[50.1] Spricht der Mondbewohner: „Freund, du redest und fragst, wie du es verstehst, und ich antworte dir nach meiner Art! Nach dir zu urteilen, muss der allerhöchste Gottesgeist euch freilich wohl von außen mit einem Prügel in der Hand unterrichtet haben. Denn für einen innern, geistigen Unterricht scheinst du bis jetzt noch viel zu stumpf zu sein, und höchstwahrscheinlich auch deines Weltkörpers fast gesamtes Menschengeschlecht!
[50.2] Meinst denn du wohl im Ernst, der höchste, allmächtige Gottesgeist hat den Menschen als Sein vollkommenstes Geschöpf wie einen leeren Sack gestaltet, in den man zuvor erst etwas hineintun muss, wenn man etwas darinnen haben will? O siehe, da bist du in sehr großer Irre!
[50.3] Der Mensch eines jeden Weltkörpers hat einen unendlichen Weisheitsschatz schon in sich! Dieser darf nur durch ein taugliches Mittel geweckt werden, so treibt er sofort von selbst die herrlichsten Früchte. Für ein solches Weckmittel aber sorgt schon der erhabenste Gottesgeist.
[50.4] Hat der Mensch so ein Mittel nicht in den Wind geschlagen, sondern sogleich bei sich selbst in Anwendung gebracht, so wird er aus seinem eigenen Samen zu keimen, zu wachsen und endlich zu reifen anfangen, und es bedarf da keines Unterrichts von außen her, sondern lediglich von innen heraus.
[50.5] Denn alles, was von außen her zum Menschen gelangt, ist und bleibt ewig ein Fremdes und kann dem Empfangenden keine wahre, bleibende, eigene Weisheit geben, sondern eine Weisheit nur gleich einer Schmarotzerpflanze, die dem Leben nie hilft, sondern dasselbe nur verkümmert und es am Ende ganz verdirbt, weil es als ein Äußeres stets nach außen sich wendet statt nach innen, dem Wohnsitz des eigentlichen, wahren, ewigen Lebens aus Gott, dem allerhöchsten Geist!
[50.6] Siehe, also auf diesem Weg kommen wir zu unserer Weisheit, nämlich lediglich von innen aus und nicht von außen herein! So ihr aber auch eines äußeren Unterrichts bedürft, da müsst ihr sehr verstockte Wesen sein und überaus sinnlich und daraus gröbst sündhaftig, also Gegner der göttlichen Ordnung und so sicher das Gegenleben in euch selbst. Da freilich muss der A wie der B und C usw. blind sein und bleiben, wenn kein äußerer Unterrichtswind ihn weckt!
[50.7] Hier hast du die Antwort auf deine Frage auch äußerlich. Denn für eine innere scheinst du noch lange keine Fähigkeiten zu besitzen, wovon deine Frage ein sicherer Beweis ist! Magst aber darum schon weiter fragen!“
[50.8] Das Gesicht des Bischof Martin wird nach dieser Rede des Mondbewohners noch länger, indem er nun einsieht, dass er mit seiner Weisheit neben der Weisheit des Mondbewohners nicht aufkommen kann. Er denkt daher nun bei sich nach, was er tun soll, um dem Mondpärchen zu beweisen, dass er als ein Erdbewohner dennoch am Ende der Weisere sei. Er denkt wohl hin und her, aber es will ihm durchaus nicht so etwas recht Gescheites einfallen.
[50.9] Er wendet sich daher an Mich und spricht: „Herr! Lasse mich doch nicht so ganz im Stich und helfe mir, diesen zu überweisen Mondbewohner überwinden und ihm zeigen, dass auf Deiner Erde die Menschen geradeweg auch keine Tannenzapfen sind! Der verarbeitet mich ja auf eine Art, dass ich ihm nun auf Tausend nicht Eins antworten könnte. Und doch soll ich sein Herr sein und mit der Weile der Leiter dieser ganzen Welt!
