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19. Martins Bedenken bei der neuen Arbeit. Petrus’ gute Erwiderung. Bedeutungslose und absurde Dinge des Katholizismus

[19.1] Dieses Zunichtewerden der Fische fängt, je länger es dauert, desto mehr den Bischof Martin zu genieren an, sodass er nun schon ganz ärgerlich wird und bei sich zu murmeln anfängt: „Ist aber das doch eine blitzdumme närrische Arbeit! Ich bin schon nahe ganz hin vor lauter Fischeherausheben und Hin-ans-Ufer-Schleudern, und das alles für nichts und wieder nichts! Denn es bleibt ja keiner: Ein jeder vergeht wie Butter an der Sonne! Das wird etwa doch merkwürdig dumm sein? Nein, ist aber das doch eine extraordinär blitzdumme Arbeit!

[19.2] Ich muss denn doch einmal genauer nachsehen, wohin denn diese Fische so schnell kommen! Hm, hm, hmmm – kann nichts bemerken! Wieder ein Wurf von meinem Kollegen, und nichts bleibt in diesem Reich der Unvergänglichkeit, das ist eine schöne Unvergänglichkeit, das! Auf der Erde bleibt von dem Dagewesenen wenigstens nicht viel übrig; aber von gar nichts ist da gar keine Rede so wie hier, denn hier bleibt von dem einmal Daseienden gar nichts übrig.

[19.3] Ich habe mich schon so auf einen etwa heiß abgesottenen Lachs, Stör oder sonst einen Fisch gefreut. Aber bei der alles verzehrenden Schärfe dieser Geisterweltluft, die für die Fische sehr eingenommen zu sein scheint, wird damit ganz enorm wenig herausschauen! Ich habe zwar freilich wohl noch so ganz eigentlich keinen Hunger; aber so ein ziemlich fühlbares Appetitchen wandelt mich schon dennoch an, und der Gedanke an einen heiß abgesottenen Lachs macht mir den ganzen Mund wässrig!

[19.4] Es ist zwar hier um eine ganze Million besser, als da war mein früherer Stand; aber diese luftige Fischerarbeit wird sich so für die ganze Ewigkeit auch nicht übel machen! Es ist auch merkwürdig, wie es hier schon lange morgendämmert; aber von einer Sonne, die da aufgehen soll, kommt nichts zum Vorschein!

[19.5] Sonderbare Welt, sonderbares Sein! Man kann’s nehmen und betrachten, wie man’s will, so ist’s und bleibt’s dumm. Diese meine einzigen Freunde sind zwar sehr weise in ihren Worten, aber dafür desto dümmer im Handeln! Man nehme nur diese leere ganz zwecklose Fischerei! Was ist doch das für eine läppisch-tolle Arbeit, und doch betreiben sie diese zwei, als wenn das Heil der Ewigkeit davon abhinge! Aber was will ich machen? Was Besseres habe ich nicht zu erwarten, und so muss es in Gott’s Nam’ gut sein! Daher nur lustig diese Luftfische herausgefischt; vielleicht wird nachher doch wieder etwas anderes zum Vorschein kommen?“

[19.6] Petrus fragt den Bischof Martin: „Was murmelst denn du so in dich hinein? Bist etwa schon müde?“

[19.7] Spricht Bischof Martin: „Müde, Freund, bin ich gerade nicht. Aber ich muss dir offen gestehen, dass mir diese Arbeit denn doch ein bisschen spaßig vorkommt, trotzdem ich mehr als überzeugt bin, dass du und besonders unser Meister sehr weise Männer seid.

[19.8] Schau, schau, nun arbeiten wir schon eine ziemlich geraume Zeit bloß für die Luft, oder noch besser für nichts! Der erste große Fisch ist beim Plunder, und der zweite zehnköpfige? Ich seh’ nichts mehr von ihm! Diese Kleinfische werden von der Luft schon eher verzehrt, als sie noch den Boden berühren! Frage: Wozu ist solch eine leere Arbeit wohl gut?

