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34. Eine heilige Erlösungsszene: Martin an der Brust des Herrn

[34.1] Als Ich mit Petrus eintrete, da sinkt der Bischof Martin wie in eine Ohnmacht zusammen, und die ganze Gesellschaft mit Ausnahme des Buchhändlers ruft: „Wehe uns!“

[34.2] Nur der Buchhändler fällt auf die Knie bei klarer Besinnung nieder und spricht: „Herr, Vater – geheiligt werde Dein allerheiligster Name, Dein Wille geschehe! Siehe, wir sind alle große und grobe Sünder und sind wohl nicht der geringsten Deiner Gnade wert. Aber wir alle lieben Dich in aller Fülle unseres Gemütes! Daher, so es Dein Wille ist, lasse Deine Erbarmung statt Deiner Gerechtigkeit über uns walten! Was sollen wir ohne Deine Gnade, ohne Deine Liebe, ohne Deine Barmherzigkeit!

[34.3] Du bist ewig, Du bist endlos weise, und Deine Allmacht hat keine Grenzen! Nimmer könnten wir uns vor Dir entschuldigen! Oder könnte sich wohl irgendjemand in der ganzen Unendlichkeit auflehnen gegen Deine Macht? Denn ehe er noch diesen Gedanken fasste, könntest Du ihn schon vernichten so, als wäre nie ein Dasein in ihm vorhanden gewesen.

[34.4] Ich und wir alle erkennen und bekennen, dass Du der alleinige Herr Himmels und aller Welten bist. Wir alle aber sind nichts gegen Dich und Deine endlose Macht. Tue daher mit uns allen, was Dein heiliger Wille ist; aber sei eingedenk unserer Schwäche, und Deine Erbarmung bleibe uns nicht fern!“

[34.5] Rede Ich: „Steht auf, und jammert hier nicht wie Delinquenten auf der Welt! Denn so Ich zu euch komme, da seid ihr ja schon selig. Denn die unseligen Geister fliehen Mich und wollen ewig nicht, dass Ich zu ihnen käme und sie erlöste und selig machte. Daher ist eure Furcht vor Mir eitel und schwach das Licht eures Verstandes.

[34.6] Legt ab all das, was da nicht taugt in Meinem Haus, in Meinem Reich; denn da Ich bin, da ist auch Mein Reich, und dieses Reich ist der Himmel innerster und höchster! Dieser Himmel aber ist nicht ein Himmel des Müßiggangs und der ewigen Trägheit, sondern ein Himmel der vollsten Tätigkeit, in die ihr alle von nun [an] stets tiefer und tiefer werdet eingeführt werden, und jeder von euch in dem, wozu er schon auf der Erde talentierte Vorübungen machte. Also sei es!“

[34.7] Alle erheben sich in der freudigsten Stimmung und danken Mir laut für solche endlose Gnade und Erbarmung. Nur der Bischof Martin liegt noch in seiner Ohnmacht und hört und sieht vor lauter Angst nichts, was da vorgeht.

[34.8] Da geht Petrus auf Meinen Wink hin zu ihm, rüttelt ihn auf und spricht: „Aber Martin, was tust du denn hier? Wir haben schon die längste Zeit draußen auf dich gewartet und du kamst nicht wieder zum Vorschein; was machtest und plauschtest du denn hier so lange und ließest uns warten wie eine zimperliche Braut ihren Bräutigam, die sich gar zu eitel zum Hochzeitsfest schmückt! Weißt du denn nicht, dass wir wichtige und diesmal sehr dringende Geschäfte vorhaben?“

[34.9] Spricht endlich nach einer Pause wieder der Bischof Martin: „O, ja – gut – ja, ja! Ja richtig, du bist es! Ja sieh, ich ging diesmal wie auf große und überwichtige Entdeckungsreisen aus, und von großen Reisen kommt man nicht so bald zurück. Hab’ freilich wohl Allerhöchstes entdeckt, aber nicht zu meiner Freude, sondern nur zu meinem größten Schrecken nur!

