[14.1] Spricht darauf der Bischof: „O Du mein hochgeehrtester und überaus alles Dankes würdigster Retter! Ich kann Dir auf diese Deine Enthüllung leider nichts anderes sagen als: Das ist alles Mea culpa, mea quam maxima culpa! [Meine Schuld, meine Schuld, meine größte Schuld!] Denn es ist alles so und ist buchstäblich wahr. Aber was lässt sich nun tun?
[14.2] Ich fühle nun sicher wohl die tiefste Reue über all das Begangene; aber mit aller meiner Reue lässt sich das Geschehene nimmer ungeschehen machen, und somit bleiben auch die Schuld und die Sünde unverrückbar, die da ist der Same und die Wurzel des Todes. Wie aber lässt sich in der Sünde des Herrn Gnade finden? Siehe, das scheint mir ein völlig unmöglich Ding zu sein.
[14.3] Darum meine ich also nun, indem ich nun vollkommen einsehe, dass ich sogestaltig ganz für die Hölle allein nur reif bin: Die Sache lässt sich auf keine andere Weise ändern, außer ich würde durch eine allmächtige Zulassung Gottes mit diesem meinem gegenwärtigen Gefühl nun noch einmal auf die Erde gesetzt, um daselbst so viel als möglich meine Fehler wiedergutzumachen. Oder – da ich vor der Hölle denn doch eine zu entsetzliche Furcht habe – der Herr möchte mich für die ganze endlose Ewigkeit als ein allergeringstes Wesen irgend in einen ewigen Winkel stecken, wo ich als ein allergeringster Landmann mir auf einem mageren Boden den allernötigsten Unterhalt mit der Arbeit meiner Hände erwerben könnte. Dabei leistete ich ja von ganzem Herzen gerne Verzicht auf irgendeine höhere Beseligung, indem ich mich selbst für den allergeringsten Grad des Himmels für bei weitem zu unwert halte.
[14.4] Das ist so mein Gefühl; denn Meinung kann ich’s darum nicht nennen, weil ich’s empfinde, dass das nun der innerste Ausspruch meines Lebens ist. Es ist auf der über Hals und Kopf nun vernagelten Welt aber wohl auch nichts mehr zu machen; denn der allgemeine Zug des Stromes ist nun durch und durch schlecht, sodass es nahe zur Unmöglichkeit wird, gut zu sein als ein Schwimmer wider den Strom.
[14.5] Die Regierungen tun, was sie wollen, und die Religion gebraucht man nur noch als ein politisches Opium fürs gemeine Volk, um es leichter im Zaum und zu allem Möglichen dienstbar zu erhalten! Da soll der Papst selbst versuchen, der Religion eine andere, bloß geistige Bedeutung zu geben, so wird man gegen seine deklarierte Unfehlbarkeit sogleich von allen Seiten her mit Waffen und klingendem Spiel zu Felde ziehen. Aus dem aber auch klar hervorgeht, wie schwer es nun ist, besonders als ein Bischof die rechten Wege des Wortes Gottes zu gehen, indem er auf allen seinen Wegen und Stegen von einer Legion geheimer Aufseher beschnüffelt wird.
[14.6] Alles das benimmt zwar weder einem Bischof noch irgendeinem andern Menschen den freien Willen; aber wie sehr wird dadurch das Handeln nach demselben erschwert, ja in tausend Fällen sogar unmöglich gemacht – was dem Herrn sicher auch nicht unbekannt sein wird.
[14.7] Es wäre freilich recht und billig und in dieser Zeit beinahe notwendig, des Wortes Gottes wegen ein Märtyrer zu sein; aber was würde nun auch damit geholfen sein? Nur ein Wort darüber losgelassen, was mit der heiligsten Religion nun für ein barster Missbrauch getrieben wird, und man steckt im Loch mit dem Auftrag des ewigen Schweigens, oder man wird so ganz heimlich aus der Welt geschafft.
[14.8] Frage: Was würde da jemand damit nützen können, so er strikt gegen den Strom schwimmen wollte, so er die reinste Wahrheit verkünden wollte, und wollte sich opfern für die geblendete arme Menschheit?
[14.9] So man aber aus der Erfahrung ersieht, dass sich da rein nichts tun lässt in einer Welt, die vom Fuß bis zum Kopf im dicksten Argen steckt, und ihr nicht zu helfen ist, da wird es am Ende sogar wie verzeihlich aussehend, so man am Ende bei sich selbst ausruft: Mundus vult decipi, ergo decipiatur! [Die Welt will betrogen werden, daher möge sie betrogen werden!]
[14.10] Ich meine aber nun auch also: Der Herr sucht sicher jeden Menschen zu beseligen; aber so der Mensch schon durchaus die Hölle dem Himmel vorzieht, so vermag Er, der Allmächtige, ihn am Ende Selbst nicht zu behindern, dass er nicht hinabfahre in den ewigen Pfuhl – bei welcher Gelegenheit dann sicher auch der Allweiseste nichts anderes als Si vis decipi, ergo fiat! [Wenn du betrogen sein willst, so geschehe es!] sagen würde.
[14.11] Damit aber will ich auch nicht im Geringsten mich vor Dir etwa beschönigen und meine Schuld geringer machen, als sie ist, sondern Dir nur bloß sagen, dass man nun in diesem Fall auch mehr ein genötigter als ein freiwilliger Sünder ist, worauf der Herr doch sicher auch eine gnädigste Rücksicht nehmen wird.
[14.12] Ich meine nicht, als soll Er meine große Schuld darum für geringer ansetzen, als sie in der Wirklichkeit ist, sondern eine Berücksichtigung möchte ich darum, weil die Welt wirklich Welt ist, mit der selbst beim besten Willen nichts zu machen ist; und man am Ende auch den guten Willen verlieren muss, ihr zu helfen, weil man zu klar einsieht, dass man ihr gar nicht helfen kann.
[14.13] Mein geliebtester Retter, sei mir darob nicht gram; denn ich redete nur, wie ich’s bisher verstand und einsah. Du wirst es sicher besser verstehen und einsehen, und wirst mich darüber belehren; denn ich habe aus deinen Worten entnommen, dass Du voll wahrer, göttlicher Weisheit bist und mir eine rechte Auskunft geben wirst, was ich zu machen habe, um wenigstens nur der Hölle zu entgehen.
[14.14] Dazu gebe ich Dir auch noch die Versicherung, dass ich Deinem Wunsch nach meinem früheren Führer von ganzem Herzen vergebe! Denn ich war ja auch nur darum ärgerlich auf ihn, da ich bis jetzt noch nicht innewerden kann, was er mit mir für einen so ganz eigentlichen Plan hatte! Er ließ es zwar wohl sehr unbestimmt durchleuchten, was er mit mir für einen Plan haben könnte; aber diese überlange Verlassung meiner Person von seiner Seite musste mich am Ende über ihn ja doch ärgerlich machen! Aber nun ist alles gar [vorbei], und so er jetzt herkäme, so würde ich ihm Deinetwegen augenblicklich um den Hals fallen und ihn abküssen wie ein Sohn seinen lange nicht gesehenen Vater!“
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