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61. Rede der Herz-Jesu-Damen. Deren Verirrungen und Torheit. Martins Belehrungsversuch

(Am 14. Dezember 1847)

[61.1] Die Schulschwestern treten nun etwas murrend zurück, und die Herz-Jesu-Damen treten hervor und beginnen sogleich folgende Rede zu führen, sagend: „Allerhochehrwürdigster Herr, Herr! wir sind ‚Damen‘ des allerersten Damenordens der Welt, in welchen Orden nur Mädchen von sehr reichen, angesehenen und adeligen Häusern aufgenommen werden, allwo sie alles lernen können, was es in der Welt nur immer zu lernen gibt!“

[61.2] (Bischof Martin bei sich: „Nicht übel, die fangen schon gut an, gerade so wird’s der Herr sicher am besten brauchen können, oder was anderes?“)

[61.3] [Die Herz-Jesu-Damen:] „Alle Sprachen, Musik, Tanzen gleich einer Taglioni oder Elßler, allerlei andere Gymnastik, als Fechten, wo möglich und tunlich auch das Reiten; dann Zeichnen, Malen, allerlei Kunststickereien und Kunstnähereien! Daneben natürlich werden auch alle anderen Wissenschaften traktiert, als die vollkommene Geographie, Trigonometrie, Mathematik, Physik, Astronomie, Geschichte, Nautik, Hydraulik, Geometrie, Stereometrie, Poesie in den nobelsten Sprachen Europas und dergleichen noch eine Menge anderer nützlicher Gegenstände.

[61.4] Kurz und gut, in unserem Orden werden aller Welt Wissenschaften gelehrt und aller Welt Künste geübt – natürlich nur, so es verlangt und dafür gezahlt wird. Die übrige Zeit aber wird natürlich mit Beten, Singen, mitunter auch mit Fasten zugebracht, täglich eine Messe gehört und wöchentlich dreimal Beichte und Kommunion. Auf die Übertretung der strengen Ordensregeln sind auch angemessene scharfe Strafen gesetzt, welche wohl allzeit leider genauer beobachtet werden als die Ordensregeln selbst!“

[61.5] (Bischof Martin bei sich: „Schau, bin doch auch ein Bischof gewesen, aber die Geheimnisse dieses Ordens habe ich nie so ins Detail eingesehen wie eben jetzt! Ah, an diesem Orden muss der Herr ja eine ganz besondere Freude haben!?“)

[61.6] [Die Herz-Jesu-Damen:] „Du lieber, allerhochwürdigster Freund, du siehst daraus –“

[61.7] (Bischof Martin bei sich: „dass ihr die dümmsten Gänse seid!“)

[61.8] [Die Herz-Jesu-Damen:] „welch schwere Regeln unser allerstrengster Orden hat und welche Größe“

[61.9] (Bischof Martin: „der Dummheit“)

[61.10] (Die Herz-Jesu-Damen:) „von Selbstverleugnung dazu gehört, alle diese tausend schwersten Regeln genau zu beobachten. Ja, ich sage dir, nur wahre Riesen“

[61.11] (Bischof Martin: „von Narren“)

[61.12] [Die Herz-Jesu-Damen:] „von Geistern gehören dazu, um alle diese schwersten Regeln zu beobachten! Und dennoch haben wir alle wie wahre Heldinnen ums Himmelreich alle diese Regeln genauest beobachtet und haben geglaubt, der Himmel kann uns auf diese Art unmöglich entgehen!“

[61.13] (Bischof Martin bei sich: „Da gehört wirklich ein sehr starker Glaube dazu!“)

[61.14] [Die Herz-Jesu-Damen:] „Aber da siehst du uns jetzt nach einigen Millionen von Erdjahren noch ganz so elend, als wie wir uns zum ersten Mal hier in dieser Geisterwelt befanden. Dies dein Haus ist der erste herrliche Gegenstand, der uns in dieser Welt noch zu Gesicht gekommen ist. – Frage: Ist das wohl auch eine göttliche Gerechtigkeit?!“

[61.15] (Bischof Martin: „O nirgends mehr als eben hier bei euch dummen Gänsen!“)

