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80. Gleichnis vom Weizen und den Distelsorten. Erwachen der Liebe Martins zum Herrn. Fortsetzung der Szene mit den Herz-Jesu-Damen

[80.1] Spricht Borem: „So, so ist es recht; allein des Herrn allerbester und allerweisester Wille geschehe! Die Disteln sind offenbar schlechter als der Weizen, der da schon so gut ist, wie er sein muss. Aber gehe du alle Weizensorten der Erde durch, und du wirst in ihnen wenig Unterschied finden. Gehe aber auch alle Distelsorten durch, und du wirst obenan die herrliche Ananas finden und neben ihr die heilkräftige Aloe und neben der die überzuckerstoffreiche Feigendistel Afrikas!

[80.2] Wie töricht wäre es darum, das Geschlecht der Disteln zu verdammen, da doch die Natur zeigt, welcher Veredlung sie fähig sind! Der Weizen bleibt Weizen, aber die Distel kann zur Ananas erhöht werden!

[80.3] Also blieb ein Petrus, ein Jakobus, ein Andreas usw. das, was sie seit ihrer Entstehung waren, nämlich ein reiner Weizen in der Scheune des Herrn. Unter diesem Weizen aber stand auch eine sehr stachlige, wilde Distel; sie hieß Saulus! Und siehe, der Herr veredelte sie zur herrlichsten Ananas, zur köstlichsten Frucht der Erde!

[80.4] Siehe, was aber der Herr einmal tat, das tut Er noch! Daher sagen wir allzeit aus dem vollsten Grund unseres Lebens: O Vater, Dein heiligster Wille geschehe!“

[80.5] Bischof Martin ist zu Tränen gerührt und spricht: „Ja, ja, du mein lieber Bruder, ewig nur Sein heiligster Wille! Oh, wenn ich Ihn jetzt da hätte, da möchte ich Ihn nun schon so an mein Herz drücken, dass ich darob völlig mich auflösen könnte! O Du, mein guter Herr Jesus Du, komme, komme zu uns beiden!“

[80.6] Spricht Borem: „Bruder, nun erst bist du auf den rechten Weg gekommen. Jetzt erst hast du angefangen, Christus anzuziehen! Ich sage dir, du gehst nun einer herrlichen Löse entgegen! Bald wirst du es erfahren, was es heißt: ‚Kein Auge hat es je gesehen und keines Menschen Sinn empfunden, was der Herr denen bereitet hat, die Ihn lieben!‘ Du aber hast nun Liebe zum Herrn in deinem Herzen erweckt, die allein bei Ihm etwas gilt. Gebe nun Acht, was mit dir bald vor sich gehen wird, so du in dieser Liebe verharren und wachsen wirst! Sehe aber nun ein wenig nach der Tafel hin und sage mir, was du nun dort ersiehst!“

[80.7] Bischof Martin sieht nun eilends sich nach der Tafel um und erschrickt, als er diese heller denn eine Sonne erglänzen sieht und inmitten des großen Glanzes die Worte liest: ‚Bruder, verharre nur noch eine kurze Weile und Ich werde bei dir sein!‘ Als er solches alles mit staunender Freude erschaut, spricht er:

[80.8] [Bischof Martin:] „O Bruder, ich empfinde nun eine Wonne, von der ich noch nie eine auch nur allerleiseste Ahnung gehabt habe! Was wird daraus erst in der Folge werden, wenn die Sache so vorwärtsgehen wird, wie ich’s nun in meinem Herzen empfinde, da es stets mehr in der Liebe zum Herrn Jesus sich entzündet?

[80.9] Ja, ich sage dir, nun bin ich dir in den Herrn Jesus aber schon so verliebt, dass ich mir vor lauter Liebe gar nicht zu helfen weiß! Ja, ich könnte Ihn – ich möchte Ihn – ja, ich, ja ich könnte mich vor lauter Liebe ganz in Ihn hineinverbeißen!

[80.10] O Du liebster, liebster, liebster Jesus Du, jetzt sehe ich erst so recht ein, wie unendlich weise und gut Du bist. Und diese Einsicht wird bei mir nun eine Klarheit, während sie früher nur so war wie ein etwas hellerer Traum!