[50.10] Das möchte sich mit der Zeit machen, so die Bewohner aller der bisher mir vorgestellten Welten zu mir als ihrem Herrn kämen und mir zeigten, dass ich aus der ganzen Schöpfung der allerdümmste Kerl bin! Ich denke, um dieser Schmach vorzubeugen, wäre es nötig, ihnen gleich anfangs durch eine überwiegende Weisheit zu zeigen, dass man vollends ihr Meister ist, dann würden sie es in der Zukunft wohl bleiben lassen, unsereinem gar so schulmeisterisch zu kommen und zu behandeln wie einen Abc-Schützen!“
[50.11] Rede Ich: „Höre, du Mein lieber Martin! Meinst du denn, du werdest durch eine triftige Gegenmundwetzerei solchen echten Weisen den Mund stopfen? Oh, da bist du in einer sehr großen Irre. Siehe, wie es nur eine Wahrheit gibt, so gibt es auch nur eine Weisheit, die gleich einer ewigen Festung unüberwindlich dasteht. So dieser Mondbewohner dir aber mit der einzigen rechten Weisheit entgegenkam, sage, mit welcher noch größeren Weisheit wolltest du ihn dann bekämpfen?
[50.12] Siehe, da gibt’s einen ganz anderen Weg, diese Geister sich gefällig, dienstfertig und liebuntertänig zu machen, als der, den du meinst. Der rechte Weg heißt Liebe, Demut und eine große Sanftmut! Durch diese drei allerersten und allerwichtigsten Lebensstücke kommt man endlich auf den Punkt, allen diesen zahllosen Sternenbewohnern auf das Allerkräftigste zu begegnen.
[50.13] Die Liebe lehrt dich, allen diesen Wesen wohlzutun und sie so glücklich als möglich zu machen. Die Demut lehrt dich, klein sein und sich über niemanden – möchte er noch so unbedeutend scheinen – hochmütig zu erheben willens sein, sondern sich selbst stets als den Geringsten betrachten. Und die Sanftmut lehrt dich, jedermann stets gleich wohlwollend zu ertragen und aus dem innersten Herzensgrund bemüht sein, jedem zu helfen, wo es ihm nottut. Und das allzeit durch jene sanftesten Mittel, durch die ja niemand im Geringsten in seiner Freiheit beirrt werden kann; und werden hie und da ernstere Mittel vonnöten, so muss hinter ihnen nie etwa eine Strafsucht oder gar richterlicher Zorn stecken, sondern allzeit die allerhöchste und reinste, sich selbst nie berücksichtigende Liebe!
[50.14] Siehe, das sind die Dinge aller himmlischen Meisterschaft, diese müssen dir vollends eigen sein, dann wirst du mit diesen Mondbewohnern schon besser daraus kommen. Kehre daher noch einmal zu dem Pärchen zurück und versuche dich in dieser himmlischen Art mit ihm; vielleicht wirst du dann mit ihm leichter überorts kommen! Gehe und tue also; es sei!“
[50.15] Bischof Martin wendet sich nun wieder an das Mondpärchen und spricht: „Höre, du mein lieber, kleingroßer Freund, ich habe nun deine sehr weisen Worte wohl erwogen und daraus ersehen mit der Gnade des Herrn, dass du wirklich in allem dem, was du geredet, vollkommen recht hast, aber dessen ungeachtet habe ich dennoch eine neue Frage an dich, nicht aber etwa, um deine feste Weisheit tiefer prüfen zu wollen, sondern mich lediglich von dir belehren zu lassen.
[50.16] Siehe, du hast ehedem allen äußeren Unterricht für rein null und nichtig erwiesen, und ich kann dir nicht sagen, dass du Unrecht hast. Aber so aller äußere Unterricht, also auch alle äußere Wahrnehmung – mag sie von wo immer herrühren und durch was immer für einen Sinn in den Menschen hineingelangen – schlecht, unnütz und sonst verwerflich ist, da möchte ich denn doch nun von deiner Weisheit vernehmen, wozu der große Schöpfer aller Welten, Menschen und Engel uns äußere Sinne gegeben hat? Und wozu eine nach außen hinaustönende Stimme und dazu eine sprachfähige Zunge? Wozu eigentlich alle äußere Form und alle äußere Erscheinlichkeit all der zahllosen Dinge und Wesen? Oder lässt sich wohl ein Wesen ohne alle Äußerlichkeit denken? Und hebt etwa nicht die Wegnahme aller Äußerlichkeit ein jedes Wesen ganz auf? Denn siehe, ich wenigstens kann mir kein Wesen denken, das durchgehends gar keine Äußerlichkeit hätte! Du ersiehst hier meine gerechten Zweifel, daher habe die Geduld und kläre mir sie auf!“
[50.17] Spricht darauf der Mondbewohner: „Freund, du greifst einmal zu seicht und das andere Mal wieder zu tief. Einmal zu wenig und einmal zu viel, sieh, das macht dir noch lange nicht dein Ziel erreichen.
