[15.1] Nun rede wieder Ich als der Schiffsmann: „Höre Mich nun an und merke es genau, was Ich dir sagen werde!
[15.2] Siehe, wohl weiß Ich, wie die Welt beschaffen ist, weil Ich es auch weiß, wie sie zu allen ihren Zeiten beschaffen war. Denn wäre die Welt nicht arg oder wenigstens nur manchmal besser als ein anderes Mal, so hätte sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt! Da ihr großböser Mutwille aber schon solches tat am grünen Holze, um wie viel weniger wird er des dürren Reisigs schonen! Daher gilt für die Welt ein für alle Male das, was aus dem Mund des Herrn im Evangelium geschrieben steht und also lautet:
[15.3] In diesen Tagen – d. h. in der Zeit der Welt – braucht das Himmelreich Gewalt; nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen! Eine solche moralische Gewalt aber, Freund, hast du dem Himmelreich wohl nicht und nie angetan; darum du die Welt eben auch nicht zu sehr anklagen darfst, indem Meines höchst klaren Wissens du zu allen Zeiten es bei weitem lieber mit der Welt als irgend mit dem Geiste gehalten hast! Denn in diesem Punkt warst du eben einer der Hauptgegner aller geistigen Aufklärung, ein Feind der Protestanten und verfolgtest sie ob der vermeintlichen Ketzerei mit Hass und bitterstem Ingrimm.
[15.4] Bei dir hieß es wirklich nie: Si mundus vult decipi! [Wenn die Welt betrogen sein will!], sondern fest weg ohne Gnade und Pardon: Mundus decipi debet! [Die Welt muss betrogen werden!] – und das sine exceptione! [Ohne Ausnahme!] Ich aber sage dir, dass die Welt gerade nirgends schlechter ist als gerade in deiner und zumeist in deinesgleichen Sphäre! Ihr seid zu allen Zeiten die größten Feinde des Lichtes gewesen, und es gab Zeiten, wo ihr jedem nur um ein Haar heller Denkenden und Sehenden Scheiterhaufen errichtet habt!
[15.5] Nicht die Fürsten der Welt suchten die Finsternis bei ihren Völkern auszubreiten, sondern ihr wart es, die ihr die Fürsten selbst in den Bannfluch legtet, so sie es wagten, etwas heller zu denken, als es eurer finstersten, hierarchischen, tyrannischsten Despotie genehm war! Wenn nun Fürsten selber finster sind hie und da, so sind sie sogestaltig euer Werk; ihr aber wart nie ein Werk der Fürsten, sondern jetzt wie zu allen Zeiten euer eigenes.
[15.6] Dass es nun etwas schwerer ginge in manchem Land, das vom Licht keine Ahnung mehr hat von A bis Z, das reine Licht Gottes einzuführen, das weiß Ich; aber wer trägt daran die Schuld? Siehe, niemand sonst als ihr selbst!
[15.7] Wer hieß euch je Götzentempel und barste Götzenaltäre errichten? Wer hat euren lateinischen sogenannten Gottesdienst angeordnet? Wer hat die Ablässe erfunden, wer die Schrift Gottes verbannt und an deren statt die absurdesten und lügenhaftesten Legenden der sogenannten Heiligen eingeführt, wer die Reliquien, wer die Millionen von allerlei heiligen Bildern und Schnitzwerken? Siehe, niemand anderer, kein Kaiser und kein Fürst, sondern ihr! Ihr allein wart zu allen Zeiten die Werkmeister der allerdicksten Finsternis, um darinnen allerlei zu fangen, Groß und Klein für euer Szepter!
[15.8] Die Fürsten sind zumeist voll frommen Glaubens und sind gehorsam eurer Lehre; sage mir, was aber hattest du, der du doch in der Schrift bewandert warst, für einen Glauben? Und wem gehorchtest du wohl? Wie viel hast du gebetet, ohne dafür bezahlt zu sein?
[15.9] Sage, kannst du wohl bei Gott aus und nach dem allem irgendeine Berücksichtigung erwarten, indem die Welt nicht dich, sondern nur du die Welt in deinem Bezirk um vieles schlechter gemacht hast, als sie ehedem war?
[15.10] Ich sage dir aber: Was das Märtyrertum betrifft, das du angeführt hast, so hättest du dich tausendmal eher aus herrschsüchtiger Liebe zur Nacht ans Kreuz schlagen lassen als nur einmal fürs reine Gotteslicht! So hättest du auch von den Fürsten wenig zu besorgen gehabt, so du das Licht hättest verkündigen lassen, und somit noch weniger von ihren Aufsehern. Denn Ich weiß es nur zu gut, wie du den Fürsten opponiertest, so sie sich gegen deine unsinnigsten, allen Menschen- und Bruderwert verachtenden und verdammenden Forderungen sträubten!
