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66. Mehr Licht und eine Herz- und Hauserweiterung. Des Herrn Ruf an Martin

[66.1] Fragt der Minorit: „Wo, Bruder, wo ist dein ausgesprochenes besseres Licht? Wohin wirst du uns führen, dass wir es erschauen?“

[66.2] Spricht Bischof Martin: „Folgt mir hierher in die Mitte dieses großen Saales! Seht, dort befindet sich ein überaus wahrhaft göttlich kunstvoller tellurischer und astronomischer Mechanismus! Da wollen wir zuerst die Erde, die wir bewohnt haben, näher betrachten und von ihr uns dann zu den anderen Planeten und endlich zur Sonne selbst uns begeben. Allda werdet ihr so manches erschauen, was euch allen bisher ein Rätsel war. Also nur vorwärts!“

[66.3] Alles bewegt sich nun auf die bezeichnete Stelle und umgibt dieselbe in dichten Reihen. Auch die Herz-Jesu-Damen schleichen ganz langsam nach, um zu sehen und zu hören, was alles da verhandelt wird und wie etwa das vom Bischof Martin bezeichnete bessere Licht aussehen wird.

[66.4] Der Bischof Martin bemerkt das und spricht ziemlich laut: „Was schleicht ihr weisen Damen uns denn nach, wie auf der Welt irgendeine geheime Polizei? Da ist nichts mit der geheimen Polizeischaft! Wollt ihr euch dem besseren Licht mit uns, euren Brüdern und Schwestern, zuwenden, so geht offen und freudig wie wir! Geheime, spitzelhaftige Schleicherei wird hier nicht geduldet! Verstanden?“

[66.5] Als die Herz-Jesu-Damen solches vernehmen, da machen sie halt und sagen: „Freund, sei nicht zu ärgerlich über uns! Denn so du es weißt, dass wir dumm und schwach sind und sicher verleitet – wie es sicher du selbst warst und hast sicher auch nicht gleich beim Eintritt in diese Welt alles für bare Münze angenommen, was dir gesagt wurde –, da habe doch einige Geduld mit uns Armen, wir bitten dich darum! Wir haben von dir bis jetzt noch keinen löblicheren Namen als ‚dumme Greteln‘ nur erhalten und wir haben uns darüber nicht beschwert. Dass wir unseren Orden in den Schutz nehmen, das wird doch etwas gar so Schlechtes nicht sein? Du, lieber Freund, aber bist uns sehr hart gekommen, und wir ertrugen es, wenn wir schon ein wenig murrten. Wir bitten dich aber nun, vergebe uns, und sei nicht mehr gar so hart gegen uns arme Sünderinnen!“

[66.6] Spricht Bischof Martin: „Ah, diese Sprache von euch gefällt mir schon besser als die französische. Wann ihr mir so kommt, da kommt nur mutig und freudig zu mir her und überzeugt euch von allem, was hier ist, geschieht und fürder geschehen wird!“

[66.7] Die Herz-Jesu-Damen kommen nun schneller herbei und fangen an, sich nicht wenig zu verwundern, als sie dieses großen und kunstvollsten Mechanismus ansichtig werden. Die Jesuiten umstehen sogleich den Erdglobus und schlagen die Hände vor lauter Verwunderung über dem Kopf zusammen, dass dieser Globus der wirklichen Erde so getreu nachgeformt ist, dass auf demselben auch nicht die geringste Kleinigkeit mangelt. Die Minoriten gucken mit gleichem Erstaunen diesen Globus an, ebenso auch die Liguorianer. Die Franziskaner bewundern mehr das Planetensystem und den Glanz der Sonne, die hier ebenso viel Licht verbreitet, als zur Erleuchtung des ganzen Planetenmechanismus vonnöten ist. Diese Sonne gefällt auch den Barmherzigen Schwestern und den Schulschwestern am besten. Kurz, alles bewundert diese Einrichtung, und der Bischof Martin macht, so gut er’s kann, einen eifrigsten Erklärer dieser himmlischen Merkwürdigkeit, wobei ihm aber manchmal freilich ein sarkastischer Witz über die Erscheinungen auf der Erde nicht auf der Zunge steckenbleibt.

[66.8] Nachdem diese ganze große Gesellschaft sich eine geraume Zeit bei diesem Erd- und Planetenmechanismus aufhält und sich vom Bischof Martin unterweisen lässt, wird es auf einmal bedeutend heller in dem Saal und er kommt nun sogar dem Bischof Martin viel größer vor, als er ihm früher im sehr gemäßigten Licht vorgekommen ist. Die Gesellschaft bemerkt das auch und fragt den Bischof Martin, woher nun mehr Licht und durch was diese so bedeutende Erweiterung des Saales komme.

[66.9] Bischof Martin spricht: „Meine lieben Freunde und Brüder und Schwestern! Das muss euch hier nicht zu sehr befremden. Denn da verändert sich nur zu leicht alles, was einmal in einer gewissen Art und Gestalt zum Vorschein kommt. Habt ihr, als ihr hierher kamt, nicht bemerkt, wie klein dies Haus von außen aussah, und wie groß war es dann von innen! Seht, das ist doch schon sicher ein Wunder! So ist auch nun diese Erscheinung nichts als ein Wunder, das wir zwar alle nicht verstehen; aber dem Herrn dennoch etwas überaus Leichtes ist, es zu bewerkstelligen.

[66.10] Ich meine aber, da ihr alle nun eine schon etwas bessere Erkenntnis angenommen habt, so lässt der Herr auch mehr Licht zu uns kommen. Und da sich unsere Begriffe über Ihn nun etwas erweitert haben, so hat auch Er uns diese sichere Wohnung entsprechend erweitert, auf dass wir alle in ihr einen desto hinreichenderen Platz haben sollen. Oh, über derlei Erscheinungen muss man sich hier im eigentlichen Wunderreich gar nicht zu sehr wundern; denn hier werden nicht zuerst die Kirschen, dann die Pflaumen und bald darauf Zwetschgen zeitig, sondern hier geschieht alles nur nach der Reife unserer Herzen durch die Allmacht, Liebe und Weisheit des Herrn!

[66.11] Aber nun erschaue ich dort auf der runden Tafel auch auf einmal eine ganz neue, stark glänzende Schrift! Muss doch sehen, was da oben steht!“ Bischof Martin bewegt sich sehr behände zur Tafel und liest: „Martin, komme heraus, denn Ich habe Nötiges mit dir abzumachen! Die ganze Gesellschaft aber soll sich unterdessen ruhig verhalten. Komm, es sei!“ Bischof Martin macht ganz selig der Gesellschaft kund, dass sie sich ruhig nun verhalte, was sie auch genau befolgt. Er aber will dann sogleich dem Ruf auf der Tafel nachkommen.

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