[19.9] Ich erkenne euch wohl, wie gesagt, als sehr weise Männer, und es wird diese Arbeit vielleicht wohl auch einen sehr weisen Zweck haben. Aber lasst mich doch auch ein bisschen erfahren, warum wir diese anscheinend höchst leere Arbeit verrichten, und wozu das so ganz eigentlich gut ist oder sein wird?“

[19.10] Spricht Petrus: „Schau, schau, du lieber Freund und Bruder; da du auf der Welt ein Bischof warst, sage: Wie noch viel leerere Arbeiten hast du verrichtet? Hätte dich aber wohl jemand fragen dürfen, wozu sie in Wahrheit gut wären und ob an ihnen wohl in Wirklichkeit etwas gelegen wäre – z. B. an der Glockentaufe, Orgelweihe, an den verschiedenartigen sogenannten priesterlichen Gewändern?

[19.11] Welche Bedeutung und Kraft hätten die Impfel, der Mantel, der Chorrock, die Stola, das Messgewand, das Predigerhemd, das Quadratel und tausend derlei Dinge mehr? Welche Kraft liegt etwa doch in den verschiedenartigsten Mönchskutten? Warum ist ein und derselben Mariä Bild wundertätiger als das andere? Warum ist der Florian fürs Feuer und warum Johann Nepomuk fürs Wasser, da doch beide ins Wasser geworfen wurden: der eine in Oberösterreich bei Linz in die Donau, der andere in Böhmen zu Prag in die Moldau?

[19.12] Warum ist unter den vierzehn Nothelfern Jesus nicht auch vorzufinden? Und warum wird in der heiligen Bitt-für-uns-Litanei zuerst von den Menschen Gottes Barmherzigkeit angerufen, da sich nachher die Betenden dennoch an die Heiligen um Fürbitte wenden? Warum wenden sie sich zuerst an Gott und nachher erst an die Heiligen? Wollen sie etwa Gott bewegen, die Heiligen anzuhören? Können sie aber gleich anfangs Gott bewegen, wozu rufen sie dann die Heiligen an?

[19.13] Warum wird im sogenannten Rosenkranz Maria zehnmal und Gott nur einmal mit des Herrn Gebet angerufen? Warum sind in einer Kirche große, kleine, hölzerne und metallene Kruzifixe in Abundanz (Überfluss) vorhanden, und warum wenigstens noch einmal so viel Marias in allen möglichen Formen?

[19.14] Was ist zwischen einem solennen [feierlichen] Amt und zwischen einer gemeinen stillen Messe für den Geist für ein Unterschied? Wann haben Christus, Petrus oder Paulus dieses, im Geldpreis verschieden hochstehende sogenannte unblutige Opfer eingesetzt? Wie muss das Herz Gottes beschaffen sein, dass es ein höchstes Wohlgefallen haben kann, Seinen Sohn täglich eine Million Mal und mehr abschlachten zu sehen?

[19.15] Schau, schau, du mein lieber Freund, tausenderlei und noch eine Unzahl mehr so ganz leerer und vollkommen geistloser Verrichtungen vollführtest du in der Welt, ohne selbst nur im Geringsten daran zu glauben! Und doch ist dir bei solch leerer Fischerei dennoch nie eingefallen, wenigstens dich selbst zu fragen: ‚Wozu solch leere Arbeit?‘ Sie ist dir bezahlt worden, wirst du sagen! Gut, auch hier darfst [brauchst] du nicht umsonst arbeiten! Was willst du denn da noch mehr?

[19.16] Ich aber sage dir, diese Arbeit ist bei weitem nicht so gehaltlos, wie da war deine irdische! Darum murmle künftig nicht mehr in dich hinein, sondern rede offen, was dich drückt, da werden wir mit unserer Leerfischerei bald zu Ende sein! Aber so du noch lange so einen römischen Geheimniskrämer machen wirst, da werden wir noch lange zu fischen haben; und der Fang wird lange noch so hübsch zunichtewerden gleich unserer Belehrung in deinem Herzen! Verstehe das und nehme nun wieder deinen Tauchbären zur Hand und arbeite fortan unverdrossen.“

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