[37.1] Wir kommen nun in einen am meisten gegen Morgen gelegenen Saal, der überaus groß und mit wahrer himmlischer Pracht ausgeschmückt ist.
[37.2] In der Mitte dieses Saales steht ein großer runder Tisch aus reinstem durchsichtigem Gold, der auf zwölf verschiedenartigen edelsteinernen Füßen ruht. Um den Tisch sind ebenso viele Stühle aus reinstem Gold gestellt, als es nun Gäste in diesem Saale gibt. Der Boden dieses Saales ist so blendend weiß wie frischgefallener Schnee; und des Saales Decke ist hellblau, auf welcher Decke die schönsten Sterne glänzen. Der Fenster Zahl dieses Saales ist 24, und diese Fenster sind 12 Fuß hoch und 7 Fuß breit. Durch sie dringt ein herrliches Licht in den Saal, und durch jedes Fenster zeigen sich Gegenden von nie geahnter Pracht und Anmut, und auf dem Tisch liegen sieben Brote nebst einem großen Prachtbecher voll des köstlichsten Weines.
[37.3] Alle hier Eintretenden sind nun ganz weg ob der zu großen Herrlichkeit, die ihnen hier auf einmal ganz unerwartet entgegenkommt. Die Gesellschaft, die den Buchhändler zu ihrem Vormann hat, ist samt ihm vor lauter endloser Hochachtung bis zum Boden gebeugt. Die dreißig, die erst kurz vorher nach der ihnen abgängigen Himmelspracht fragten, reißen nun Mund und Augen auf und finden keine Worte, mit denen sie diese Pracht genügend bezeichnen könnten.
[37.4] Nur unser Martin bleibt sich gleich und spricht, auf Mich hindeutend: „Liebe Brüder, was staunt ihr gar gewaltig über dieses Saales enormste Pracht! Seht, mir ist sie ganz gleichgültig; denn ich denke mir, wenn unser Herr und Vater nicht mit uns in diesem Saal wäre, so gäbe ich für den ganzen Saal nicht eine faule Pomeranze! Nur Er ist mir alles; alles andere aber ist mir nun ohne Seiner nichts!
[37.5] So Er mit mir in der gemeinsten Strohhütte Sich befände, da wäre ich dort endlos seliger, denn allein in diesem herrlichsten Saal. Daher besticht mich dieses Saales Pracht auch gar nicht, sondern allein Er, Er, unser aller Vater, Herr und Gott! Ihm allein gebührt alle unsre höchste Achtung, Liebe, Bewunderung, Verehrung und Anbetung! Denn all diese übergroße Herrlichkeit ist ja Sein Werk, ein Hauch Seines Mundes! Tue zwar ein jeder von euch, was er will – ich denke und tue einmal so!“
[37.6] Rede Ich: „Martin, du machst deine Sache gut und bist nun ein wahrer Paulus, aber sehe zu, dass du selbst nicht noch einmal irgendwo einmal schwach wirst und sagen: ‚Aber wenn der Herr nur nicht gar so in einem fort bei mir wäre!‘ Ich werde dich aber darum dennoch nicht verlassen! Nun aber setzt euch alle zu Tisch und esst und trinkt! Dann harren schon gar mächtige Arbeiten unserer Hände. Es sei!“
[37.7] Sie tun nun alle nach Meiner Beheißung, und Ich breche das Brot und teile es unter sie, und es essen alle mit großer Liebe und dankbarster Regung ihrer Herzen dies wahre Brot des ewigen Lebens und trinken darauf auch alle den Lebenswein der Erkenntnis aus einem und demselben Becher und sind dabei munter und sehr wohl auf; denn nach dem Genuss des Weines bemächtigt sich aller ein so erhaben himmlisch-tiefweiser Sinn, dass alle darob vor Freude sich kaum zu helfen wissen und aus lauter Liebe kaum Worte finden, Mir zu sagen, wie gar so über alle Maßen sie sich nun glücklich fühlen.
