Am 16. Juli 1844
[255.1] Als Maria ihre Kleidung wieder ersah, da ward sie froh wohl, aber zugleich hatte sie auch wieder ein Mitleid mit denen, die ihr die Kleider zurückgebracht hatten.
[255.2] Denn sie dachte sich: „Diese haben gewiss von dem Geld nichts erhalten, darum sie dann aus Not nach den armen Kleidern gegriffen haben.
[255.3] Nun werden sie wohl einer starken Not ausgesetzt sein.
[255.4] O wären sie noch da, ich gäbe ihnen ja gerne die Kleider oder so viel Geldes, dass sie sich ein Kleid darum anschaffen könnten!“
[255.5] Hier kam das Kindlein zur Mutter und sprach:
[255.6] „Aber Mutter! – heute aber bist du schön! Wenn du wüsstest, wie schön du bist, du möchtest gerade eitel werden!“
[255.7] Maria lächelte hier und sagte zum sie streichelnden Kleinen:
[255.8] „O Du mein liebster Jesus! Bin ich denn nicht alle Tage gleich schön?“
[255.9] Und das Kindlein sprach: „O ja, du bist wohl stets sehr schön; aber manchmal bist denn doch ein wenig schöner als manchmal!“
[255.10] Heute aber bist du schon ganz besonders schön! Wahrlich, von tausend Erzengeln bist du nun umringt, und jeder will am nächsten bei dir sein!“
[255.11] Maria aber verstand des Kindleins Rede nicht und sah sich um und um, ob da irgendein Erzengel zu erschauen wäre.
[255.12] Aber sie ersah nichts, als was das Zimmer enthielt, und fragte darum das Kindlein:
[255.13] „Ja, wo sind denn hernach die tausend Erzengel, da ich doch keinen zu erschauen vermag?!“
[255.14] Da sagte das Kindlein: „Du darfst ja keinen erschauen; da könntest du eitel werden!
[255.15] Du aber bist nun darum so schön vor allen Engeln der Himmel, weil in deinem Herzen eine so große Barmherzigkeit aufgestiegen ist, die der Meinen nahe gleichkommt!
[255.16] Denn siehe, seine Feinde gerecht und menschlich einer Buße zu unterziehen, ist eben auch gerecht und Gott wohlgefällig, und es solle allzeit also sein auf der Erde;
[255.17] aber seinen Feinden von ganzem Herzen ihre Schuld vergeben und ihnen dazu noch Gutes tun und sie segnen, – siehe, das ist rein göttlich!
[255.18] Das bringt nur die endlose Kraft der göttlichen Liebe zuwege;
[255.19] denn die menschliche ist dazu zu schwach!
[255.20] Weil du aber eben solches getan hast, wie es Gott tut, darum bist du nun so schön! Denn Gott ist die allerhöchste Schönheit, weil die höchste Liebe!
[255.21] Tue aber nun auch, das dein Herz verlangt, so wird dir Mein Reich der Liebe wie ein Königtum zufallen, und du wirst eine Königin sein darinnen ewig!“
[255.22] Hier sandte die Maria sogleich den Jonatha den Dieben nach; dieser brachte sie zurück, und die Maria beschenkte sie alle reichlichst mit dem Geld, das ihr der Jonatha hatte gegeben also wie dem Joseph.
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