Am 2. September 1844
[295.1] Von da an tat das Knäblein Jesus wieder kein Zeichen mehr, sondern tat wie alle anderen Menschenkinder.
[295.2] Nur war Es gerne beim Joseph, wenn er Gerätschaften als: Pflüge, Joche, Stühle, Tische, Betten und dergleichen verfertigte, und es misslang dem Joseph nie etwas.
[295.3] Da aber das Knäblein bereits ins zehnte Jahr ging und Sich gar nicht mehr unterscheiden wollte von anderen Kindern,
[295.4] da sprach einmal Joseph zur Maria: „Siehe, die Leute herum schmähen, dass wir Jesus so ganz ohne Schulunterricht aufwachsen lassen, da Er doch so herrliche Talente und Anlagen besäße!
[295.5] Ich weiß wohl, dass Jesus des Weltschulenunterrichtes nicht vonnöten hat;
[295.6] aber um den Nachbarn den Mund zu stopfen, möchte ich Ihn gleichwohl zu einem Lehrer geben.
[295.7] Und da jetzt zwei neue Schulen in der Stadt errichtet worden sind, deren beide Lehrer sehr geschickt sein sollen, so möchte ich es mit dem einen oder mit dem anderen versuchen!“
[295.8] Maria willigte dazu ein; denn auch sie sah die scheinbare Notwendigkeit dessen ein.
[295.9] Und Joseph nahm Jesus zu sich und führte Ihn zum ersten Lehrer.
[295.10] Dieser übernahm das Knäblein sogleich und sprach zum Joseph: „Zuerst solle er – der vielen Griechen unter uns wegen – Griechisch und dann erst Hebräisch lernen!
[295.11] Ich kenne wohl die sonderbaren Eigenheiten dieses Kindes und habe eine kleine Furcht vor ihm.
[295.12] Aber ich will dennoch tun, was recht sein wird; nur musst du mir den Knaben ganz übergeben!“
[295.13] Joseph willigte dazu ein und gab Jesus ganz ins Haus des Lehrers.
[295.14] Drei Tage genoss hier Jesus die gewöhnliche Freiheit; erst am vierten Tag nahm Ihn der Lehrer ins Schulzimmer.
[295.15] Allda führte er Ihn an die Tafel und schrieb vor Ihm das ganze Alphabet und fing an es zu erklären.
[295.16] Nachdem er es einige Male durcherklärt hatte, da fragte er Jesus, was Er Sich davon gemerkt habe.
[295.17] Jesus aber tat, als wüsste Er nichts von dem Erklärten, und gab dem Lehrer keine Antwort.
[295.18] Und der Lehrer plagte den Knaben und sich drei Tage lang und bekam nie eine Antwort.
[295.19] Am vierten Tag aber ward er unwillig und forderte den Knaben Jesus unter Androhung von einer tüchtigen Strafe auf, ihm zu antworten.
[295.20] Da sprach der Knabe zu ihm: „Wenn du in der Wahrheit ein Lehrer bist, und wenn du die Buchstaben wirklich kennst, so zeige Mir die wahre Grundbedeutung des Alpha, und Ich werde dir die des Beta kundgeben!“
[295.21] Darob ward der Lehrer zornig und schlug Jesus mit dem Zeigestäbchen an den Kopf.
[295.22] Das tat dem Knaben weh, und Er sprach zum Lehrer: „Ist das die weise Art, dich deiner Dummheit zu entledigen?
[295.23] Wahrlich, der Schläge wegen bin Ich nicht bei dir, und das ist nicht die Art, Menschen zu lehren und zu bilden!
[295.24] Du aber sollst Mir stumm werden und unsinnig darum, dass du Mich, anstatt Mir eine rechte Erklärung zu geben, geschlagen hast!“
[295.25] Und an der Stelle sank der Lehrer zusammen und ward, wie rasend, gebunden in ein anderes Zimmer gebracht.
[295.26] Jesus aber kehrte sogleich zum Joseph nach Hause und sagte da:
[295.27] „Ein anderes Mal bitte Ich Mir einen anderen Lehrer aus, der nicht mit dem Stock in der Hand in die Schule kommt; der aber büßt nun seinen Frevel an Mir!“
[295.28] Da wusste Joseph, was sicher wieder geschehen war, und sprach zur Maria: „Also dürfen wir Jesus nicht mehr aus den Händen lassen; denn Er züchtigt jeden, der nicht nach Seinem Sinne ist!“
[295.29] Und die Maria war damit einverstanden; und niemand wagte Jesu einen Vorwurf zu machen.
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