[31.1] Spricht der Weise aus der Gesellschaft: „Frage, und ich will dir antworten; ob zu deiner dich selbst überzeugenden Zufriedenheit oder nicht, das wird wenigstens mir ganz einerlei sein.“
[31.2] Bischof Martin fragt: „Warum hat die Erde nur einen höchsten Berg? Und liegt darum die Gottheit in ihm oder über ihm ganz in ihrer Fülle, weil er der einzige höchste Berg der Erde ist?“
[31.3] Spricht der Weise: „Wohl hat die Erde einen Berg, der da höher ist als jeder andere bekannte Berg, der die Erde mit seinem mächtigen Fuß drückt. Allein, darum ist er nicht der Berge Gott, sondern Gott wusste es und weiß es, warum Er auf diesen Planeten einen höchsten Berg gesetzt hat. Wahrscheinlich, um damit den Winden einen allgemeinen Teilungs- und Abteilungspunkt zu geben. Darum auch zumeist zunächst dem Äquator in den tropischen Ländern die höchsten Berge vorkommen, weil eben in diesen nahe dem Hauptgürtel gelegenen Ländern die Winde zufolge der Erdrotation am heftigsten sein müssten, weil da die Zentrifugalkraft am heftigsten wirken muss, darum da die Umschwungkreise vom Mittelpunkt oder von der Achse am weitesten abstehen.
[31.4] Wären demnach in diesen Gegenden nicht solche höchsten Windregulatoren vom Herrn aufgerichtet, da wären sie wohl für ewig unbewohnbar. In der Richtung – und zwar in den größten Kontinenten, besonders in Asien –, wo die Luft in einem Hauptstrom sich eint, sind demnach auch die höchsten Berge, und nämlich in Asien, als dem größten Kontinent, auch ein allerhöchster Berg der Erde notwendig. Bist du mit dieser Antwort zufrieden?“
[31.5] Spricht Bischof Martin: „Vollkommen in seiner Art! – Aber nun eine Frage weiter: Warum ist in Amerika der Amazonenstrom sicher der größte auf der ganzen Erde? Ist etwa darum die Fülle der Gottheit in ihm?“
[31.6] Spricht der Weise: „Freund, ich weiß wohl, wo du am Ende hinauswillst. Aber dessen ungeachtet will ich auch diese deine sehr alberne Frage so gründlich als tunlich beantworten.
[31.7] Siehe, Amerika ist ein viel jüngerer Kontinent und hat in den Kordilleren ein höchst ausgedehntes Gebirge.
[31.8] So hin an den Anden stehen die Gebirge einerseits sehr nahe an dem größten Weltmeer und haben daher auch in ihren unterirdischen Fundamenten eine übergroße Menge Wasser, das da fortwährend aufsteigt durch die zahllosen Poren und durch die vielen größeren Adern und Kanäle. Andererseits aber hat besonders das Südamerika, als ein jüngstes, erst kaum einige 1.000 Jahre über den Meeresspiegel erhobenes Land, überaus große und sehr wenig über den Meeresspiegel emporgehobene Flächen und Ebenen von meistens sehr lockerem Sandgehalt.
[31.9] Wo aber ausgedehnte Gebirge viel Wasser auslaufen lassen, und wo sich dieses dann in den größten ebenen Flächen ansammeln und ohne Widerstand ausbreiten kann, und nur sehr langsam dem Meer zuströmt, da muss es auch notwendig und leicht den größten und breitesten Strom geben, ohne dass darob mehr von der Gottheit darinnen enthalten zu sein braucht als in einem Regentropfen! – Sage, bist du mit dieser Antwort zufrieden?“
[31.10] Spricht Bischof Martin: „Vollkommen in seiner Art. Die Antwort lässt nichts zu wünschen übrig. Aber darum nur weiter.
[31.11] Sage mir: Warum ist der Diamant der härteste und durchsichtigste edelste Stein, und warum Gold das edelste Metall?“
[31.12] Spricht der Weise: „Weil es die Menschen dazu gemacht haben nach ihrem eitlen Gutachten. Und das taten sie, weil diese Mineralien seltener vorkommen als andere. Lassen wir aber die Diamanten so häufig vorkommen wie Kiesel, und das Gold so wie das Eisen – und man wird mit Diamanten die Straßen beschottern und die Wagenräder mit Gold beschlagen.
[31.13] Warum aber gerade diese zwei Mineralien seltener vorkommen als andere, das wird der Herr am besten wissen. Wahrscheinlich, weil sie für den Geist des Menschen einen zu großen Giftgehalt aus der Hölle beigemischt haben, woraus sich mit großer Konsequenz schließen lässt, dass eben in diesen für die Weltmenschen edelsten Mineralien eben nicht eine zu große Portion von der Gottheit stecken wird. Bist du auch mit dieser Antwort zufrieden?“
[31.14] Spricht Bischof Martin: „Ich kann dir nichts einwenden – daher muss ich mich zufriedenstellen in seiner Art. Aber was ich von dir erwartete, fand ich in keiner dieser deiner Antworten: nämlich einen natürlichen Beweis für die Gottheit Jesu!
