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13. „Gleich aber wie da waren die Tage Noahs, so wird auch sein die Ankunft des Menschensohnes.“ (Matthäus 24, 37)

Am 11. Januar 1844, abends

[13.1] Schreibt nur nieder, was ihr habt!

[13.2] „Gleich aber wie da waren die Tage Noahs, so wird auch sein die Ankunft des Menschensohnes.“

[13.3] Ihr habt den Text angesetzt und schon wieder den rechten getroffen; nur liegt die Sache in diesem Text zu offenkundig vor Augen, oder: diese Zentralsonne steht außerordentlich nahe, sodass es im Ernst wunderlich ist, wenn ihr dieselbe nicht auf den ersten Augenblick selbst erschaut, – besonders aus dem Grunde umso wunderlicher, da ihr die Zeit Noahs nun schon beinahe ganz aufgedeckt vor euch habt.

[13.4] Ihr wisst ja, wie ebenfalls zu den Zeiten Noahs die Völker der Tiefe sich in allerlei Literatur und Wissenschaft geworfen haben. Ein euch bekannter König der Tiefe war ein großer Schriftsteller. Seinem Beispiel folgten Tausende, und in kurzer Zeit war die damalige Welt mit einer Unzahl von Büchern und Schriften überschwemmt.

[13.5] Je mehr diese Literatur überhandnahm, je mehr die Menschen lasen und studierten, desto kälter wurden sie in ihren Herzen, – aber zugleich desto raffinierter zur Erfindung aller erdenklichen Bosheit.

[13.6] Man fing durch die Politik an, die Menschen zu fangen und bald scheute man kein Mittel mehr, wenn es noch so himmelschreiend war, um durch dasselbe irgendeinen eitlen, vorgesteckten herrschsüchtigen Zweck zu erreichen. Man kam am Ende so weit, dass man die Menschen allein nach dem Gold schätzte; wer solches nicht besaß, ward zum Sklaven, ja zum förmlichen Lasttier bestimmt, und man trieb in dieser Weise die Gräuelszenen so weit, dass Mir endlich alle Geduld brechen musste und Ich die Erde nur durch ein allgemeines Gericht vor dem Untergang verwahren konnte.

[13.7] Also standen – wie euch ziemlich bekannt – die Sachen zu Noahs Zeiten. Wie stehen sie denn jetzt?

[13.8] Ich habe euch schon vor einer längeren Zeit in den sogenannten „Zwölf Stunden“ gezeigt, wie die Sachen stehen. Wenn Ich euch nun wieder eine neue solche Enthüllung machen würde, da würdet ihr sehr bedeutende Fortschritte der Weltpolitik und der Grausamkeit entdecken; und Ich sage euch: Es fehlt gar nicht mehr viel, dass ihr völlig in die Zeiten Noahs kommen werdet, wo man am Ende gläserne Häuser bauen musste, damit die Männer der abgefeimtesten Politik allzeit ohne große Schwierigkeit beobachten konnten, was die Untertanen taten.

[13.9] Doch es bedarf der gläsernen Häuser nicht; die geheime Politik ist auch in eurer Zeit so weit gediehen, dass sie nicht ein Mittel unversucht lässt, um dadurch ihren herrschsüchtigen Zweck zu erreichen. Würdet ihr eingeweiht sein in die Geheimnisse so mancher Staaten, fürwahr, ihr würdet über Hals und Kopf schreien: „Herr, so schlage doch einmal zu! Denn ärger könnte es ja doch in der tiefsten Hölle nicht zugehen als da!“

[13.10] Ich aber will euch nicht einweihen in solche Geheimnisse; denn so ihr nur ein kleines Augenmerk auf die Früchte hinwerft, so kann es euch nicht entgehen, mit der größten Bestimmtheit zu erschauen, wessen Geistes Kinder solche Propheten sind, die so herrliche Früchte zum Vorschein bringen. Und worin liegt von allem dem der Grund?

[13.11] Gehen wir in dasjenige Königreich, welches vom Meer umschlossen ist. In diesem Königreich findet ihr Bibliotheken und Zeitschriften in einer solchen Menge, dass man mit den Blättern Europa und Asien dreimal belegen könnte, und nirgends wird so viel gelesen wie in diesem Königreich. Aber auch nicht leichtlich findet ihr irgendwo eine größere Gefühllosigkeit und gänzliche Verhärtung der Herzen als in eben diesem Königreich! Mit der größten Gleichgültigkeit von der Welt kann da ein von Gold strotzender, vielbelesener und gelehrter Großer tausend arme, wehklagende, brot- und obdachlose Menschen vor seinem Palast des Hungertodes sterben sehen, ohne im Geringsten etwa dazu bewegt zu werden, auch nur einem aus den Sterbenden ein Stück Brot zu reichen.