[80.11] O Bruder, wie freue ich mich nun darauf, wann der Herr zu uns kommen wird und wird uns sichtlich helfen, diese unsere nun noch sehr starren oder wenigstens starr aussehenden Gäste in die rechte Ordnung zu führen!“

[80.12] Spricht Borem: „Ja, Bruder, das wird auch geschehen, sobald diese Damen das Allergröbstmaterielle werden abgelegt haben. Daher fasse dich nun wieder, und betrachte die Szene weiter, und sage mir treu, was da alles vor sich geht. Denn war diese bisher belehrend, interessant, so wird sie in ihrem weiteren Verlauf noch ums Hundertfache mehr belehrender und interessanter sein!“

[80.13] Bischof Martin richtet seine Sehe nun wieder in das Hinterhaupt der Herz-Jesu-Damen und ersieht, dass sich alles noch so befindet, wie es sich früher befunden hatte, bevor er seine Sehe davon abgewendet hatte, zu reden darüber mit Borem und zu besehen die strahlende Tafel.

[80.14] Aber nun wendet sich der Alte wieder an den einen der zwei weißen Männer. Bischof Martin horcht mit großer Aufmerksamkeit, was da weiter verhandelt wird, und spricht nach einer Weile:

[80.15] [Bischof Martin:] „Schau, schau, der Alte ist gar nicht dumm! Er bittet die beiden Boten, sie möchten wenigstens seine Tochter durch ihre Macht aus dieser Scheußlichkeit erlösen, auf dass er dann an ihrer Seite sogleich in den Himmel kommen könnte; denn hier wäre ihm nun schon ganz entsetzlich fad und langweilig. Er sehe wohl ein, dass die beiden recht und gerecht nach dem Willen des Herrn handelten. Aber es befalle ihn nun dessen ungeachtet ein äußerst stinkend fades Gefühl und eine ganz verzweifelte Langweile, der er in aller Kürze den Rücken zuwenden möchte.

[80.16] Der Alte ist gar nicht dumm für seinen Sack, wie man zu sagen pflegt! Aber die beiden weißen und weisen Männer scheinen nicht seiner Meinung zu sein. Denn sie geben darauf mit dem Haupt ein sehr verneinliches Zeichen und der eine sagt nun:

[80.17] ‚Freunde! Geduld ist des Lebens erste Regel und das hier im Geisterreich so gut wie auf der Welt! Alles hat seine Zeit und alles seine Weile! Fahrt ihr alle aber fort, in euren Herzen die Liebe und ein lebendiges Vertrauen auf den Herrn stets mehr und mehr zu beleben, so werdet ihr so schnell als möglich zur wahren Erlösung aus diesem Jammerzustand gelangen.

[80.18] Aber unsere Macht kann euch in dieser Hinsicht weder um ein Haar vor- noch um ein Haar rückwärts helfen. Denn solches müsst ihr wissen, dass hier nie jemand weder durch vermeintliche gottwohlgefällige Verdienste noch durch ein vermitteltes oder unvermitteltes Erbarmen des Herrn in den Himmel kommt, sondern allein durch die eigene freie Liebe zum Herrn und durch die daraus hervorgehende Gnade des Herrn Jesu Christi, der da ist der alleinige Herr und Gott Himmels und aller Welt! Das alles da ist Sein Werk!

[80.19] Merkt aber das: Es gibt nirgends einen Himmel außer in euch; diesen müsst ihr selbst öffnen, wollt ihr in ihn eingehen! Denn das Leben muss ein freies sein, so es ein Leben sein soll. Ein gerichtetes Leben aber ist kein Leben, sondern nur ein Tod!

[80.20] So wir euch aber nun frei machten durch unsere Macht, da würdet ihr nicht frei, sondern gerichtet sein und somit nicht lebendig, sondern durch und durch tot! Sagt, wäre euch mit solch einer traurigsten Hilfe wohl gedient?‘

[80.21] Die Alten kratzen sich nun sehr stark hinter den Ohren und scheinen die Belehrung nicht so ganz aus der Wurzel zu fassen.“

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