[34.10] Ah, Freund, ich habe nun unwiderlegbar die Entdeckung gemacht, dass unser Hausherr und Meister Gott, der Herr der Unendlichkeit ist! Das ist nun klarer als auf der Erde die Mittagssonne am reinsten Tag. Nun aber denke dir mich als einen Sünder Nonplusultra – und Gott, den Allmächtigen, den Allerweisesten, der einen verdammen muss wegen Seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit daneben! – Ohohoh, Freund, das ist eine ganz entsetzliche Entdeckung!

[34.11] Mein Freund da mit dem Glanzhut hat mich zwar wohl trösten und beruhigen wollen. Aber solange man nicht von Dem die Beruhigung hat, der unsereinen plötzlich in die Hölle hinein auf ewig verstoßen kann, so lange nützt kein fremder Trost etwas!“

[34.12] Spricht Petrus: „Steh nur auf, und sei nicht so dumm! Siehe, der Herr Jesus, den du so unbändig fürchtest, harrt mit offenen Armen deiner! Sieht Er wohl so aus, als säße Ihm schon dein Verdammungsurteil auf der Zunge?“

[34.13] Bischof Martin wirft einen flüchtigen Blick nach Mir und ersieht Meine große Freundlichkeit. Dies macht ihm Mut, dass er sich sogleich vom Boden etwas mehr erhebt und mit Tränen in den Augen spricht: „Nein, nein, aus dieser endlosen Milde sieht ewig kein Verdammungsurteil heraus! O Herr, o Vater, wie gut musst Du sein, dass Du einen Sünder, wie ich es bin, so endlos mild und gnädig ansehen kannst!

[34.14] O Jesus, jetzt aber halte ich es auch nimmer aus! Mein Herz brennt wie eine Zentralsonne von plötzlich erwachter Liebe zu Dir – Sünde hin, Sünde her: ich muss wenigstens Deine Füße umklammern und an ihnen meiner zu großen Liebe Luft machen! Herr, tue mit mir, was Du willst; aber nur diesmal lass meiner Liebe ihren Lauf!“

[34.15] Rede Ich: „Komm her; du Mein hartnäckiger Bruder; deine Sünden sind dir vergeben! Und nicht da zu Meinen Füßen, sondern hier an Meiner Brust mache deiner Liebe Luft!“

[34.16] Auf diese Anrede stürzt der Martin hin zum Herrn und verdrückt und vergräbt sich völlig in Den, den er so lange nicht erkennen wollte.

[34.17] Als er sich so recht an Meiner Brust vor Liebe ausgeweint hatte, da frage Ich ihn: „Nun, Mein liebster Bruder und Mein Sohn, sage Mir: Wie gefällt dir diese Höllenfahrt? Bin Ich wohl der ewige Tyrann, wie ihr Mich ausgeschrien habt?“

[34.18] Spricht der Bischof Martin: „O Herr, ich bin jetzt stumm und zu endlos wortarm, um Dir vor allen diesen lieben Brüdern zu bekennen, wie sehr klar ich nun alle meine Fehler und größten Irrtümer einsehe. Aber lass mich in dieser neuen Größe aller Größen des endlosesten Glückes erst so ein wenig zurechtfinden, dann erst will ich Dir, o Du mein süßester, gütigster, barmherzigster Herr Jesus, ein rechtes Bekenntnis ablegen!

[34.19] O Herr, o Jesus, o Du Heiligster aller Heiligkeit, Du Liebe aller Liebe, Du endlose Geduld aller Geduld, ich kann jetzt nichts anderes als Dich lieben, lieben, lieben, Dich über alles lieben!“

[34.20] Rede Ich: „Nun gut, gut; dieser deiner Liebe wegen, die Ich in dir sah, hatte Ich aber auch diese große Geduld mit dir und habe Selbst Hand an dich gelegt! Nun bist du seligst, da du nun fortan da sein wirst, wo Ich Selbst bin. Aber in der Müßigkeit suche du ja nicht den Grund der Seligkeit, sondern in der größten Tätigkeit, die sich hier in größter Fülle ewig vorfinden wird.

[34.21] Nun aber gehen wir zu den dreißig im andern Gemach, die du gebracht hast; da geh du zuerst hinein, und versuche sie zu Mir zu bringen! Ist dir diese erste Arbeit deines seligen Amtes gelungen, dann werden wir sie auch gleich ihrer ewigen Bestimmung zuführen! Also gehen wir dahin, und du allein zu ihnen ins Gemach. Es sei!“

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