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4. Martins Ärgernis an dem lutherischen Tempel. Petrus’ evangelische Anweisungen an ihn. Martins Bereitschaft zum Dienst als Schafhirte

[4.1] Sie gehen nun weiter, mehr gegen Mittag gewendet, und kommen nun zu einem ganz ordinären Bauernhof, vor dem ein leicht zu erkennender kleiner lutherischer Tempel steht. Als der Bischof dieses größten Dornes in seinen Augen ansichtig ward, da bleibt er stehen, um ein Kreuz ums andere über seine stark kahle Stirn zu schlagen und sich an die Brust mit geballter Faust unter steter Begleitung des Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa [Meine Schuld, meine Schuld, meine größte Schuld] zu schlagen.

[4.2] Der Engel aber fragt ihn: „Bruder, was tust du denn? Geniert dich etwas hier? Warum gehst du denn nicht weiter?“

[4.3] Der Bischof spricht: „Siehst du denn den lutherischen Tempel nicht, der des leibhaftigen Gottstehunsbei ist? Wie kann da ein Geist sich einem so ver… o – oh, will’s nicht sagen – Ort nahen?

[4.4] Oder bist du etwa selbst der verkleidete Gottstehunsbei?! Oh – oooooh! Wenn du das bist, so ver – ver – lass mich, o du abscheulichster Gottstehunsbei!“

[4.5] Spricht der Engel: „Möchtest du noch einmal die Tour von deinen fünf bis zehn Millionen Jahren auf einem noch finstereren und magereren Ort des Geisterreichs zubringen? So dir solches lieber ist, da sage es nur rundheraus; sieh, hier ist dein altes Bischofsgewand schon in der Bereitschaft! Aber diesmal wirst du wohl zehnmal so lange zu harren haben, bis dir jemand zu Hilfe kommen wird!

[4.6] Siehst du mich denn nicht noch in deinem Bischofsgewand einhergehen? Ihr aber habt ja eine Meinung und sagt: Der Teufel könne sich wohl bis zu einem Engel des Lichts verstellen, aber die vom Heiligen Geist durchdrungene Gestalt eines Bischofs wäre ihm unmöglich nachzumachen. Wenn du deine Meinung nicht selbst verdammen willst, wie magst du mich denn für einen Teufel (der Bischof sinkt fast zusammen, schlägt ein großes Kreuz und spricht: ‚Gottstehunsbei‘) halten?

[4.7] Verdammst du aber deine dogmatische Meinung, welche aus der Unüberwindbarkeit des Felsen Petri durch die Pforten der Hölle herrührt, da hebst du damit ja ganz Rom auf. Und ich begreife dann nicht, wie dich als einen offenbaren Gegner Roms dies Häuschen genieren kann, das du für einen evangelischen Tempel hältst? Siehst du denn das nicht ein, dass da in deinem ganzen nunmaligen Benehmen aber auch nicht die leiseste Spur von einer moralischen und noch weniger religiösen Konsequenz vorhanden ist?“

[4.8] Spricht der Bischof: „Du hast freilich ganz verzweifelt stark recht, wenn man die Sache beim Licht betrachtet. Aber so du wirklich ein Bischof bist, so wird dir ja von Rom aus auch das bekannt sein, dass da jeder Rechtgläubige all seinen Verstand unter den Gehorsam des blinden, unbedingten Glaubens gefangen nehmen muss! Wo aber der Verstand mit den schwersten Fesseln belegt ist, wo wohl soll dabei unsereinem eine Konsequenz im Denken und Handeln herauswachsen?

[4.9] Bei uns (Römlingen) heißt es: ‚Der Mensch hüte sich vor allem, in den Geist der Religion einzudringen; er wisse nichts, sondern glaube alles blind und fest! Es ist dem Menschen heilsamer, als ein Dummkopf in den Himmel denn als ein Aufgeklärter in die Hölle zu kommen! Man fürchte Gott der Hölle und liebe Ihn des Himmels wegen!‘ Wenn aber das der Grund unserer Lehre ist, wie willst du von mir denn eine Konsequenz haben?“

[4.10] Spricht der Engel: „Leider ist mir das nur zu bekannt, wie es mit der Lehre Babels steht, und wie sie dem Evangelium schnurstracks entgegen ist, allda es ausdrücklich heißt: ‚Verdammt nicht, auf dass ihr nicht verdammt werdet; und richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!‘ Ihr aber verdammt und richtet allzeit jedermann, der sich nicht unter euer Babelsszepter schmiegt!

[4.11] Sage: Seid ihr da wohl Christi, so ihr doch nicht im Geringsten Seiner allersanftesten Lehre seid? Ist in der Lehre Christi nicht die größte, allererhabenste Ordnung und Konsequenz wie in der ganzen Schöpfung? Weht nicht die Fülle des Heiligen Geistes aus jeglichem Wort des Evangeliums? Seid ihr aber im Wort und Werk nicht allzeit gegen den Heiligen Geist gewesen, da ihr absichtlich allzeit der reinsten Lehre entgegengehandelt habt, die voll ist des Heiligen Geistes, indem dieser erst die vorher vom Herrn verkündigte Lehre für ewig bleibend den Aposteln und Jüngern wiedergab?!

[4.12] Du siehst sonach daraus, auf welch verdammlichem Grund du stehst, wie ganz reif für die Hölle! Aber der Herr will dir Gnade für Recht ergehen lassen; darum beschickt Er mich zu dir, auf dass ich dich erretten soll aus deiner alten babylonischen Gefangenschaft!

[4.13] Aus dem Grund will es der Herr, dass du dich vor allem mit deinen stärksten Augendornen vergleichen und aussöhnen sollst, so du je auf den Himmel einen Gnadenanspruch nehmen willst; willst du aber bei deinen Babelslehren verharren, so wirst du dich selbst zur Hölle treiben, aus der dich schwerlich je ein Freund Jesu des Herrn herausholen wird!“

[4.14] Spricht der Bischof: „Ja, ja, liebster Freund, es fängt an, zum ersten Mal etwas von einer Konsequenz in mir emporzutauchen! Daher habe nur Geduld mit mir; ich will ja in Gottes Namen schon tun, was du willst! Aber nur von der schrecklichsten Hölle rede mir nichts mehr – und führe mich nur weiter!“

[4.15] Spricht der Engel: „Wir sind vorderhand schon am Ziel. Siehe, eben hier bei diesem lutherischen Landmann und Bischof zugleich, der ich selbst es bin, wirst du einen Dienst als Schafhirte bekommen und die treue Verwaltung dieses Amtes wird dir Brot und ein allmähliches Emporkommen bewirken! Wirst du aber dabei mürrisch und richterisch zu Werke gehen, so wirst du dir sehr schaden und wirst dir schmälern Brot und Emporkommen! Willst du aber ein getreuer Diener sein, so denke nicht mehr an dein irdisch Sein zurück, sondern denke vielmehr, dass du hier wieder ab origina [von Anfang an] musst zu dienen anfangen, so du es vorwärtsbringen willst.

[4.16] Aber das merke dir übergut: Vorwärtsgehen heißt hier zurücktreten und der Letzte und Geringste sein wollen. Denn niemand kommt eher zum Herrn, als bis er sich unter seiner kleinsten Zehe durch und durch in allem und jedem gedemütigt hat. Nun weißt du für diese deine Lage alles; darum folge mir in dies Haus guten Herzens! Dein Wille!“

[4.17] Der Bischof folgt ihm nun ohne Einrede, denn er sieht, dass sein Führer es mit ihm unmöglich übel meinen kann.

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