Bischof Martin

Ein großes Jenseitswerk

Bischof Martin

Die Entwicklung einer Seele im Jenseits am Beispiel eines römisch-katholischen Bischofs

Das Buch Bischof Martin von Jakob Lorber beschreibt die Entwicklung eines verstorbenen katholischen Bischofs im Jenseits. Es gibt Einblicke in das Weiterleben von Seelen, insbesondere kirchlich gebundener Seelen, nach dem Tod und ihre Entwicklung bis zur Seligkeit. Die Geschichte beginnt mit Bischof Martins Ankunft im Jenseits und schildert seine Erfahrungen, Prüfungen und Läuterungen auf dem Weg zur Erkenntnis Jesu

Lesen

Empfangen vom Herrn durch Jakob Lorber ab dem 27. Juli 1847.

[1.1] Ein Bischof, der auf seine Würde große Stücke hielt und ebenso viel auf seine Satzungen, ward denn einmal zum letzten Mal krank.

[1.2] Er, der selbst noch als ein untergebener Presbyter des Himmels Freuden mit den wunderlichsten Farben ausmalte – er, der sich gar oft völlig erschöpfte in der Darstellung der Wonne und Seligkeit im Reich der Engel, aber daneben freilich wohl auch die Hölle und das leidige Fegefeuer nicht vergaß, hatte nun – als selbst schon ein beinahe achtzigjähriger Greis – noch immer keinen Wunsch, von diesem seinem so oft gepriesenen Himmel Besitz zu nehmen; ihm wären noch tausend Jahre Erdenleben lieber gewesen als ein zukünftiger Himmel mit all seinen Wonnen und Seligkeiten.

[1.3] Daher denn unser erkrankter Episkopus auch alles anwandte, um nur wieder irdisch gesund zu werden. Die besten Ärzte mussten stets um ihn sein; in allen Kirchen seiner Diözese mussten Kraftmessen gelesen werden, und alle seine Schafe wurden aufgefordert, für seine Erhaltung zu beten und an seiner statt fromme Gelübde gegen Gewinnung eines vollkommenen Ablasses zu machen und auch zu halten. In seinem Krankenlager-Gemach ward ein Altar aufgerichtet, bei dem vormittags drei Messen zur Wiedergewinnung der Gesundheit mussten gelesen werden; nachmittags aber mussten bei stets ausgesetztem Sanktissimum die drei frömmsten Mönche in einem fort das Breviarium beten.

[1.4] Er selbst rief zu öfteren Malen aus: „O Herr, erbarme Dich meiner! Heilige Maria, du liebe Mutter, hilf mir, erbarme dich meiner fürstbischöflichen Würden und Gnaden, die ich trage zu deiner Ehre und zur Ehre deines Sohnes! O verlasse deinen getreuen Diener nicht, du alleinige Helferin aus jeglicher Not, du einzige Stütze aller Leidenden!“

[1.5] Aber es half alles nichts; unser Mann verfiel in einen recht tiefen Schlaf, aus dem er diesseits nicht mehr erwachte.

[1.6] Was hier mit einem Leichnam eines Bischofs alles für hochwichtige Zeremonien geschehen, das wisst ihr, und wir brauchen uns darum dabei nicht länger aufzuhalten; dafür wollen wir sogleich in der Geisterwelt uns umsehen und schauen, was unser Mann dort beginnen wird.

[1.7] Seht, da sind wir schon – und seht, da liegt auch unser Mann auf seinem Lager; denn solange noch eine Wärme im Herzen ist, löst der Engel die Seele nicht vom Leib; denn diese Wärme ist der Nervengeist, der zuvor von der Seele ganz aufgenommen werden muss, bis die volle Löse von Seite des Engels vorgenommen werden kann; denn alles geht da den ordnungsmäßigen Gang.

[1.8] Aber nun hat dieses Mannes Seele schon völlig den Nervengeist in sich aufgenommen, und der Engel löst sie soeben vom Leib mit den Worten „Epheta“, d. h.: „Tue dich auf, du Seele; und du Staub aber sinke zurück in deine Verwesung, und zur Löse durch das Reich der Würmer und des Moders durch sie. Amen.“

[1.9] Nun seht, schon erhebt sich unser Bischof, ganz wie er gelebt hatte, in seinem vollen Bischofsornat und öffnet die Augen und schaut erstaunt um sich und sieht außer sich niemanden, auch den Engel nicht, der ihn geweckt hat. Die Gegend ist nur in sehr mattem Licht gleich dem einer schon ziemlich späten Abenddämmerung, und der Boden gleich dürrem Alpenmoos.