[61.16] [Die Herz-Jesu-Damen:] „Anstatt, dass man uns den wohlverdienten Himmel gegeben hätte, mussten wir nur von einem ganz roh und ungebildet aussehenden, echten, gemeinsten Bauernbengel die Worte anhören, als wir bei einer Pforte anklopften, über der es geschrieben stand ‚Tür in den Himmel‘: ‚Zurück mit euch, ihr dummen und törichten Jungfrauen! Warum habt ihr eure Lampen nicht zuvor mit Öl gefüllt!‘“

[61.17] (Bischof Martin bei sich: „Nicht mehr als billig! Diese Gänse könnte ich schon beinahe selbst aus diesem Haus treiben!“)

[61.18] [Die Herz-Jesu-Damen:] „Darauf verschwand diese Himmelspforte und wir waren sogleich von einer Menge kleiner Teuferl umringt, die da aussahen wie Irrlichter; und diese Teuferl hüpften fortwährend um uns herum und neckten uns jämmerlich durch die ganze endlose Zeit, bis wir erst vor kurzem diese gegenwärtige Gesellschaft trafen auf unserer schon nahe ewigen Flucht!

[61.19] Was sagst du, liebster, allerhochwürdigster Freund dazu? Was ist das, was sollen wir denn tun, um möglicherweise vielleicht doch einmal in einen etwas besseren Stand zu gelangen? Oh, rate uns, du liebster, hochwürdigster Freund!“

[61.20] Spricht Bischof Martin ganz lakonisch-ironisch: „Ah, ah, ah, da hat euch der Herr freilich sehr Unrecht getan! Denn ihr habt doch genau nach dem Evangelium gelebt! Ah, ah, das muss ich sagen, da ist der Herr Jehova Jesus sehr ungerecht, wenn Er auf die sehr evangelischen Regeln eures Ordens den Himmel verheißen hat – und ihn hernach nicht geben will!? Das könnte man von Ihm sogar impertinent und très mal [lausig] nennen! So zarten und doch so übergelehrten Herzerln den Himmel versagen – ah, das ist doch alles, was man sagen kann!? Es müsste nur sein, dass ihr vielleicht heimlich untereinander sodomitische Unzucht getrieben hättet? Oder ihr hättet etwa neben euren tausend gelehrten Ordensregeln die beste christliche Regel der Nächstenliebe ganz hintangesetzt?!“

[61.21] Spricht eine andere, stark französisch sein wollende Dame: „Ah non, all non, mon ami, mer leben schon all’ sehr Keußeit, ond Religion habe mer auch sehr gehabt! O mon dieu, was brauk man plus pur le Imel? Der Näkstelieb sein les ous, und den sodomitißen Onzukt könn mer nikt, we sein der für Fih!? Mer habe urdenlik geleben oud verstege, mon ami, keiß wie den Blumen! Was will mer plus Monsieur Jesu Christ?“

[61.22] Spricht Bischof Martin: „Ich bitte dich, höre mir um Gottes willen auf mit dieser Sausprache! Bist doch eine Deutsche und kannst aus lauter Sprachmodedummheit deine Muttersprache nicht reden? Glaubst denn du, so eine deutsche Franzosengretl wird hier in den Himmel kommen? Ich sage dir, du extra dumme Gans, da hat’s noch lange Zeit! Nein, das ist mir noch nicht vorgekommen! Geister sogar anderer Planeten haben mit mir ganz rein deutsch gesprochen, und dieser dummen Herz-Jesu-Dame gefällt noch’s Französische besser, als deutsch mit einem Deutschen zu reden! Warum hat denn deine Vorgängerin, die doch eine geborene Lyonerin ist, mit mir gut deutsch reden können, und warum du stolze Gans nicht?!“

[61.23] Spricht die Dame: „O Freund, weil ich glaubte, mich dadurch bei dir recht einzustellen!“

[61.24] Spricht Bischof Martin: „Das war wohl ein ganz dummer Glaube gleich dem, durch den ihr alle für eure grenzenlose Dummheit von Gott den Himmel erwartetet! Meint ihr, der Herr hat den Himmel für solche dummen Gänse gemacht? Oh, da seid ihr in einer sehr großen Irre! Ich sage euch: Eher kommen alle Esel und Ochsen hinein denn ihr! Merkt euch das, und geht dort in den hintersten Winkel und lernt zuerst die Demut! Dann erst kommt und fragt, ob für euch irgendeine Kuhmagdstelle im untersten Himmel zu vergeben sein wird – woran ich sehr zweifle. Geht, wohin ich euch beschied!“

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