Am 9. Oktober 1843
[41.1] Darauf sprach Joseph zum Cyrenius: „Edler Freund, gut und edel ist dein Vorsatz; aber du wirst ihn kaum auszuführen imstande sein!
[41.2] Denn siehe, noch in dieser Nacht werden Briefe zu dir gelangen vom Herodes aus, in denen du aufgefordert wirst, Kindlein männlichen Geschlechtes längs dem Meeresufer von ein bis zwei Jahren aufzufangen und nach Bethlehem zu schicken, damit sie Herodes dort töten wird!
[41.3] Du kannst dich aber dem Herodes wohl widersetzen; aber dein armer Bruder muss leider zu diesem bösen Spiel eine politisch gute Miene machen, um sich nicht dem Biss dieser giftigsten aller Schlangen auszusetzen.
[41.4] Glaube mir, während ich nun bei dir bin, wird in Bethlehem gemordet, und hundert Mütter zerreißen in Verzweiflung ihre Kleider ob dem grausamsten Verlust ihrer Kinder!
[41.5] Und das geschieht alles dieses einen Kindes wegen, von dem die drei Weisen Persiens geistig aussagten, dass Es ein König der Juden sein wird!
[41.6] Herodes aber verstand darunter einen Weltkönig, darum will er ihn töten, indem er selbst die Herrschaft Judäas erblich auf sich bringen will und fürchtet, dieser möchte sie ihm einst entreißen, – während dies Kind doch nur in die Welt kam, das Menschengeschlecht zu erlösen vom ewigen Tode!“
[41.7] Als der Cyrenius solches vernommen hatte, da sprang er auf vor Grimm gegen den Herodes und sprach zu Joseph:
[41.8] „Höre mich an, du Mann Gottes! Dieses Scheusal soll mich nicht zu seinem Werkzeug dingen! Heute noch werde ich mit dir abreisen, und in meinem eigenen dreißigruderigen Schiff wirst du ein gutes Nachtlager finden!
[41.9] Meinen vertrautesten und bei allen Göttern geschworenen Amtsgehilfen aber werde ich schon die Weisung geben, was sie mit allen Boten zu tun haben, die da mit an mich gerichteten Depeschen hier anlangen.
[41.10] Siehe, nach unseren geheimen Gesetzen müssen sie so lange in Gewahrsam gehalten werden, bis ich wieder hierher komme!
[41.11] Die Briefe aber werden ihnen abgenommen und müssen mir ohne Wissen der Herodesboten nachgesendet werden, auf dass ich daraus ersehe, wessen Inhaltes sie sind.
[41.12] Ich aber weiß nun schon, wes Inhaltes die Briefe sicher sein werden, und weiß auch, wie lange ich ausbleiben werde. Sollten Nachboten kommen, so wird auch sie der Wartturm aufnehmen auf so lange, bis ich wiederkomme!
[41.13] Und so lasse du nun deine Familie reisefertig machen, und wir wollen sogleich mein sicheres Schiff besteigen!“
[41.14] Der Joseph aber ward nun damit zufrieden, und in einer Stunde befanden sich alle ganz wohl untergebracht im Schiff; selbst die Lasttiere Josephs wurden wohl untergebracht. Ein Nordwind blies, und die Fahrt ging wohl vonstatten.
Am 10. Oktober 1843
[41.15] Sieben Tage dauerte die Fahrt, und alle Matrosen und Schiffsleute beteuerten, dass sie so ganz ohne den allergeringsten Anstand noch nie dieses Gewässer durchrudert hätten, als diesmal, –
[41.16] was sie aber für diese Zeit umso mehr für wunderbar hielten, indem – wie sie ihres Glaubens sagten – der Neptun in dieser Zeit gar heikel sei mit seinem Element, da er seine Schöpfungen im Grund des Meeres ordne und mit seiner Dienerschaft Rat halte!
[41.17] Der Cyrenius aber sagte zu den sich wundernden Schiffsleuten: „Hört, es gibt eine zweifache Dummheit: die eine ist frei, die andere geboten!
[41.18] Wärt ihr in der freien, da wäre euch zu helfen; aber ihr seid in der gebotenen, welche sanktioniert ist, und da ist euch nicht zu helfen.
[41.19] Und so mögt ihr ja dabei bleiben, als habe Neptunus seinen Dreizack verloren und habe sich nun nicht getraut, mit seiner schuppigen Hand uns zu züchtigen für unseren Frevel, den wir an ihm begangen haben!“
[41.20] Der Joseph aber sprach zum Cyrenius, fragend: „Ist es nicht üblich, dass man den Schiffsleuten einen Lohn verabreicht? Sage es mir, und ich will es tun, wie sich’s gebührt, damit sie uns nichts Übles nachreden sollen!“
[41.21] Der Cyrenius aber sagte: „Lasse das gut sein; denn siehe, diese sind unter meinem Gebot und haben ihren Dienstsold; daher hast du dich um Weiteres nicht zu kümmern!“
[41.22] Joseph aber erwiderte: „Das ist sicher und wahr, – aber sie sind doch auch Menschen wie wir; daher sollen wir ihnen auch als Menschen entgegenkommen!
[41.23] Ist ihre Dummheit eine gebotene, so sollen sie ihre Haut dem Gebot weihen, aber ihren Geist soll meine Gabe ihnen frei machen!
[41.24] Lasse sie daher hierher kommen, auf dass ich sie segne und sie in ihrem Herzen möchten zu gewahren anfangen, dass auch für sie die Sonne der Gnade und Erlösung aufgegangen ist!“
[41.25] Hier berief der Cyrenius die Schiffsleute zusammen, und der Joseph sprach über sie folgende Worte:
[41.26] „Hört mich an, ihr getreuen Diener Roms und dieses eures Herrn! Treu und fleißig habt ihr das Schiff geleitet; ein guter Lohn soll von mir, dem diese Fahrt galt, euch dargereicht werden!
[41.27] Aber ich bin arm und habe weder Gold noch Silber; aber ich habe die Gnade Gottes im reichen Maße, und das die Gnade jenes Gottes, den ihr ‚den Unbekannten‘ nennt!
[41.28] Diese Gnade möge euch der große Gott in eure Brust gießen, auf dass ihr lebendigen Geistes werdet!“
[41.29] Auf diese Worte kam über alle ein endloses Wonnegefühl, und alle fingen an, den unbekannten Gott zu loben und zu preisen.
[41.30] Und der Cyrenius erstaunte sich über diese Wirkung des Segens vom Joseph und ließ sich dann selbst segnen vom Joseph.
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