[1.10] Unser Mann erstaunt nicht wenig über diese sonderbare Beschauung und spricht nun mit sich: „Was ist denn das? Wo bin ich denn? Lebe ich noch oder bin ich gestorben? Denn ich war wohl sehr stark krank und es kann sehr leicht möglich sein, dass ich mich nun schon unter den Abgeschiedenen befinde! Ja, ja, um Gottes willen, es wird schon so sein. O heilige Maria, heiliger Joseph, heilige Anna, ihr meine drei mächtigsten Stützen: Kommt, kommt und helft mir in das Reich der Himmel.“

[1.11] Er harrt nun eine Zeitlang, sorglich um sich spähend, von welcher Seite die drei kommen würden; aber sie kamen nicht.

[1.12] Er wiederholt den Ruf kräftiger und harrt; aber es kommt [immer] noch niemand!

[1.13] Noch kräftiger wird der Ruf zum dritten Mal wiederholt, aber auch zum dritten Mal vergeblich!

[1.14] Darob wird unserem Manne überaus bange, und er fängt an, etwas zu verzweifeln, und spricht in seiner stets mehr verzweifelten Lage: „Oh, um Gottes willen, Herr, steh mir bei! (Das ist aber nur sein angewöhntes Sprichwort.) Was ist denn das? Dreimal habe ich gerufen – und umsonst!

[1.15] Bin ich denn verdammt? Das kann nicht sein, denn ich sehe kein Feuer und keine Gottstehunsbei!

[1.16] Hahahaaaaa (zitternd) – es ist wahrhaft schrecklich! So allein! O Gott, wenn jetzt so ein Gottstehunsbei herkäme, und ich – keinen Weihbrunn, dreimal konsekriert, kein Kruzifix – was werde ich tun?!

[1.17] Und auf einen Bischof soll [der] Gottstehunsbei eine ganz besondere Passion haben! Oh, oh, oh, ooooh (bebend vor Angst), das ist nun ja eine ganz verzweifelte Geschichte! Ich glaube gar, es stellt sich bei mir schon das Heulen und Zähneklappern ein.

[1.18] Ich werde dies mein Bischofsgewand ablegen, da wird [der] Gottstehunsbei mich nicht erkennen! Aber dann hätte der Gottstehunsbei vielleicht noch mehr Gewalt über unsereinen?! O weh, o weh, was ist der Tod doch für ein schreckliches Ding.

[1.19] Ja, wenn ich nur recht ganz tot wäre, da hätte ich auch keine Furcht; aber eben dieses Lebendigsein nach dem Tod, das ist – das – o Gott, steh uns bei!

[1.20] Was etwa geschehen würde, so ich mich weiterbegäbe? Nein, nein, ich bleibe! Denn was hier ist, das weiß ich nun aus der kurzen Erfahrung, was aber nur ein rätselhafter Tritt weiter vor- oder rückwärts für Folgen hätte, das wird Gott allein wissen! Daher will ich in Gottes Namen und im Namen der seligsten Jungfrau Maria lieber auf den Jüngsten Tag hier verharren als nur um ein Haarbreit vor- oder rückwärts mich bewegen.“

[2.1] Nachdem unser Mann die Zeit von einigen Stunden da so ganz mauerfest gestanden ist und sich während der Dauer nichts ereignet und in seiner Nähe verändert hatte, ihm aber entsprechend die Zeit (denn auch in der naturmäßigen Sphäre der Geisterwelt gibt es eine Erscheinlichkeit gleich der irdischen Zeit) dabei ganz verzweifelt lang geworden ist, fing er wieder an, mit sich zu phantasieren:

[2.2] „Sonderbar, sonderbar, nun stehe ich da schon wenigstens eine halbe Ewigkeit auf einem und demselben Fleck, und es bleibt alles ganz völlig beim Alten! Nichts rührt sich, kein Moos, kein Haar auf meinem Haupt, auch mein Gewand nicht! Was wird da am Ende herauskommen?