[13.12] Frage: Ist das nicht eine herrliche Frucht der großen Belesenheit und nicht selten tiefer mathematischer und mechanischer Weisheit?

[13.13] Ist es nicht herrlich, wenn man sich durch dergleichen mathematische und mechanische Weisheit arbeitende Maschinen erbauen kann, durch welche Tausende armer Menschen mit einem Schlag brotlos und dem Hungertod preisgegeben werden?

[13.14] Ist es nicht herrlich, Eisenbahnen zu errichten, durch welche fürs Erste eine Menge Fuhrleute und andere Handwerksarbeiter um ihren Verdienst kommen, und fürs Zweite durch ebendiese Prachtstraßen dem Landmann so viele Grundstücke zerstört werden, dass er nachher bald genötigt ist, den Bettelstab zu ergreifen? Und welch ein großer Nutzen sieht erst fürs Dritte heraus, und dieser besteht darin, dass auf solchen Wegen aller Luxus und alle Industrie desselben umso schneller befördert werden kann, damit die arme Menschheit ja desto geschwinder leiblich wie geistig zugrunde gerichtet wird und die Herzen der Reichen baldmöglichst so fest werden wie die Straßen, auf denen sie miteinander durch Handel, Wechsel und Trug konversieren.

[13.15] Sind das nicht herrliche Früchte großer Belesenheit und daraus hervorgehender Gelehrtheit?

[13.16] Heißt man nicht den einen gescheiten Mann, der sich seinen Verstand zu Geld machen kann?

[13.17] Eben darum aber, weil der Verstand so viel Geld einträgt, ist die Liebe ganz außer Kurs gekommen, und die Tätigkeit nach ihr kennt man beinahe nicht mehr. Denn man hat ja Maschinen genug, die aus dem Verstand heraus tätig sind; wozu der Menschenhände?

[13.18] Denn Menschenhände könnten durch ihre Tätigkeit ja etwa gar in einem oder dem anderen großen Negotianten (Geschäftsmann) Liebe zu seinen Arbeitern erwecken. Um sich dieser Gefahr nicht auszusetzen, lasse man ja nur fleißig Maschinen errichten; denn diese arbeiten viel geschwinder und nehmen nie das Herz des Besitzers in Anspruch, sondern nur höchstens dann und wann, wenn zufälligerweise an ihnen etwas beschädigt wird, den Verstand, der das Beschädigte wieder allenfalls auf dem Wege einer Minuendo-Lizitation (per Abstreich) ausbessern lässt.

[13.19] Sagt, ob es nicht bei euch buchstäblich also geht?

[13.20] Das Betteln ist untersagt; aber das Maschinenbauen wird mit Prämien belohnt. Was denn hernach mit den Armen? Oh, da wird ja auch gesorgt! Es gibt ja eine Menge Armenhäuser und Armenväter; es werden Sammlungen angestellt und werden Theater und Bälle gegeben. Dadurch ist für die Armen schon so gut gesorgt, dass die ersteren zu Halbarrestanten werden, und die zweiten, noch Freien, bekommen monatlich eine so erstaunliche Summe, dass sie sich mit derselben höchstens an einem Tag einmal halbwegs satt anessen könnten. Wie viel aus der Armenkasse so ein Armer bekommt, brauche Ich euch nicht bekanntzugeben; das wisst ihr hoffentlich selbst.

[13.21] Stellt aber neben solcher Beteilung das menschliche Bedürfnis auf und das Verbot zu betteln, so wird es euch sicher klar, wie vortrefflich für jene Armen gesorgt ist, die noch glücklicherweise aus irgendeinem solchen Fonds beteiligt sind. Was aber bleibt für diejenigen übrig, die bei den Armenvätern noch kein Gehör gefunden haben?

[13.22] Seht, was das für herrliche Früchte der Literatur, der Belesenheit und der großen Kultur des Verstandes sind!

[13.23] Wäre es denn nicht besser, weniger zu lesen und zu lernen? Und das bestehe darin, dass man wisse, was die Pflicht eines Menschen, ja gar eines Christen sei!