[50.18] Der große Geist hat von allem endlos viel erschaffen. Und all das Viele, das sich gegenseitig nur äußerlich begegnen kann – ansonst es unmöglich ein Vieles wäre –, ist sich darum gegenseitig auch ein Äußerliches. Damit aber der Mensch auch das Äußerliche fasse, sind ihm auch äußere Sinne gegeben; aber verstehen kann er es mit diesen äußeren Sinnen nimmer, sondern lediglich nur mit den inneren seines Geistes.
[50.19] Also hat der Mensch äußere Sinne, um Äußeres zu fassen, und hat innere Sinne, um Inneres zu fassen. Die Weisheit aber ist ein Angehör der inneren Sinne des Geistes und nicht der äußeren des Leibes; daher muss sie auch von innen heraus und nicht von außen hinein erlernt werden.
[50.20] Diesen inneren Unterricht aber erteilt der Seele allein der Geist, dem der große Geist Gottes alles vollends enthüllt eingehaucht hat, was da geschaffen ward und was noch ewigfort geschaffen wird.
[50.21] Die äußere Sprache aber ist nur, um das Äußere zu bemessen und es dann mit dem Inneren zu vermählen, wodurch eine Ehe zwischen Außen und Innen bewerkstelligt wird, und durch diese Ehe die volle Erkenntnis der göttlichen Ordnung, welche Erkenntnis dann ist die eigentliche Weisheit, nach der wir allein trachten sollen, weil sie die einige innere Kraft des Geistes und dessen wirkendes Leben bedingt.
[50.22] Du wirst nun leicht ersehen, dass Gottes Geist ewig nie die Menschen durch äußere Offenbarungen unterrichtet hat, sondern allzeit lediglich von innen heraus durch den Geist. Und hatte es etwa auch das Ansehen eines wie persönlich äußeren Unterrichts, so konnte aber dieser dennoch so lange von keiner inneren Wirkung sein, bis er nicht durch die allerweckende Kraft des Gottesgeistes durch den inwendigsten Geist des Menschen geführt wurde. Also ist auch alles das, was ich dir nun auch nur äußerlich erläuterte, für dich so lange von keiner Wirkung, bis du es nicht aus dir selbst vernehmen wirst!
[50.23] Und so dich Gott Selbst also äußerlich in aller Weisheit unterwiese, wie ich’s nun getan habe, so würde dir auch dieser Gottesunterricht nichts nützen, solange Er, der große Gott, durch Seinen allerheiligsten Geist dich nicht von innen durch deinen eigenen Geist unterrichtete.
[50.24] Dieses fasse nun, so du’s kannst, als eine rechte Antwort, und denke, dass sie dir nicht zum Heil, sondern nur zum Gericht dient, solange du sie nicht von dir aus selbst empfangen wirst. Denn was nicht dein ist, das ist ein Gericht, solange es nicht dein ist, und macht dich nicht frei! Willst du aber noch fragen, so frage; ich werde dir antworten.“
[50.25] Spricht darauf der Bischof Martin, sagend: „Freund, ich sehe nun abermals, dass du bei aller deiner äußeren Geringfügigkeit ein wahrhaft grundweises Wesen bist, und erkenne auch, dass ich nun mit dir es noch lange nicht aufnehmen kann. Aber das wirst du steinfester Weiser mir dennoch zugeben, dass, so ich jemanden aus großer Liebe auch bloß nur äußerlich in Dingen der Ordnung Gottes, dessen Macht, Liebe und Weisheit unterrichte, solch ein Unterricht doch unmöglich ein Gericht sein kann für einen harmlosen, willigsten Jünger, sondern nur ein gerechter Weg zum ewigen Leben! Denn ich halte überhaupt nicht gar zu große Stücke auf die ledige Weisheit, sondern nur auf die Liebe. Denn wo diese mangelt, da ist mir alle Weisheit um einen gemeinsten Lehmbatzen feil!