[2.3] Bin ich vielleicht gar dazu verdammt, ewig hier zu bleiben? – Ewig? Nein, nein, das kann nicht sein, denn da wäre das ja schon eine Hölle! Und wäre das da der Fall, da müsste da ja auch schon die erschrecklichste Höllenuhr mit ihrem allererschrecklichsten Pendel zu erschauen sein, der da immer bei jeder Schwingung den Ruf tut: ‚Immer – noooch‘ – erschrecklich! –, dann wieder: ‚Nimmer – noooch‘, noch erschrecklicher!

[2.4] O Gott sei Dank, dass ich nur dies erschrecklichste Zeichen der Ewigkeit nicht sehe! Oder wird das etwa erst nach dem Jüngsten Tag ersichtlich werden? Wird etwa schon bald das Zeichen des Menschensohnes am Firmament zum Vorschein kommen? Wie viele Millionen Jahre stehe ich denn schon hier? Wie lange werde ich etwa noch stehen müssen, bis der erschrecklichste Jüngste Tag kommen wird?!

[2.5] Es ist wahrlich kurios: Auf der Welt lässt sich nichts sehen, was da in irgendeiner Bälde auf den Jüngsten Tag irgendeinen Bezug hätte; aber hier in der Geisterwelt sieht es noch endlos stummer aus! Denn da werden tausend Jahre gleich einem vollends stummen Augenblick, und eine Million tut einen ebenso geringen Bescheid! Wenn ich nicht so festen Glaubens wäre, so möchte ich schon beinahe an dem einstigen Eintreffen des Jüngsten Tages zu zweifeln anfangen, wie überhaupt an der Echtheit des ganzen Evangeliums!

[2.6] Denn es ist überhaupt kurios, alle die Prophetien, die darinnen vorkommen, haben eine frappante Einstimmigkeit mit den delphischen Orakelsprüchen! Man kann aus ihnen machen, was man will: Sie lassen sich mit einigen exegetischen Drehungen auf alles anwenden und beziehen, und niemand kommt dabei ins Klare und kann nicht sagen: Auf dies alleinige Faktum beziehen sie sich! Kurz, sie passen im Grunde alle für den Steiß so gut wie fürs Gesicht! Und der Heilige Geist, der im Evangelium soll verborgen stecken, muss gar ein seltenster Vogel sein, weil er sich seit den alten Apostelzeiten nimmer irgendwo hatte blicken lassen, außer im albernen Gehirn einiger protestantisch-ketzerischer Schwärmer à la Tausendundeine Nacht!

[2.7] Ich habe zwar noch immer einen sehr festen Glauben, aber ob er nun bei so bewandten Umständen noch länger fest bleiben wird, für das könnte ich wahrlich nicht gutstehen!

[2.8] Auch mit der in meiner Kirche überaus vielgepriesenen Maria wie mit der ganzen Heiligenlitanei scheint es seine sehr geweisten Wege zu haben!? Denn wäre irgendetwas an der Maria, so hätte sie mich doch schon lange erhören müssen; denn von meinem Absterben bis zum gegenwärtigen Augenblick sind nach meinem peinlichsten Gefühl etwa doch ein paar Millionen Erdjahre verstrichen, und von der Mutter Gottes, wie von ihrem Sohn, noch von irgendeinem anderen Heiligen ist eben auch nicht die leiseste Spur zu entdecken. Das sind wahrlich Helfer in der Not, wie man sich keine besseren wünschen könnte! Sage zwei Millionen Jahre komplett – und von allem keine Spur!

[2.9] Wenn ich nun keinen so festen Glauben hätte, da stünde ich schon lange nicht mehr auf diesem überaus langweiligsten Fleck, aber mein dummer, ja mein dümmster Glaube hält mich! Aber lange wird er mich nicht mehr halten. Sollte ich etwa noch einige Millionen Jahre länger hier hocken wie ein Buschklepper und nach Ablauf solch einer schauderhaft langen Zeit ebenso wenig erreichen wie bis jetzt? Da wäre ich ein Narr! Ist’s denn nicht genug, dass ich auf der Erde einen Narren gespielt habe für nichts und wieder nichts? Daher werde ich mit dieser fruchtlosen Komödie hier bald ein Ende machen.

