Am 11. Juli 1844
[251.1] Als sich nun alles in dem Haus befand und die Maria sich auch überzeugte, dass sogar ihr Kleiderschrank und der der Eudokia rein ausgeplündert waren,
[251.2] da kamen ihr Tränen in die Augen, samt der Eudokia, und sie sprach zum Joseph:
[251.3] „Da siehe einmal her, auch das Kleid, das ich im Tempel hatte, ist ein Raub schlechter Menschen geworden!
[251.4] Wahrlich, es geschieht mir darum recht hart und wehe in meinem Herzen!
[251.5] Wir sind in Kleidern ohnehin so dürftig bestellt, als man sich’s je denken kann, und dennoch mussten wir sogar das Notdürftigste einbüßen!
[251.6] Es sei zwar alles dem Herrn aufgeopfert, aber es schmerzt mich doch, weil es das einzige war, das ich zum notwendigen Wechsel besaß!
[251.7] Nun habe ich bloß dieses schon schleißige Alltagskleid und nicht einen Groschen, um mir einen nötigsten Wechsel anzuschaffen!
[251.8] Wahrlich, das tut mir recht weh! Noch mehr aber schmerzt es mich, dass die argen Diebe auch die Wäsche des Kindleins genommen haben!
[251.9] Das hat nun das einzige Hemdchen, das Es nun am Leibe trägt! Wie werde ich Ihm nun ein zweites anschaffen können!?
[251.10] O Du mein armes Kindlein, siehe, siehe, jetzt werde ich Dir nicht mehr können alle Tage ein frisches Hemdchen anziehen, das Dir immer so wohl tat!“
[251.11] Hier trat der Jonatha hinzu, tief gerührt, und sprach: „O du erhabenste, übergeheiligte Mutter meines Herrn! Traure nicht; denn ich habe ja nun auch Gold und Silber!
[251.12] Mit der größten Freude gebe ich es ja dir bis zum letzten Stater, und du magst es dann gebrauchen nach deinem Bedürfnis!
[251.13] Ich weiß es zwar wohl, dass der Herr aller Herrlichkeit nicht auf mein Gold und Silber ansteht; denn Er, der alle Tiere und alle Bäume und Kräuter und alle Welt so herrlich bekleidet, wird auch Seines Leibes Mutter nicht nackt werden lassen!
[251.14] Aber dennoch möchte ich nun gar so gerne meiner Seligkeit willen dir alle meine Schätze zum Opfer bringen!
[251.15] O Mutter, nehme sie an aus meinem Herzen und aus meiner Hand!“
[251.16] Hier blickte die Maria den Jonatha freundlichst an und sprach:
[251.17] „O Jonatha, wie groß und edel bist du! Dein Wille gilt mir fürs Werk!
[251.18] Wenn es aber dem Herrn angenehm wäre, da möchte ich wohl fürs Kindlein dich um eine Unterstützung bitten!
[251.19] Sollte es aber jedoch dem Herrn nicht angenehm sein, so habe ich schon alles aus deinem Herzen empfangen, dafür ich dir nie aufhören werde dankbar zu sein!“
[251.20] Hier kam das Kindlein herzu und sagte zum Jonatha: „Lieber Jonatha, tue das, was die Mutter von dir wünscht, und dir solle einst ein großer Lohn werden!
[251.21] Denn siehe, wir sind nun wirklich arm, und das umso mehr, da Ich des Heiles der Menschen wegen kein Wunder wirken darf!“
[251.22] Hier sprang der Jonatha voll Freuden nach Hause und brachte in kürzester Zeit all sein Gold und Silber und legte es der Maria zu Füßen.
[251.23] Als die Maria und der Joseph solches ersahen, da weinten beide vor Freuden.
[251.24] Jonatha aber weinte mit und konnte nicht genug Gott danken, dass er solcher Gnade wert ward, die Maria zu unterstützen.
[251.25] Das Kindlein aber segnete den Jonatha und sprach zur Maria: „Siehe, das wird uns schon wieder ein frisches Hemdchen verschaffen; darum sei nun nur wieder heiter!“ – Und alle wurden wieder heiter und fröhlich.
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