[31.15] Siehe, auf der Erde, wie sicher auf jedem Planeten, gibt es in jeder Art der Dinge, der Wesen und so auch der Menschen gewisse höchste Punkte, die so einzig und alleinig in ihrer Art dastehen, dass sie nie übertroffen werden können. So gibt es sicher irgendeine größte Sonne, einen größten Planeten, auf dem Planeten selbst wieder allererste Vorzüglichkeiten, die unübertrefflich sind in ihrer Art. Kann ein Weiser aber darum von solchen allereminentesten Vorzüglichkeiten behaupten, sie seien darum Gottheiten, weil sie in ihrer Art alles in einem beispiellos hohen, ja höchsten Grad übertreffen? So taten es wohl die Heiden, die alles nach ihrer Einsicht unübertrefflich Vollkommenste vergötterten und kamen auf diesem Weg am Ende in die schändlichste Polytheosie! (Vielgötterei).
[31.16] Es gab sicher irgendeinmal einen allergelehrigsten Affen, Hund, Esel gleich dem des Bileam, ein schönstes und mutigstes Pferd, wie der Buzephal des Cäsar, sicher ein schönstes Weib gleich der Mediceischen Venus, also auch einen Apollo, eine weise Heldin Minerva, eine eifersüchtigste Juno.
[31.17] Die Heiden haben diese Eminenzen samt und sämtlich vergöttert, was da kein Mensch leugnen kann. So aber die Bewohner eines Planeten schon mit außerordentlichen Vorzüglichkeiten aus allen Reichen der Natur das taten, nämlich dass sie dieselben vergötterten, was Wunder ist es nun, so die gleichen Menschen den weisesten Lehrer und den größten Magier zur ersten Gottheit erheben, ihm Altäre errichteten und ihn bis zur Stunde noch anbeten; ein Teil aus wirklicher, freilich stockblinder Frömmigkeit, der größte und vorzüglichste Teil aber aus Politik wegen der Erhaltung der Blindheit der andern.
[31.18] Weil aber eben nur die Menschen aus ihrem weisesten Mitmenschen das machten – Frage: Ist das wohl ein hinreichender Grund zu dessen vollster Vergötterung?! Oder sind je von uns gesehene und gesprochene höhere Wesen zur Erde gekommen und haben, sage – uns die Gottheit Jesu vollends gezeigt und bestätigt?
[31.19] Man sagt und erzählt sich wohl Wunderdinge von Seiner Geburt, auch, wie da höhere Geister zur Erde sichtbar niedergestiegen sind und hätten die Menschheit von dessen Göttlichkeit unterrichtet. Ich frage aber mit gleichem Menschenrecht: Haben auch wir davon je etwas gesehen? Ich wenigstens nie! Vielleicht du?
[31.20] Ja, in einem langweiligen und eigennützigen Mönchs- oder Nonnentraum haben sich wohl ähnliche burleske Lügen lassen zusammenlügen und dichten können; aber fragen wir um die Wahrheit, so kommt nichts als Mensch und wieder Mensch zum Vorschein, von denen jeder mehr und wunderbar mehr wissen will als sein Nächster, aber bei sich selbst jeder sagen muss: ‚Herr, ich bin blind; mein ganzes Wissen ist bloß ein angewohnter, stumpfer Glaube nur und sonst nichts.‘
[31.21] Von einer Überzeugung kann da nie die Rede sein, wo ein Mensch auf die Autorität des andern baut und sonst nichts als eben diese Autorität als höchstes Beweismittel annimmt und annehmen muss, weil er sich unmöglich von irgendwoher andere und lebendigere Beweise verschaffen kann als – wie gesagt – eben nur von Menschen, wo man dann wohl freilich sagen muss: ‚Vox populi, vox dei‘ (Volkes-Stimme, Gottes-Stimme), weil man vom eigentlichen Deus (Gott) außer auf rein menschlichem Weg noch nie etwas gehört und vernommen hat.
[31.22] Eine Offenbarung ist demnach auch nur ein Menschenwerk und kann nichts anderes sein, indem wir bei unseren Lebzeiten nie eine andere zu Gesicht bekommen haben als eine solche nur, an der Menschenhände und menschliche Phantasien nur zu sehr erkennbar sind.
[31.23] Also, siehe, du mein liebster Freund, prüfe ich nun wohl alles, bevor ich es annehme, und bin nicht unüberzeugbar. Aber deine Beweise sind mir wahrlich nicht genügend. Ein Mensch kann wohl für Gotteserkenntnis den größten Trieb haben, aber diesen kann kein Mensch, sondern nur Gott Selbst befriedigen. Ich meine aber: Bevor wir zu dieser Befriedigung gelangen werden, werden wir noch viel, ja ungeheuer viel in allen Seinen Schöpfungsräumen durchmachen müssen, bevor wir für eine wahre göttliche Offenbarung werden fähig sein!
[31.24] Alles aber, was uns bis jetzt begegnet ist, ist nichts als eine erste Elementarschule nur für den einstigen großen, heiligen Unterricht. – Kannst du mir aber auf diese meine klare Argumentation etwas Besseres, Reineres, Wahreres und somit Göttlicheres erwidern, so bin ich in aller Geduld bereit, dich mit dem aufmerksamsten Gemüt anzuhören.“
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