[2.10] Auf der Welt wurde ich für die Dummheit doch ehrlich bezahlt und es lohnte sich dort, einen Narren zu machen; aber so an der Sache, wie nun meine millionenjährige Erfahrung es zeigt, nichts ist, da werde ich mich sehr bald von all der Narrheit ganz gehorsamst empfehlen.“

[2.11] Seht, jetzt wird er bald diese Stelle verlassen, nachdem ihm der Engel die etlichen Stunden seines Hierseins in ein Millionen Jahre dauerndes Gefühl umgewandelt hat. Noch steht unser Mann mauerfest auf dem Punkt und schaut etwas schüchtern um sich herum, um sich gleichsam einen Weg auszusuchen, den er fortwandeln möchte. Nun fixiert er gegen Abend einen Punkt, da es ihm daselbst vorkommt, als ob sich dort etwas bewegte. Er wird darum nun auch sichtlich verlegen und spricht wieder bei sich:

[2.12] „Was sehe ich denn dort in einiger Entfernung nun zum ersten Mal seit einigen Millionen Jahren meines entsetzlichst langweiligen Hierseins? Die Geschichte verursacht mir eine große Bangigkeit; es kommt mir vor, als so das etwa doch irgendeine leise Vorbereitung zu einem Gericht wäre?!

[2.13] Soll ich’s wagen, mich dahin zu begeben? Am Ende ist das mein Untergang für ewig? Vielleicht aber doch auch eine endliche Erlösung?!

[2.14] Nun ist schon alles ein – Gott steh uns bei! –, denn wer wie ich Millionen von Erdenjahren auf einen Punkt gebannt zugebracht hat, dem ist es schon völlig einerlei, was da noch weiter mit ihm geschehen dürfte! Was Ärgeres wohl kann einem ehrlichen Menschen noch obendarauf geschehen, als über alle Bildsäulen hinaus dauernd Millionen Jahre im echten Sinn des Wortes auf einen Punkt gebannt oder so ganz eigentlich verdammt zu sein?!

[2.15] Daher, wie es die Bergleute auf der Erde zu sagen pflegen, so sie in einen Stollen fahren, sage ich nun auch: Glück auf! Hol’s der Kuckuck; ich probier’ es einmal! Mehr als für ewig hin und tot werden kann ich nicht! Und wahrlich, so was könnte mir nur höchst erwünscht sein; denn so ein Leben fortleben, wie nun dies meinige es ist, sage Millionen Jahre auf einem Fleck, kein Fixstern würde es aushalten! Da ist ein ewiges Nichtsein ja ein endloser Gewinn dagegen!

[2.16] Daher nicht einen Augenblick mehr gezaudert! Glück auf! Geht’s, wohin’s geht, und wohin’s will! Es ist nun ein – oho – nein, das sag’ ich doch noch nicht so gerade heraus; denn hier ist noch eine starke Terra incognita für mich! Daher nur bescheiden, solange man nicht weiß, worauf so ganz eigentlich die Füße stehen!

[2.17] Die Geschichte dort rührt sich immer mehr; es ist wie ein Bäumchen, das vom Wind etwas beunruhigt wird! Nur Mut, meine des Gehens freilich nun wohl schon überlange ganz entwöhnten Füße! Wir wollen nun einmal sehen, ob es sich mit dem Gehen noch tun wird!

[2.18] Zwar hab’ ich auf der Welt einmal gehört – soviel ich mich entsinnen kann –, ein Geist dürfte eigentlich bloß nur denken, so wäre er auch schon dort, wo er sein wollte. Aber eben mit der Geisterschaft meiner Person scheint es seine sehr geweisten Wege zu haben! Denn ich habe Füße, Hände, Kopf, Augen, Nase, Mund – kurz alles, was ich auf der Erde gehabt habe –, Magen auch; aber der hat schon lange einen wahren Kardinalfasttag! Denn gäbe es um mich her nicht ein recht reichliches Moos mit sehr viel Tau auf selbem, so wäre ich wohl schon lange zu einem Atom eingeschrumpft! Vielleicht gibt es dort auch für den Magen irgendetwas Besseres?

[2.19] Noch einmal: Glück auf! Eine Veränderung, wenn sonst nichts; diese kann, wie gesagt, auf keinen Fall schlechter sein als dieser mein wahrhaftigster Millionenzustand; denn wer Millionen Jahre auf einem Fleck steht, der wird sich doch etwa mit einem wahren Millionenzustand rühmen können. Also, in Gott’s Nam’!“

[3.1] Seht, nun setzt unser Mann seine Füße in Bewegung und geht sehr behutsam und prüfenden Schrittes seinem sich stets mehr bewegenden Gegenstand zu.

