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136. Cyrenius entdeckt einen Verräter unter seiner Dienerschaft. Das Gericht des Löwen

Am 8. Februar 1844

[136.1] Der Cyrenius weckte aber auch sogleich seine Dienerschaft und berief sie, dass sie ihm zur Rede stehe, wie solche Verräterei geschah.

[136.2] Die Dienerschaft erschrak über diesen Anblick und sprach zum erzürnten Statthalter:

[136.3] „Allergestrengster, gerechtester und mächtigster Herr, Herr! Die Götter sollen unsere Zeugen sein, dass wir von allem dem nicht eine Silbe wussten!

[136.4] Wir wollen alle des Todes sein, so wir daran nur die allergeringste Teilnahme oder selbst nur die geringste Wissenschaft haben!“

[136.5] Und der Cyrenius sprach: „Also schafft denn diese Leichen hinaus und beerdigt sie vor dieser Burg auf dem offenen Platz zum abschreckenden Beispiel für alle jene, die etwa noch ihres Sinnes wären!“

[136.6] Die Dienerschaft aber hatte eine große Furcht vor den drei Löwen, die noch das Lager des Cyrenius streng bewachten, und sprach:

[136.7] „O Herr, Herr! Siehe, wir getrauen uns nicht, hier etwas anzurühren; denn die drei Bestien sehen zu grimmig aus und könnten uns das tun, was sie diesen Meuterern taten?!“

[136.8] Und der Cyrenius sprach: „Wer aus euch redlichen Gewissens ist, der trete hervor und überzeuge sich, dass auch diese grimmigen Tiere die Treue respektieren!“

[136.9] Auf diese Rede des Cyrenius traten bis auf einen alle hervor, und die Löwen taten ihnen nicht das mindeste zuleide.

[136.10] Cyrenius aber fragte den Rückgebliebenen: „Warum bleibst denn du zurück, während du doch siehst, wie deine Kameraden von den Löwen nicht im Allergeringsten beleidigt werden?!“

[136.11] Und der Gefragte sprach: „Herr, Herr, sei mir barmherzig; denn ich habe ein unreines Gewissen!“

[136.12] Und der Cyrenius fragte ihn: „Worin besteht denn die Unreinheit deines Gewissens? Rede, willst du nicht sterben!“

[136.13] Und der Gefragte sprach: „Herr, Herr! – ich wusste von diesem Verrat seit gestern Morgen, wollte aber dir nichts davon kundtun, weil ich bestochen ward mit hundert Pfund Silbers!

[136.14] Denn ich dachte mir, du wirst ohnehin gerettet werden, wie der weise Mann draußen in der Villa gerettet ward, und so nahm ich das Silber an.“

[136.15] Hier sprang der Cyrenius auf und sprach: „Also muss denn ein jeder ehrliche Menschenfreund unter seinen Dienern und Freunden auch einen Teufel haben!?

[136.16] Du elender Schurke, da trete her vor das Gericht Gottes! Findest du Gnade vor diesem Gericht, da will auch ich dich nicht richten!

[136.17] Findest du aber vor diesem Gericht keine Gnade, so bist du schon gerichtet für ewig!“

[136.18] Hier fing der Gefragte und also Beheißene an zu zagen und sank ohnmächtig zusammen.

[136.19] Da stand ein Löwe auf, bewegte sich hin zu dem Ohnmächtigen, erfasste dessen Hand und schleppte ihn ganz behutsam hin vor den Cyrenius, allwo der Schuldige regungslos liegenblieb.

[136.20] Dann aber sprang derselbe Löwe mit großer Hast in das offene Gemach und packte im selben einen Ballen, zog ihn hervor und zerriss ihn in tausend Stücke.

[136.21] Und die hundert Pfunde Silbers kamen zum Vorschein, die der Diener für sein Schweigen erhielt.

[136.22] Der Cyrenius staunte nicht wenig über diese Erscheinung.

[136.23] Der Löwe aber fasste darauf wieder den Schuldigen am Arm, zog ihn in das Seitengemach und legte ihn gerade an die Stelle hin, wo ehedem der Ballen lag.

[136.24] Da versetzte er ihm einige Schweifhiebe, die den Betäubten wieder zu sich brachten, und tat ihm sonst nichts an.

[136.25] Darauf kam der Löwe wieder zurück an seine vorige Stelle und verhielt sich mit den zwei Kameraden ganz ruhig.

[136.26] Die Dienerschaft begann nun die Leichen wegzuräumen nach des Cyrenius Befehl. Und der Cyrenius lobte und pries den Gott Israels, dass Er ihn also wunderbar gerettet hatte, – und in einer Stunde ward das Schlafgemach völlig wieder gereinigt.

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