[50.26] Was sagst du zu dieser meiner Ansicht? Ich weiß es wohl, dass da ein jeder Mensch zuvor aus dem Geist muss wiedergeboren sein, bevor er ins eigentliche, freieste Reich Gottes eingehen kann. Aber um zu dieser Wiedergeburt zu gelangen, muss man ja doch zuvor die ersten Wege dazu durch den äußeren Unterricht empfah’n [empfangen], weil für mich wenigstens ein innerer Unterricht – besonders bei Kindern – gar nicht denkbar ist. Und habe ich da auch nicht recht, so zeige mir, wie denn dann ihr Mondmenschlein eure Kinder unterrichtet?!“
[50.27] Spricht der Mondbewohner: „Was fragst du denn da weiter, so dir deine eigene Ansicht die bei weitem richtigere zu sein scheint? Kurzsichtiger Mundwetzer, ist denn nicht jeder äußere Unterricht ein Gesetz, das da bestimmt, wie das eine oder das andere zu fassen ist? Richtet aber nicht jedes Gesetz und jede Regel? Wann hat noch je jemanden das Gesetz freigemacht?
[50.28] Ihr wohl macht aus euren Kindern zuerst Gefangene und könnt sie dann nimmer frei machen. Wir aber erziehen unsere Kinder, wie da ein Töpfer bei euch verfertigt seinen Topf, den er von in- und auswendig zugleich auf seiner Drehscheibe auszuziehen beginnt, ansonst er einen sehr einseitigen Topf erzeugen würde! Willst du demnach lernen, wie Menschen erzogen werden zur ewigen Freiheit, so gehe in die Werkstatt eines Töpfers, dort wirst du deine unverstandene Liebe erkennen! Verstehe es wohl, bei einem Töpfer liegt mehr Weisheit als bis jetzt noch in dir!“
[50.29] Nach diesem Hieb kehrte sich der Bischof Martin wieder zu Mir und sagt: „O Herr, diesem wirklich radikalen Mondweisen ist durchaus nicht beizukommen. Denn ich mag eine Sache noch so rein Deiner Lehre gemäß darstellen, so ist er mir richtig schon wieder um ganze tausend Jahre vor; und das Sonderbarste bei der Sache ist nur, dass er als ein Mondbewohner die Erde, die er doch sicher auch nicht einmal als einen Stern gesehen hat, besser zu kennen scheint als ich selbst! Er beschied mich zu einem Töpfer auf der Erde, wo ich die Weisheit und gewisserart das Geheimnis der Liebe studieren soll! Das ist ja im Ernst sehr spaßig!
[50.30] Was wohl soll ich bei einem Töpfer? Soll ich etwa hier diese Profession ausüben? Ja, der Kampel [Kerl] geht so weit, dass er mir ganz trocken ins Gesicht behauptete, auch Du, o Herr, könntest mir mit Deiner mündlichen Unterweisung nicht helfen, wenn solche nicht von innen aus durch meinen eigenen Geist käme! Das ist denn doch offenbar eine grobe Versündigung! So es nach meinem Wunsch ginge, da ließe ich diesen Kampel schon so ein wenig fühlen, was das heißt, sogar Deiner Lehre die wirkende Kraft abzusprechen!“
[50.31] Rede Ich: „Lasse das gut sein, Mein lieber Martin, denn so du dich mit diesem Mondbewohner in einen Streit einließest, da würdest du den bei weitem Kürzeren ziehen müssen! Er aber verdient es auch durchaus nicht, dass Ich ihm etwas Widerwärtiges begegnen soll lassen, denn er ist ein überaus guter Geist. Dass er dir aber zuletzt etwas dicker gekommen ist, das rührt daher, weil er in dir eine Art verborgener ehrsüchtiger Tücke erschaut hat, die diese Mondwesen am allerwenigsten leiden können! Denn bei ihnen muss das Äußere dem Innern vollends gleichen.
[50.32] Im Übrigen beachte du recht wohl, was du von diesem Weisen vernommen hast; es wird dir zu seiner Weile wohl zustattenkommen. Der Töpfer aber ist das beste Bild; aus diesem Bild kannst du die ganze Fülle Meiner Ordnung kennenlernen! Denn siehe, Ich Selbst bin ja ebenfalls ein Töpfer und Mein Wirken ist das eines Töpfers; denn siehe, Meine Ordnung ist gleich der Drehscheibe eines Töpfers, und Meine Werke sind gleich den Töpfen eines Töpfers. Wie, das wird dich die Zukunft lehren.
[50.33] Geh’n wir nun aber zur 12. Tür, da wird dir manches klar werden, was dir jetzt noch dunkel ist! Es sei!“
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