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107. Die große Uneigennützigkeit Josephs. Cyrenius übergibt ihm acht arme Kinder zur Erziehung

Am 3. Jänner 1844

[107.1] Nun aber sprach der Cyrenius zum Joseph: „Erhabener Freund und Bruder! Ich habe nun in deinem Haus mein größtes Glück in jeder Hinsicht gemacht; sage nun, welchen Lohn du für dich von mir verlangst?!

[107.2] O sage, wie kann ich es dir nur im geringsten Maße vergelten, was alles du an mir getan hast?!

[107.3] Bringe aber ja etwa nicht diese Villa in den Anschlag, welche als Lohn für dich wohl etwas zu Geringes und zu Elendes ist!“

[107.4] Und der Joseph sprach: „O Bruder und Freund! Was wohl hältst du von mir?!

[107.5] Meinst du denn, ich bin ein Wohltatskrämer und tue Gutes nur eines Lohnes wegen?

[107.6] O wie groß irrst du dich da, wenn du solches von mir glaubst!

[107.7] Siehe, ich kenne nichts Elenderes als einen bezahlten Wohltäter und eine bezahlte Wohltat!

[107.8] Wahrlich, ich sei verflucht und der Tag und die Stunde, in der ich geboren ward, so ich von dir auch nur einen Stater annehmen möchte!

[107.9] Nehme du daher nur ganz wohlgemut dein Weib zu dir, die gereinigte Tullia; was du ihr und noch so manchen Armen tun wirst, das werde ich allzeit als einen guten Lohn für meine Taten an dir ansehen und annehmen!

[107.10] Dieses Haus doch verschone mit jeder Dotation; denn was ich habe, ist genug für uns alle – wozu solle da ein mehreres?

[107.11] Du meinst etwa, ich werde für die Eudokia irgendein Kostgeld von dir verlangen? Oh – des sei ruhig!

[107.12] Ich nehme sie auf als eine Tochter und werde sie erziehen in der Gnade Gottes.

[107.13] Wo aber ist wohl der Vater, der sich für die Erziehung seiner Tochter je noch von jemandem hatte etwas zahlen lassen?!

[107.14] Ich sage dir, Eudokia ist mehr wert als alle Welt; daher gibt es auf der Welt auch keinen Lohn, der mir nun um sie annehmbar geboten werden könnte.

[107.15] Der große Lohn aber, den ich für all mein Tun habe, siehe, der liegt nun in den Armen der Eudokia!“

[107.16] Als aber der Cyrenius diese große Uneigennützigkeit Josephs ersah, da sprach er höchst gerührt:

[107.17] „Wahrlich, vor Gott und allen Menschen der Erde stehst du allein da als ein Mensch aller Menschen!

[107.18] Dich mit Worten zu rühmen, wäre eine vergebliche Mühe; denn du bist über jedes Menschenwort erhaben!

[107.19] Ich aber weiß, was ich tun werde, um dir zu zeigen, wie überaus hoch ich dich achte und schätze!

[107.20] Ein Geschenk werde ich dir machen, das du sicher nicht von dir abweisen wirst!

[107.21] Siehe, ich habe in Tyrus drei Mädchen und fünf Knaben von ganz dürftigen Eltern, die aber schon verstorben sind.

[107.22] Diese lieben Kinder werde ich hierher zu dir bringen lassen, auf dass sie von dir erzogen werden!

[107.23] Dass ich für ihren Unterhalt sorgen werde, des kannst du vollends versichert sein.

[107.24] Wirst du mir auch das abschlagen? – Nein, Joseph, du mein erhabenster Bruder, das wirst du sicher nicht tun!“

[107.25] Und der Joseph sprach ganz gerührt: „Nein, Bruder, das werde ich dir nimmer versagen! Sende diese Kinder daher nur so bald als möglich hierher; sie sollen bestens versorgt werden in allem, was ihnen nottut!“

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