[3.2] Nun ist er nach wenigen Schritten auch schon ganz wohlbehalten dort, und staunt nun nicht wenig, dort unter dem Baum auch einen Mann seinesgleichen zu finden, nämlich auch einen Bischof in optima forma [in bester Form], aber freilich bloß nur der Erscheinlichkeit nach; denn in der Wirklichkeit ist das der Engel, der stets unsichtbar unserem Mann zur Seite war. Der Engel selbst aber ist der selige Geist Petrus.

[3.3] Höret nun aber auch, wie unser Mann seinen vermeintlichen Kollegen anredet und sich weiterhin mit ihm bespricht! So beginnt er aber:

[3.4] „Seh ich recht oder ist es bloß nur ein Augentrug? Ein Kollege, ein Mitarbeiter im Weinberg des Herrn?! O welch eine endlose Freude, nach Millionen Jahren endlich wieder einmal einen Menschen, und einen Kollegen noch dazu, in dieser Wüste aller Wüsten zu finden, und zu ersehen!

[3.5] Ich grüß’ dich, lieber Bruder! Sage, wie bist denn du hierhergekommen? Hast etwa auch schon mein Alter in dieser schönen Geisterwelt erreicht? Weißt, so zirka fünf Millionen Jahre auf einem Fleck, sage auf einem und demselben Fleck – fünf Millionen Jahre!“

[3.6] Der Engel als vermeintlicher Bischofskollege spricht: „Ich bin fürs Erste dir ein Bruder im Herrn und natürlich auch ein alter Arbeiter in Seinem Weinberg. Was aber mein Alter betrifft, da bin ich der Zeit und dem Wirken nach älter, aber der Einbildung nach viel jünger als du.

[3.7] Denn siehe, fünf Millionen Jahre der Erde sind ein ganz außerordentlich respektabler Zeitraum für einen geschaffenen Geist, obschon vor Gott kaum etwas, indem Sein Sein weder durch die Zeitenfolge noch durch die Raum-Ausdehnungen bemessen wird, sondern in allem ewig und unendlich ist!

[3.8] Du bist daher in einer großen Irre als Neuling in der endlosen Welt der Geister. Denn wärst du fünf Millionen Jahre hier, da hättest du schon lange ein anderes Kleid, indem in dieser Zeit der Erde Berge schon lange werden geebnet und ihre Täler ausgefüllt und ihre Meere, Seen, Flüsse, Bäche, Moraste und Pfützen ausgetrocknet sein. Und auf der Erde wird auch eine ganz neue Schöpfung bestehen, von der nun noch nicht einmal der leiseste Keim in die Furchen gelegt ist!

[3.9] Auf dass du, lieber Bruder, es aber selbst merkst, dass da dein vermeintliches Alter bloß eine in dir selbst hervorgelockte Phantasie ist, deren Entwicklung zugelassen aus dir selbst entstammte nach deinen eigenen Begriffen von Zeit und Raum, die bei dir stark mit der Hölle eingesalzen sind – so sehe dich nach rückwärts um und du wirst noch deinen erst vor drei Stunden abgeschiedenen Leichnam entdecken.“

[3.10] Seht, unser Mann kehrt sich nun schnell mit dem Haupt nach rückwärts und entdeckt ganz getreu seinen Leichnam noch auf dem dazu in der sogenannten Domkirche eigens errichteten castrumartigen Paradebett, um das eine nahe zahllose Menge Kerzen brennen, und noch eine größere Menge müßiger und neugieriger Menschen, die dasselbe umstehen. Als er solch Spektakels ansichtig ward, da wurde er sehr ärgerlich und sprach:

[3.11] „Liebster Bruder! Aber was soll ich da tun? Ah, welch ein grässlicher Unsinn! Mir werden vor der entsetzlichsten Langeweile Minuten zur Ewigkeit, und doch bin ich es ja, der diesen Leib bewohnt hat! Ich weiß mir vor Hunger und Lichtmangel kaum zu helfen, und diese Narren vergöttern meinen Fleischrock! Hätte ich nun als Geist denn nicht Kraft dazu, diesen Plunder klein zu zerreißen und wie Spreu untereinander zu werfen? O ihr dummen Gottstehunsbei! Was wollt ihr denn hier dem stinkenden Dreck für eine Wohltat erweisen?!“

[3.12] Der Engel spricht: „Kehre dich wieder zu mir nach vorwärts und ärgere dich nicht; tatst du doch dasselbe, als du noch der äußeren Naturwelt angehörtest! Lassen wir das Tote die Toten begraben; du aber wende dich von all dem ab und folge mir, so wirst du zum Leben gelangen!“