[15.11] Siehe, so sind Mir auch wenig Beispiele bekannt, dass Fürsten wahrhaft helle Priester, die der Gotteslehre rein oblagen, ins Loch steckten oder gar – was von dir eine grobe Anschuldigung ist – in die Geisterwelt expedierten; aber wohl sind mir eine ungeheure Zahl Beispiele bekannt, dass nur ihr das an jenen tatet, die es gewagt haben, reiner nach dem Wort Gottes zu leben!
[15.12] Wer da klug ist wie eine Schlange und dabei sanft wie eine Taube und wandelt so des Herrn Wege: Meinst du wohl, dass der alte Gott schwächer geworden ist, als Er zu den Zeiten der Apostel war, und somit jenem nicht mehr zu helfen vermöchte, wenn er von der Welt bedräut wird?
[15.13] O sieh, Ich könnte dir nebst Luther noch eine große Menge Brüder anführen, die in einer allerfinstersten Zeit es dennoch gewagt haben, das reine Gotteswort vor aller Welt zu bekennen. Und siehe, die Fürsten der Welt haben keinem den Kopf vom Leib getrennt; wohl aber ging’s nur dem schlecht, der Meinen Geistes in eure Hände geriet.
[15.14] Du wirst nun hoffentlich einsehen, dass hier, wo nichts als die reinste Wahrheit, mit der ewigen Liebe geeint, nur gilt, mit all deinen Entschuldigungen nicht weit gereicht wird; außer mit der alleinigen Mea quam maxima culpa! [Meine sehr große Schuld!] Das ist allein recht, alles andere gilt vor dem Herrn nichts! Denn das wirst du wohl zugeben, dass Gott die Welt in ihren kleinsten Fibern besser kennt von Ewigkeit her, als du sie je erkennen wirst. Darum wäre es auch der größte Unsinn, so du Gott dem Herrn zu deiner Entschuldigung beschreiben wolltest, wie sie ist; obschon du sagst, dass du das nicht zu deiner Entschuldigung sagst, sondern bloß nur, dass darum der Herr mit dir eine Rücksicht nehmen soll – ohne dabei im Geringsten zu bedenken, dass du selbst ein Hauptweltschlechtermacher warst!
[15.15] Inwieweit du als ein Weltgefangener Rücksicht verdienst, wird sie dir auch nicht um ein Haar entzogen werden; aber in allem dem, was du ihr nun anwirfst, nicht die allergeringste. Was die Welt dir schuldet vor Gott, das wird mit einer kleinen Rechnung abgetan sein. Aber deine Schuld wird so kurz nicht ablaufen, außer du bekennst sie selbst reumütigst und bekennst auch, dass nie du – der du allzeit schlecht bist und warst –, sondern allein nur der Herr alles wiedergutmachen kann und dir vergeben deine Schuld.
[15.16] Du hast wohl eine große Furcht vor der Hölle, weil du dich in deinem Gewissen ihrer wert fühlst und meinst, Gott werde dich da hineinwerfen wie einen Stein in einen Abgrund; bedenkst aber nicht, dass du nur deine eingebildete Hölle fürchtest, aber an der wirklichen ein großes Wohlgefallen hast und nicht herauswillst in der Fülle!
[15.17] Siehe, alles, was du bisher nachgedacht hast, war mehr oder weniger Hölle im eigentlichsten Sinn! Denn wo nur noch ein Fünklein Selbstsucht herausschaut und Eigendünkel und Beschuldigung anderer, da ist Hölle; wo der fleischliche Sinn noch nicht freiwillig verbannt wurde, da ist noch Hölle! Bei dir aber haftet das alles noch; somit bist du noch sehr stark in der Hölle! Siehe, wie eitel da deine Furcht ist!
[15.18] Der Herr aber, der Sich aller Wesen erbarmt, will dich daraus erretten – und nicht nach deiner römischen Maxime noch tiefer hineinverdammen! Daher sage fürder auch nicht vom Herrn, dass Er den durchaus in die Hölle Fahrenwollenden sage: ‚So du denn durchaus zur Hölle willst, so sei’s!‘
[15.19] O siehe, das ist eine sehr frevelnde Behauptung von dir! Du bist eben einer, der schon gar lange der Hölle nicht entsagen will; wann aber hast du von Seite des Herrn ein solches Gericht über dich vernommen?
[15.20] Bedenke diese Meine Worte wohl und kehre dich danach in dir, so will Ich dies Schifflein so lenken, dass es dich aus deiner Hölle in das Reich des Lebens bringen soll. Es sei!“
Kein Kommentar bisher