[67.1] Als Bischof Martin aus der Tür seines Hauses tritt, erschaut er den Garten um sein Haus sehr erweitert und in einem überaus blühenden Zustand, was ihm eine ungemein erstaunlich große Freude macht; also ersieht er auch wieder des Herrn Wohnung in großer Nähe gegen den Morgen zu, was ihn noch ums Unvergleichbare seliger stimmt. Aber er sieht sich nach allen Seiten um und ersieht niemanden, der ihn draußen erwartete. Das macht unseren Martin schon wieder ein wenig stutzen; aber er verliert diesmal seinen Mut wie auch seine Geduld nicht und geht in den Garten, Mich, den Herrn, aufzusuchen, da er meint, Ich werde Mich da irgend verborgen halten, um möglicherweise etwa von der großen Gesellschaft durch ein Fenster nicht gesehen zu werden.
[67.2] Martin durchsucht emsigst den Garten und da er Mich dennoch nicht findet, so spricht er bei sich: „Das sieht schon wieder so einer kleinen himmlischen Ansetzerei gleich! Aber das macht nichts, wenn nur ich meiner erkannten Pflicht nachkomme. Mag der Herr entweder Selbst oder ein Abgesandter von Ihm tun, was Er will, das ist mir nun schon alles eins. Ich könnte freilich wohl zu Ihm hin in Seine Wohnung gehen, aber dazu habe ich keinen Auftrag. Denn auf der Tafel stand nur: ‚Martin, komme heraus; denn Ich habe Nötiges mit dir abzumachen!‘ Draußen bin ich nun einmal, meinen Auftrag habe ich genau erfüllt. Hat mich der Herr umsonst herausgerufen, so geht mich das nichts an, ich bin einmal da.“
[67.3] Nach diesen Gedanken schlendert Bischof Martin weiter in dem sehr ausgedehnten Garten herum und entdeckt ganz am Ende des Gartens einen Gärtner, der gerade ein kleines Bäumchen ums andere in das Erdreich setzt. Diesem fleißigen Gärtner geht er zu; und als er in seine Nähe kommt, erkennt er sogleich seinen Buchhändler Borem und spricht voll Freuden: „O Bruder, o Freund! Wie oft habe ich schon bereut, dass ich dich so grob und so arg beleidigt habe! Vergebe es mir und werde mein ewig unzertrennlicher Führer! Denn siehe, ich erkenne nun in der Fülle mein Unrecht gegen dich – und besonders gegen die Güte des Herrn!“
[67.4] Borem sieht sich um und begrüßt freundlichst den Bischof Martin mit den Worten: „Sei mir gegrüßt, mein lieber Bruder Martin! Es macht dem Herrn eine rechte Freude, dass du frei aus dir selbst Gutes getan hast. Darum aber hat der Herr mich auch hierher beschieden, dass ich dir diesen deinen Garten zurechtbringe und ihn erweitere, wie du dein Herz zurechtgebracht hast und hast es sehr erweitert in der Liebe. Fahre so fort in dem Namen des Herrn zu wirken, so wirst du dich der Wiedergeburt deines Geistes mit Riesenschritten nahen!
[67.5] Ich aber bleibe bei dir nun, dieweil du mich selbst in deinem Herzen verlangtest, und will dir beistehen und helfen, wo es dir nur immer nottun wird. In deinem Haus gibt es nun eine große Arbeit. Diese wird uns noch sehr viel zu schaffen machen. Aber wann der Kampf am ärgsten sein wird, dann wird auch ein glänzender Sieg am nächsten sein.
[67.6] Nun bin ich auch mit dem Einsetzen der Bäumchen fertig. Lass uns daher zu denen gehen, die unserer Hilfe bedürfen! Sie sind zwar von dir schon tüchtig bearbeitet, ungefähr wie dieser Garten nun; aber dessen ungeachtet wird es noch ziemlich viel brauchen, bis alle die tausend Bäumchen vollreife Frucht zum Vorschein bringen werden.
[67.7] Liebe und Geduld aber überwinden alles! Daher gehen wir nun getrost ins Haus und beginnen sogleich unser gerechtes Werk im Namen des Herrn!“ Borem und Martin gehen nun sogleich ins Haus.
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