[3.13] Der Bischof fragt: „Wohin aber soll ich dir folgen? Bist du etwa gar mein Namenspatron, der heilige Bonifatius, dass du dich nun so sehr um mein Heil zu kümmern scheinst?“

[3.14] Spricht der Engel: „Ich sage in des Herrn Jesus Namen: Du sollst mir zum Herrn Jesus folgen! Der ist der rechte Bonifatius aller Menschen; aber mit deinem Bonifatius ist es nichts, und ich bin es schon ganz und gar nicht, für was du mich anzusehen scheinst, sondern ganz ein anderer!

[3.15] Folge mir aber, d. h., tue, was ich dir nun sagen werde, so wirst du fürs Erste alles fassen, was dir bis jetzt begegnet ist, und wie, durch was und warum, und fürs Zweite wirst du dich sogleich auf einem besseren Grund befinden; und endlich fürs Dritte wirst du eben daselbst den Herrn quo-ad personam [hinsichtlich seiner Person] kennenlernen, durch Ihn den Weg in die Himmel und danebenher auch ewig deinen Bruder!“

[3.16] Spricht der Bischof: „Rede, rede, ich möchte schon lieber fliegen als gehen von diesem langweiligsten Ort!“

[3.17] Spricht der Engel: „So höre! Lege sogleich dein lächerliches Gewand ab und ziehe da diesen ganz gemeinen Bauernrock an!“

[3.18] Spricht der Bischof: „O nur her damit; hier vertausche ich dies langweilige Kleid gerne mit den gemeinsten Fetzen.“

[3.19] Spricht weiter der Engel: „Gut – sieh, schon bist du im Bauernrock; nun folge mir!“

[4.1] Sie gehen nun weiter, mehr gegen Mittag gewendet, und kommen nun zu einem ganz ordinären Bauernhof, vor dem ein leicht zu erkennender kleiner lutherischer Tempel steht. Als der Bischof dieses größten Dornes in seinen Augen ansichtig ward, da bleibt er stehen, um ein Kreuz ums andere über seine stark kahle Stirn zu schlagen und sich an die Brust mit geballter Faust unter steter Begleitung des Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa [Meine Schuld, meine Schuld, meine größte Schuld] zu schlagen.

[4.2] Der Engel aber fragt ihn: „Bruder, was tust du denn? Geniert dich etwas hier? Warum gehst du denn nicht weiter?“

[4.3] Der Bischof spricht: „Siehst du denn den lutherischen Tempel nicht, der des leibhaftigen Gottstehunsbei ist? Wie kann da ein Geist sich einem so ver… o – oh, will’s nicht sagen – Ort nahen?

[4.4] Oder bist du etwa selbst der verkleidete Gottstehunsbei?! Oh – oooooh! Wenn du das bist, so ver – ver – lass mich, o du abscheulichster Gottstehunsbei!“

[4.5] Spricht der Engel: „Möchtest du noch einmal die Tour von deinen fünf bis zehn Millionen Jahren auf einem noch finstereren und magereren Ort des Geisterreichs zubringen? So dir solches lieber ist, da sage es nur rundheraus; sieh, hier ist dein altes Bischofsgewand schon in der Bereitschaft! Aber diesmal wirst du wohl zehnmal so lange zu harren haben, bis dir jemand zu Hilfe kommen wird!

[4.6] Siehst du mich denn nicht noch in deinem Bischofsgewand einhergehen? Ihr aber habt ja eine Meinung und sagt: Der Teufel könne sich wohl bis zu einem Engel des Lichts verstellen, aber die vom Heiligen Geist durchdrungene Gestalt eines Bischofs wäre ihm unmöglich nachzumachen. Wenn du deine Meinung nicht selbst verdammen willst, wie magst du mich denn für einen Teufel (der Bischof sinkt fast zusammen, schlägt ein großes Kreuz und spricht: ‚Gottstehunsbei‘) halten?

