Am 16. September 1843
[30.1] Als der gute Joseph alles das vernommen hatte, da ward es ihm leichter ums bedrängte Herz; und da er vernommen hatte, dass der Hauptmann zu ihm kommen werde, so machte er sich auf seinen Empfang bereit.
[30.2] Und der Hauptmann trat ein, grüßte den Joseph und sprach dann zu ihm: „Mann meiner höchsten Achtung!
[30.3] Siehe, durch wunderbare Fügung sind diese draußen nun harrenden Morgenländer hierher gekommen. Ich habe sie scharf geprüft und habe an ihnen nichts Arges entdeckt!
[30.4] Sie wünschen dem Kind nach der Beheißung ihres Gottes ihre Huldigung darzubringen, und so bin ich der Meinung, du kannst sie ohne die allergeringste Furcht hereinlassen, wann es dir gelegen ist.“
[30.5] Und der Joseph sprach: „Wenn es also ist, da will ich meinen Gott loben und preisen; denn Er hatte wieder einen glühenden Stein von meinem Herzen genommen!
[30.6] Aber es hatte sich zuvor die Maria etwas entsetzt, als sich die Perser um diese Höhle zu lagern anfingen; darum muss ich doch zuvor nachsehen, wie sie bestellt ist, auf dass da ein unvorbereitetes Eintreten dieser Gäste sie nicht noch mehr erschreckt, als sie sich schon ehedem vor ihnen erschreckt hatte.“
[30.7] Der Hauptmann aber billigte diese Vorsicht Josephs; und der Joseph ging hin zur Maria und benachrichtigte sie von allem, was er vom Hauptmann vernommen hatte.
[30.8] Und Maria ganz heiteren Mutes sprach: „Friede allen Menschen auf Erden, die eines treuen und guten Herzens sind und haben einen Willen, der sich von Gott lenken lässt!
[30.9] Diese sollen nur kommen, wann es ihnen des Herrn Geist anzeigen wird, und sollen den Segen ihrer Treue ernten! Denn ich habe nicht die allergeringste Furcht vor ihnen!
[30.10] Aber wenn sie eintreten werden, musst du doch mir recht nahe zur Seite stehen; denn es würde sich doch nicht schicken, dass ich sie ganz allein empfinge in diesem Zelt!“
[30.11] Der Joseph aber sagte: „Maria, so du Kraft hast, da stehe auf mit dem Kind, nehme das Krippel [Krippchen] und lege Es vor dir in dasselbe, und dann können die Gäste eintreten und dem Kind ihre Ehre geben!“
[30.12] Und die Maria vollzog sogleich diesen Willen Josephs, und Joseph sprach darauf zum Hauptmann:
[30.13] „Siehe, wir sind bereit; so da die drei eintreten wollen, da können wir es ihnen schon andeuten, dass wir nach unserer Armut ganz auf ihren Empfang bereitet sind!“
[30.14] Und der Hauptmann ging hinaus und kündigte solches den dreien an. Die drei aber fielen sobald zur Erde nieder, lobten Gott für diese Gestattung, nahmen dann die goldenen Säcke und begaben sich allerehrfurchtsvollst in die Höhle.
Am 18. September 1843
[30.15] Der Hauptmann öffnete die Tür, und die drei traten mit der allerhöchsten Ehrfurcht in die Höhle; denn es ging im Augenblick ihres Eintretens ein mächtiges Licht vom Kind aus.
[30.16] Als sie, die drei Weisen nämlich, sich auf ein paar Tritte dem Krippel [Krippchen], darinnen das Kindlein lag, näherten, da fielen sie sobald auf ihre Angesichter nieder und beteten dasselbe an.
[30.17] Bei einer Stunde lang lagen sie, von der höchsten Ehrfurcht ergriffen und gebeugt, vor dem Kind; dann erst erhoben sie sich langsam und richteten kniend ihre mit Tränen befeuchteten Angesichter auf und besahen den Herrn, den Schöpfer der Unendlichkeit und Ewigkeit.
[30.18] Die Namen der drei aber waren Chaspara, Melcheor und Balthehasara.
[30.19] Und der Erste, in Gesellschaft des Geistes Adams, sprach: „Gebet Gott die Ehre, das Lob, den Preis! Hosianna, hosianna, hosianna Gott, dem Dreieinigen, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“
[30.20] Hier nahm er den goldgewirkten Beutel, in dem dreiunddreißig Pfunde feinsten Weihrauchs waren, und übergab ihn mit der größten Ehrerbietung der Maria mit den Worten:
[30.21] „Nimm ohne Scheu, o Mutter, dies geringe Zeugnis dessen, davon mein ganzes Wesen ewig erfüllt sein wird! Nimm hin den schlechten äußeren Tribut, den jedes denkende Geschöpf aus dem Grunde seines Herzens seinem allmächtigen Schöpfer schuldet für ewig!“
[30.22] Maria nahm den schweren Beutel und übergab ihn dem Joseph, und der Spender erhob sich, stellte sich hin zur Tür und kniete da abermals nieder und betete den Herrn in dem Kind an.
[30.23] Und sobald erhob der zweite, der da ein Mohr war und des Kains Geist in seiner Gesellschaft hatte, einen etwas kleineren Beutel, aber von gleichem Gewicht, gefüllt mit reinstem Gold, und überreichte ihn der Maria mit den Worten:
[30.24] „Was dem König der Geister und der Menschen auf Erden gebührt, bringe ich da ein kleinstes Opfer Dir, Du Herr der Herrlichkeit ewig! Nimm es hin, o Mutter, die du geboren hast, das aller Engel Zunge ewig nie wird auszusprechen imstande sein!“
[30.25] Hier übernahm Maria den zweiten Beutel und übergab ihn dem Joseph. Und der opfernde Weise erhob sich und ging hin zum ersten und tat, was dieser tat.
[30.26] Sodann erhob sich der dritte, nahm seinen Beutel, gefüllt mit allerfeinster Goldmyrrhe, einer damals allerkostbarsten Spezerei, und übergab ihn der Maria mit den Worten:
[30.27] „Der Geist Abrahams ist in meiner Gesellschaft und sieht nun den Tag des Herrn, auf den er sich so mächtig gefreut hatte!
[30.28] Ich aber, Balthehasara, opfere hier in kleiner Gabe, was da gebührt dem Kind der Kinder! Nimm es hin, o Mutter aller Gnade! Ein besseres Opfer aber berge ich in meiner Brust; es ist meine Liebe, – diese soll diesem Kind ewig ein wahrstes Opfer bleiben!“
[30.29] Hier nahm Maria den ebenfalls dreiunddreißig Pfunde schweren Beutel und übergab ihn dem Joseph. Der Weise aber erhob sich dann auch und ging hin zu den zwei ersten, betete an das Kindlein und ging nach vollendetem Gebet mit den ersten zweien hinaus, da ihre Zelte aufgerichtet waren.
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