun, das Hineinstürzen der Frösche, und dass die Alten nicht untergehen, und dass die zwei weißen Boten sich nun so weit entfernt haben?
[81.25] Siehe, ich habe das nun wohl alles mit angesehen und habe so manches daraus gelernt. Aber so ich dir den eigentlichen Sinn alles dieses nun Geschauten erläutern solle, da ginge es mir ganz verzweifelt schlecht. Sage mir daher gütigst wollend, was das alles bedeutet?“
[81.26] Spricht der Borem: „Alle – besonders weibliche Wesen, die sich dem Geistigen zugewandt haben und beten und fasten, zwar wohl des Himmels wegen, aber dabei auch die weltlichen Vorteile sehr stark berücksichtigen, erscheinen in der Abödung ihres Naturmäßigen als allerlei Amphibien, als Tiere, die sich auch in zwei Elementen aufhalten und in selben leben können!
[81.27] Das Meer stellt nun ihr Naturmäßiges dar, das ihnen bei ihren irdischen Lebzeiten mehr am Herzen lag als das Geistige. Darum auch müssen sie sich nun in dasselbe stürzen und im selben das Eitle ihrer weltlichen Bestrebungen erproben. Also stellt das Meer auch die Masse ihrer großen Dummheit dar, in die sie nun bis auf den Grund eingehen müssen, um sie als solche zu erkennen. Die Schlangenköpfe dieser Frösche bedeuten die verschiedene hochmütige Bosheit und oft kluge Berechnung zur Ausführung derselben. Die Skorpionschwänze aber bezeichnen ihr hinterlistiges Wesen, zufolge dem sie jene, denen sie schaden wollten, hinter dem Rücken packten und verwundeten. Verstehst du das?“
[81.28] Spricht der Bischof Martin: „Bruder, ich verstehe das nun sehr gut, denn ich habe dergleichen gleisnerische, ultrapapistische Machinationen auf der Erde leider nur zu viele kennengelernt und musste als Bischof dazu beide Augen fest zuschließen! Verstehst du, Bruder? Und warum? Das wirst du auch sicher wohl verstehen!“
[81.29] Spricht Borem: „O ja, o ja, nur zu gut und beinahe zu klar! Aber nun höre weiter! Die Alten, die ursprünglich dumm waren, und ihrer meistens hochadeligen Geburt wegen auch nie zu einem anderen als nur zum pfäffisch-aristokratischen Licht gelangt sind, und daher auch alle die pfäffischen Bestimmungen zumeist für echt himmlische ansahen, und ihre Töchter an solche Pfaffen mit einer starken Mitgift verkauften; diese sind nun noch viel zu dumm, als dass sie auf den Grund ihrer eigenen Dummheit eindringen könnten. Daher steigen sie auf selber herum wie der Esel am Eis und fallen in einem fort – bis auf den einen, der etwas weiser ist und sich seine Dummheit mehr dienstbar gemacht hat als die anderen. Verstehst du auch das?“
[81.30] Spricht Bischof Martin: „O ja, liebster Bruder, das versteh ich nun auch non plus ultra! Da hätten wir dann ja so einen wahrsten Aristokratenschwindeltanz vor uns!“
[81.31] Spricht Borem: „Ja, ja, so ist’s! Aber nun merke wohl auf den weiteren Verfolg dieser Szene; denn der erste Akt ist nun abgespielt und der zweite wird sogleich seinen Anfang nehmen. Da wirst du erst Dinge zu Gesicht bekommen, zu denen du sicher die seltensten Gesichter machen wirst!“
[81.32] Spricht Bischof Martin: „Freue mich schon darauf! Nun werde ich die Vorfälle auch sicher besser verstehen als ich sie bis jetzt verstanden habe; also nur zu und weiter in der Art! Nur die Entfernung der beiden Weisen hast du, liebster Bruder, mir noch zu erklären vergessen, weißt du, um die ich dich auch gefragt habe.“
[81.33] Spricht Borem: „O nein, lieber Bruder, das mitnichten; denn hier vergisst man nie etwas! Aber die Bedeutung dieser Erscheinung, wie noch gar vieles, musst du selbst suchen und finden, auf dass du eine Übung haben sollst, dich in den rein himmlischen Beschäftigungen aus dir selbst zu üben. Versuche es nur einmal und du wirst dich gleich überzeugen, wie weit deine Weisheit schon reicht!“
[81.34] Spricht Bischof Martin: „Ja so, ja so; das ist freilich etwas ganz anderes! Weißt du aber nun, da du mir schon die anderen Dinge erläutert hast, so geht es nun mit dieser Erklärung freilich eben nicht zu schwer, wie es mir nun vorkommt. Ich denke darüber nun so:
[81.35] Die zwei Weisen sind gleich wie ein himmlisches Öl. Und diese alten, dummen Aristokraten sind wie ein irdisches Pechöl, das da überaus schmutzig ist und ganz verzweifelt stark stinkt. Dass das himmlische Öl neben diesem Pechöl nicht länger aushalten kann, das wird etwa wohl mit den Händen greiflich sein?!“
[81.36] Spricht Borem: „Richtiger als du es nun noch selbst zu fassen imstande bist; aber was du nun noch nicht bis auf den Grund des Grundes fasst, das wirst du in der Folge fassen. Daher denke nun nicht weiter über diese Sache, sondern wende deine Augen nun wieder in das Hinterhaupt dieser Dame; da wird sich dir bald die vollste Löse von selbst darbieten.“
[81.37] Spricht Bischof Martin: „Bruder, bin schon dabei, bin schon ganz vollkommen dabei! Bis jetzt ist zwar noch alles beim Alten; aber das macht nichts, es wird schon kommen; ja, ja, dort kommt schon was!“
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