[4.7] Verdammst du aber deine dogmatische Meinung, welche aus der Unüberwindbarkeit des Felsen Petri durch die Pforten der Hölle herrührt, da hebst du damit ja ganz Rom auf. Und ich begreife dann nicht, wie dich als einen offenbaren Gegner Roms dies Häuschen genieren kann, das du für einen evangelischen Tempel hältst? Siehst du denn das nicht ein, dass da in deinem ganzen nunmaligen Benehmen aber auch nicht die leiseste Spur von einer moralischen und noch weniger religiösen Konsequenz vorhanden ist?“

[4.8] Spricht der Bischof: „Du hast freilich ganz verzweifelt stark recht, wenn man die Sache beim Licht betrachtet. Aber so du wirklich ein Bischof bist, so wird dir ja von Rom aus auch das bekannt sein, dass da jeder Rechtgläubige all seinen Verstand unter den Gehorsam des blinden, unbedingten Glaubens gefangen nehmen muss! Wo aber der Verstand mit den schwersten Fesseln belegt ist, wo wohl soll dabei unsereinem eine Konsequenz im Denken und Handeln herauswachsen?

[4.9] Bei uns (Römlingen) heißt es: ‚Der Mensch hüte sich vor allem, in den Geist der Religion einzudringen; er wisse nichts, sondern glaube alles blind und fest! Es ist dem Menschen heilsamer, als ein Dummkopf in den Himmel denn als ein Aufgeklärter in die Hölle zu kommen! Man fürchte Gott der Hölle und liebe Ihn des Himmels wegen!‘ Wenn aber das der Grund unserer Lehre ist, wie willst du von mir denn eine Konsequenz haben?“

[4.10] Spricht der Engel: „Leider ist mir das nur zu bekannt, wie es mit der Lehre Babels steht, und wie sie dem Evangelium schnurstracks entgegen ist, allda es ausdrücklich heißt: ‚Verdammt nicht, auf dass ihr nicht verdammt werdet; und richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!‘ Ihr aber verdammt und richtet allzeit jedermann, der sich nicht unter euer Babelsszepter schmiegt!

[4.11] Sage: Seid ihr da wohl Christi, so ihr doch nicht im Geringsten Seiner allersanftesten Lehre seid? Ist in der Lehre Christi nicht die größte, allererhabenste Ordnung und Konsequenz wie in der ganzen Schöpfung? Weht nicht die Fülle des Heiligen Geistes aus jeglichem Wort des Evangeliums? Seid ihr aber im Wort und Werk nicht allzeit gegen den Heiligen Geist gewesen, da ihr absichtlich allzeit der reinsten Lehre entgegengehandelt habt, die voll ist des Heiligen Geistes, indem dieser erst die vorher vom Herrn verkündigte Lehre für ewig bleibend den Aposteln und Jüngern wiedergab?!

[4.12] Du siehst sonach daraus, auf welch verdammlichem Grund du stehst, wie ganz reif für die Hölle! Aber der Herr will dir Gnade für Recht ergehen lassen; darum beschickt Er mich zu dir, auf dass ich dich erretten soll aus deiner alten babylonischen Gefangenschaft!

[4.13] Aus dem Grund will es der Herr, dass du dich vor allem mit deinen stärksten Augendornen vergleichen und aussöhnen sollst, so du je auf den Himmel einen Gnadenanspruch nehmen willst; willst du aber bei deinen Babelslehren verharren, so wirst du dich selbst zur Hölle treiben, aus der dich schwerlich je ein Freund Jesu des Herrn herausholen wird!“

[4.14] Spricht der Bischof: „Ja, ja, liebster Freund, es fängt an, zum ersten Mal etwas von einer Konsequenz in mir emporzutauchen! Daher habe nur Geduld mit mir; ich will ja in Gottes Namen schon tun, was du willst! Aber nur von der schrecklichsten Hölle rede mir nichts mehr – und führe mich nur weiter!“

[4.15] Spricht der Engel: „Wir sind vorderhand schon am Ziel. Siehe, eben hier bei diesem lutherischen Landmann und Bischof zugleich, der ich selbst es bin, wirst du einen Dienst als Schafhirte bekommen und die treue Verwaltung dieses Amtes wird dir Brot und ein allmähliches Emporkommen bewirken! Wirst du aber dabei mürrisch und richterisch zu Werke gehen, so wirst du dir sehr schaden und wirst dir schmälern Brot und Emporkommen! Willst du aber ein getreuer Diener sein, so denke nicht mehr an dein irdisch Sein zurück, sondern denke vielmehr, dass du hier wieder ab origina [von Anfang an] musst zu dienen anfangen, so du es vorwärtsbringen willst.

