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14. Marias Gesicht von den zwei Völkern. Zuflucht in einer Höhle

Am 23. August 1843

[14.1] Also kam unsere frömmste Gesellschaft nahe bis auf sechs Stunden vor Bethlehem hin und machte da eine Rast im Freien.

[14.2] Joseph aber sah nach der Maria und fand, dass sie voll Schmerzes sein musste; daher gedachte er ganz verlegen bei sich selbst:

[14.3] „Was kann das sein? Marias Antlitz ist voll Schmerzes, und ihre Augen sind voll Tränen! Vielleicht bedrängt sie ihre Zeit?“

[14.4] Darum sah Joseph Mariam noch einmal genauer an; und siehe, da fand er sie zu seinem großen Erstaunen lachend!

[14.5] Darum fragte er sie auch sobald: „Maria, sage mir, was wohl geht in dir vor? Denn ich sehe dein Angesicht bald voll Schmerzes, bald aber wieder lachend und vor großer Freude glänzend!?“

[14.6] Maria aber sagte darauf zu Joseph: „Siehe, ich sah nun zwei Völker vor mir; das eine weinte, und da weinte ich notgedrungen mit.

[14.7] Das andere aber wandelte lachend vor mir und war voll Freude und Heiterkeit; und ich musste mitlachen und in seine Freude übergehen! Das ist alles, was meinem Antlitz Schmerz und Freude entwand.“

[14.8] Als Joseph solches vernommen hatte, da ward er wieder beruhigt, denn er wusste, dass Maria öfter Gesichte hatte; daher ließ er denn auch wieder zur Weiterreise aufbrechen und zog hinauf gen Bethlehem.

[14.9] Als sie aber in die Nähe von Bethlehem kamen, da sprach Maria auf einmal zum Joseph:

[14.10] „Höre mich an, Joseph! Das in mir ist, fängt mich an ganz gewaltig zu bedrängen; lasse daher stillhalten!“

[14.11] Joseph erschrak völlig vor diesem plötzlichen Ausruf Mariens; denn er sah nun, dass das gekommen ist, was er eben am meisten befürchtet hatte.

[14.12] Er ließ daher auch plötzlich stillhalten. Die Maria aber sprach wieder sobald zu Joseph:

[14.13] „Hebe mich herab von der Eselin; denn das in mir ist, bedrängt mich mächtig und will von mir! Und ich mag dem Drang nicht mehr widerstehen!“

[14.14] Joseph aber sprach: „Aber um des Herrn willen! Du siehst ja, dass hier nirgends eine Herberge ist, – wo soll ich dich denn hintun?“

[14.15] Maria aber sprach: „Siehe, dort in den Berg hinein ist eine Höhle; es werden kaum hundert Schritte dahin sein! Dorthin bringt mich; weiter zu kommen, ist mir unmöglich!“

[14.16] Und Joseph lenkte sobald sein Fuhr- und Reisewerk dahin und fand zum größten Glück in dieser Höhle, da sie den Hirten zu einem Notstall diente, etwas Heu und Stroh, aus welchem er sogleich für Mariam ein notdürftiges Lager bereiten ließ.

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