[37.8] Ich aber segne sie nun alle und erwähle sie zu Dienern und wahren Knechten Meines ewigen Reiches.
[37.9] Nachdem dies alles beendet ist, erhebt sich unser Bischof Martin und spricht: „Herr, ich habe nun etwas bemerkt, nämlich, als sollte auch ich mich von Dir trennen, um irgendeinem wichtigen Geschäft zu obliegen. Tue Du, was Du willst, aber ich lasse nimmer ab von Dir! Herr, wo Du nicht mit mir bist, da ist rein nichts mit mir! Ich gehe ein für alle Mal nicht mehr von Dir; denn ich habe Dich nun zu überaus mächtigst lieb! Also, ich bleibe einmal bei Dir!“
[37.10] Rede Ich: „Nicht so, Mein liebster Bruder Martin! Ich sage dir: nicht einen Augenblick lang sollst du von Mir entfernt sein, sowie auch kein anderer aus dieser Gesellschaft und keiner von all den Zahllosen, die Mich in ihren Herzen erkannt und aufgenommen haben; aber dennoch ist es andrerseits nötig, dass sich jeder scheinbar wie ohne Mich dahin verfügt, wohin Ich ihn bescheide, ansonsten seine Freude eine unvollkommene wäre und zwecklos sein Leben!
[37.11] Daher muss hier jeder sich der größten Tätigkeit befleißigen und so viel als möglich Gutes wirken. Je tätiger da einer wird, eine desto größere Seligkeit wird ihm zuteil. Denn die Seligkeit besteht lediglich nur im Handeln nach Meiner festgestellten ewigen Himmelsordnung.
[37.12] Sehe da zum Fenster hinaus! Dort gen Morgen in einem schönen großen Garten – nicht fern von diesem Meinem Haus von Ewigkeit – ersiehst du ein gar niedliches Häuschen, das innerlich viel geräumiger ist, als es von außen her aussieht. Dorthin gehe und nehme es in deinen Vollbesitz.
[37.13] In einem Zimmer wirst du eine glänzend-weiße Tafel finden. Diese Tafel besehe du allzeit, so du von einem Geschäft nach Hause kommen wirst. Denn von nun an wirst du dort allemal Meinen Willen gezeichnet finden, nach dem du dich dann allzeit in deinem Handeln wirst zu richten haben. Wirst du allemal das allzeit pünktlich erfüllen, was dir Meine Willenstafel in deinem Haus anzeigen wird, so wirst du bald über Größeres gesetzt werden; im Gegenteil aber nur über ein Kleineres, je nach deiner Willenskraft.
[37.14] Solltest du dich aber in irgendetwas nicht völlig auskennen, da komm hierher, und es soll dir in allem Bescheid gegeben werden. Wenn du Mich aber rufen wirst in deinem Haus, so werde Ich bei dir sein. Nun weißt du vorderhand alles, was dir nun zu wissen nottut. Gehe daher nun in dein Häuschen, dort wirst du das Nähere erfahren, danach du dich aber auch genau zu halten hast.
[37.15] Was Ich aber nun dir eröffnet habe, das eröffne Ich auch zugleich jedermann aus dieser Gesellschaft. Seht alle hinaus, und das Haus, das ihr erseht, ist dessen, der es ersieht! Dahin geht und wirkt, wie Ich soeben dem Bruder Martin angezeigt habe, denn es wird ein jeder von euch in seinem Haus die gleiche Einrichtung [an]treffen. Es sei!“
[37.16] Martin kratzt sich zwar hinter den Ohren ein wenig, aber er geht doch, wie Ich ihn beschieden habe, denn er meint, dass er Mich dort nicht haben wird, und nicht sehen. Die andern der Gesellschaft, denen Meine Nähe noch zu überheilig vorkommt, gehen leichter, um sich gewisserart von dieser zu großen Aufregung ihres Gemütes zu erholen.
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