[4.16] Aber das merke dir übergut: Vorwärtsgehen heißt hier zurücktreten und der Letzte und Geringste sein wollen. Denn niemand kommt eher zum Herrn, als bis er sich unter seiner kleinsten Zehe durch und durch in allem und jedem gedemütigt hat. Nun weißt du für diese deine Lage alles; darum folge mir in dies Haus guten Herzens! Dein Wille!“

[4.17] Der Bischof folgt ihm nun ohne Einrede, denn er sieht, dass sein Führer es mit ihm unmöglich übel meinen kann.

[5.1] Als die beiden in das Haus kommen, das sehr einfach und fürs Nötigste eingerichtet war, erschaute unser Bischof auf einem kleinen dreieckigen Tisch die lutherische Bibel des Alten und Neuen Testaments und ward sichtlich verlegen darob.

[5.2] Solches aber merkte natürlich sogleich der Engel Petrus und sprach zu ihm: „Was wohl hat je Luther dir getan, dass du ob der großen Verachtung dieses Mannes auch seine möglichst getreue Bibelübersetzung, in der nichts als das reine Wort Gottes enthalten ist, mit verachtest?

[5.3] Siehe, war Luther auch nicht in der Fülle ein Mann, von dem sich mit vollstem Recht sagen ließe: ‚Er war ein Mann nach dem Herzen Gottes!‘, so war er aber dennoch um überaus vieles besser als gar überaus viele aus deiner Kirche, die da wollen die allein Rechten und Allervollkommensten sein, im Grunde aber dennoch die Allerunvollkommensten und die Allerletzten sind! Denn er allein hatte inmitten der krassesten Babelsnacht den löblichen Mut, der Menschheit das reine Wort Gottes wiederzubringen und diese dadurch auf den rechten Weg des Herrn zu führen!

[5.4] Waren auf diesem Weg wohl auch einige Opazitäten [Dunkelheiten] anzutreffen – was natürlich Folgen des noch zu nahen Babels (Roms) waren –, so war aber dennoch seine Lehre nach dem reinen Wort des Herrn gegenüber der alten Irrlehre Roms gleich einer Mittagssonne gegen ein allermattestes Sumpflicht in einer stockfinsteren Nacht!

[5.5] Wenn Luther aber solches im Namen des Herrn gewirkt hat, sage, welchen Grund hast du dann wohl, diesen würdigen Mann so zu verschmähen und zu verachten?“

[5.6] Spricht der Bischof: „Ich verachte ihn gerade nicht; aber du weißt es, so man lange der Sklave einer Partei war, so hat man mit der Zeit einen künstlichen Hass gegen den in sich herangebildet, den seine Partei bei tausend Gelegenheiten verflucht und verdammt hat! Das ist denn auch bei mir der Fall. Ich hoffe aber zu Gott und erwarte von Ihm, dass Er mir helfen wird, alle solche meine von der Erde hierhergebrachten Torheiten von A bis Z rein abzulegen. Daher stoße dich nicht an mir, es wird mit mir schon noch hoffentlich besser werden.“

[5.7] Spricht der Engel Petrus: „O Bruder, ermahne du nicht mich, sondern nur dich selbst zur Geduld! Denn du weißt es nun noch nicht, was dir alles begegnen wird; ich aber weiß [es] und muss daher so mit dir handeln, auf dass du in der Wahrheit gestärkt werdest, jenen Versuchungen kräftigst zu begegnen, die dir tausendfach auf dem Weg zum Herrn vorkommen werden.

[5.8] Da sehe zum Fenster hinaus! Siehst du dort die vielen tausend Schafe und Lämmer, wie sie mutig durcheinanderrennen und springen?

[5.9] Hier aber ist ein Buch, in dem ihre Namen verzeichnet sind; nimm es zu dir und rufe sie alle beim Namen daraus! So sie in deinem Ruf eines rechten Hirten Stimme erkennen werden, so werden sie eiligst zu dir kommen. Werden sie aber in dir eine Mietlingsstimme erkennen, dann werden sie sich zerstreuen und werden dich fliehen. Wenn aber solches geschieht, da murre nicht, sondern erkenne, dass du ein Mietling bist; und es wird dann ein anderer Hirte zu dir kommen und wird dich lehren, wie Schafe und Lämmer zu hüten und wie zu rufen sind!

[5.10] Nun aber nimm dies Verzeichnis; gehe hinaus und tue, wie ich dir’s nun geraten habe.“