[13.24] Wäre es, wie gesagt, nicht besser, nach solcher wenigen, aber nützlichen Wissenschaft vollauf tätig zu sein und dadurch die wahre Pflicht eines Menschen zu erfüllen, als die Zeit seines ganzen Lebens hindurch zu lesen und zu schreiben, aber auf die Tätigkeit nach Meinem Wort gänzlich zu vergessen?

[13.25] Ich sprach es: „Seid nicht eitle Hörer, sondern Täter des Wortes!“ Wo aber sind diese Täter nun? Sind es etwa die Maschinen- und Luxusfabrikanten? Oder sind es die Eisenbahndirektoren und Unternehmer? Sind es etwa die Industrieritter oder die Zuckerplantageninhaber in Amerika? Oder ist es etwa die geld-, gold- und herrschsüchtige Geistlichkeit? Fürwahr, Ich bin doch gewiss mit überaus weitsehenden und scharfen Augen versehen – und bin genötigt, Mir ebenfalls eine stark vergrößernde Fernröhre zu kreieren, um mit derselben die Täter Meines Wortes auf der Erde aufzusuchen. Bei trillionenmaliger Vergrößerung geht es Mir noch schlecht; denn da zeigt sich die Zahl noch so klein, dass Ich sie fürwahr noch nicht recht ausnehmen kann, ob sie ein Tausender, ein Hunderter, ein Zehner oder gar eine Null ist.

[13.26] Ich habe daher jetzt ein viel größeres Fernrohr in der Arbeit! Ihr werdet sicher verstehen, was Ich damit sagen will, indem ihr selbst ein wenig daran arbeitet; eine ganze Zentralsonnenscheibe soll zum Objektiv dienen. Durch dieses will Ich die Zahl der Täter Meines Wortes genau beschauen. Soll etwa für die ganze Erde sich ein reiner Zehner darstellen, so will Ich Mein Gericht noch auf tausend Jahre verschieben; wenn aber die Zahl unter Zehn steht, so werde Ich Meine Geduld bis zu einem großen allgemeinen Gericht auf die Zahl der Täter Meines Wortes beschränken, – das heißt für jeden Täter ein Jahr.

[13.27] Man wird freilich sagen: „Herr! Es gibt ja noch recht viele wohltätige Menschen!“ – Ich aber sage darauf: „Ja, es gibt recht viele Hunderttausendstel-, Zehntausendstel- und Tausendstel-, wohl auch Hundertstel-Täter Meines Wortes. Wenn Ich sie aber zusammenzähle, so wird kaum einer daraus!“

[13.28] Wieso aber? Was ist der, so er Hunderttausende besitzt und gibt davon an die Armen jährlich höchstens den zehntausendsten Teil seines Vermögens und kennt aber dennoch Mein Wort, das Ich zu dem reichen Jüngling gesprochen habe? Frage: Ist ein solcher mehr als ein Zehntausendstel-Täter Meines Wortes? Wahrlich, um solche frage Ich nicht; diese werden sich in Meinem Fernrohr auch nicht ausnehmen, sondern nur die Ganzen.

[13.29] Zu Noahs Zeiten habe Ich ebenfalls einen solchen Tubus aufgerichtet; und da Ich nicht mehr fand als acht alleinige Täter Meines Wortes, so ließ Ich das Gericht ergehen. Ich fürchte nun, ob Ich bei der gegenwärtigen Beschauung die Zahl Noahs treffen werde, und das aus dem Grunde, weil die Politik und die Industrie diesmal schon einen bei weitem höheren Gipfel erreicht hat als zu den Zeiten Noahs; und was die allenthalben vorkommende Grausamkeit betrifft, so steht sie nicht um ein Haar vor! Nehmt nur die „Zwölf Stunden“ zur Hand und vergleicht!

[13.30] Also ist es jetzt, wie es zu den Zeiten Noahs war, eine reife Frucht der Literatur und der großen Belesenheit. Daraus aber wird auch klar, dass das Heil der Menschen nie vom Viellesen und Vielhören, sondern vom Tun nach dem Gesetz der Liebe abhängt.

[13.31] Ich meine, das dürfte auch klar sein; aber darum nächstens doch eine Zentralsonne mehr wegen der Vergrößerung des Objektivglases auf Meinem Fernrohr!

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