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58. Die Miron-Ziege und der Bodendrucker

(Am 29. Oktober 1842 nachmittags von 4 1/2 bis 5 3/4 Uhr.)

[58.1] Aus der Reihe der vierfüßigen Tiere dieses Planeten wollen wir noch drei Klassen, oder vielmehr drei Gattungen, erwähnen und sie kurz beschauen; sodann nach einem allgemeinen Überblick sogleich zu den zweifüßigen übergehen.

[58.2] Das nächste Tier, das wir aus der Reihe der Vierfüßler betrachten wollen, ist die gemeine Ziege, welche ebenfalls einheimisch ist und von den Bewohnern als ein nützliches Haustier gehalten wird. Dieses Tier hat ungefähr eine zehnfache Größe einer großen Kuh bei euch, sieht aber weder einer Kuh noch einer Ziege eurer Erde ähnlich, und ist daher so, wie es in diesem Planeten vorkommt, auf keinem anderen Planeten wiederzufinden. Wie sieht denn hernach dieses Tier aus? Der Mittelleib ist überaus voluminös, so dass der Umfang des Bauches nicht selten zwölf Klafter beträgt. Die Füße aber sind im Verhältnis ganz stelzenhaft mager. Statt der Klauen eurer Ziegen hat dieses Tier, fast nach der Art eurer Gänse oder Enten, mit starker Zwischenhaut versehene Zehen; jedoch vorne nicht mit spitzigen, sondern mit mehr stumpfen Krallen versehen. Der Steiß dieses Tieres läuft in zwei förmliche Kegel aus, wovon ein jeder über anderthalb Klafter sich über dem Rückgrat erhebt. Zwischen diesen beiden Steißkegeln sitzt ein verhältnismäßig langer, rüsselartiger Schweif, welcher am Ende mit einem mäßigen Haarbusch bewachsen ist. Bis auf die Rückenzeile hat das Tier kurze Haare; auf der Rückenzeile aber stehen lange und steife Borsten reichlich und dicht aneinander, welche nicht selten über zwei Ellen lang sind und manchmal so dick wie ein schwacher Gänsekiel bei euch. Allda aber, wo die Füße den Leib verlassen, sind sie mit einem dichten Wulst von gekrauster Wolle ringförmig umfangen; ebenso auch mit einem kleineren unter dem Kniegelenk. Vor den beiden Füßen erhebt sich dann ein vollkommen runder Hals, der ebenso lang ist wie der ganze Körper und durchaus [durchweg] mit kurzen Haaren bedeckt ist. Auf diesem Hals sitzt dann ein Kopf fast von der Gestaltung eines Kamels bei euch, nur ist er dadurch unterschieden, dass er von der Stirn gerade hinaus drei ziemlich lange und wohlgesetzte Hörner hat, wovon das mittlere etwas stärker und länger ist als die beiden äußeren. Gerade in der Mitte des Bauches hängen vier starke Zitzen herab, das heißt bei dem Weibchen, welches gemolken werden kann, und dadurch den Bewohnern eine recht wohlschmeckende und sehr fette Milch zuteilwird. Also sähe demnach dieses Tier der Form nach aus.

[58.3] Was ist aber so eigentlich das Merkwürdige dieses Tieres? Das Merkwürdige dieses Tieres ist, dass es in drei Elementarreichen seine Nahrung suchen kann, nämlich auf dem Wasser, auf dem Land und in der Luft. Hier werden einige sagen: Das finden wir gerade nicht für so merkwürdig; denn also leben bei uns alle vierfüßigen Tiere; denn auch sie leben vom Wasser, vom Land und von der Luft. – Allein die Sache verhält sich sehr anders. Die Ziege kann ins Wasser gehen und da, gleich den Gänsen bei euch, herumschwimmen und allda die häufig vorkommenden Wasserkräuter verzehren. Dieses wäre noch nicht so merkwürdig, denn auch auf der Erde gibt es vierfüßige Tiere, welche sehr gute Schwimmer sind und denen auch die Wasservegetation gar wohl mundet. Dieses Tier aber kann sich auch frei in die Luft erheben und fängt allda, sich hurtig nach allen Seiten bewegend, die vom Wind getragenen Blätter wie auch noch sonstige plötzliche Luftvegetationen ab und verzehrt sie. Denn solches muss noch hinzubemerkt werden, dass die Luft dieses Planeten von allerlei seltenen meteorischen Erscheinungen überfüllt ist und nicht leichtlich ein Tag verstreicht, wo nicht entweder ganze Wolken von fremdartigen Pflanzen, Samenkörnern, fremdartigen Tieren und dergleichen mehreres auf kurze Zeiten diese Luft erfüllen. Diese meteorischen Erscheinungen aber fallen jedoch selten auf den Boden, sondern schwimmen in der Luft ganz behaglich fort, welches allda umso leichter der Fall ist, weil die Luft dieses Planeten viel intensiver und schwerer ist als die Luft eures Erdkörpers.

[58.4] Wenn demnach dieses Tier eine frugale Luftpromenade machen will, so bläht es seinen Bauch durch die Entwicklung einer inneren Luft recht auf, dirigiert sich dann mit seinen leichten Füßen nach allen möglichen Richtungen und befindet sich allda am besten, wo es in eine solche meteorisch planetarische Wolke kommt. Hat es sich allda satt angefressen, sodann segelt es wieder seiner Heimat zu und hat sich zwischen seinen beiden Steißkegeln auch noch einen kleinen Vorrat mitgenommen.

[58.5] Dieses Tier ist sonst überaus gutmütiger Art, hat aber dessen ungeachtet mehrere tierische Feinde. Diese Feinde aber werden dieses Tieres, wenn es dieselben nur frühzeitig genug erspäht hat, nicht leichtlich Meister. Denn beim Anblick eines oder des anderen Feindes erhebt es sich schnell in die Luft, schwimmt dann in derselben eiligst seinen Feinden zu und stößt dann mit seinen Hörnern mit großer Behändigkeit von der Luft herab auf seine Feinde. Wenn die von geringem Kaliber sind, so fasst es dieselben wohl auch mit seinen festen Zehen, trägt dieselben dann schwindelnd hoch in die Luft und lässt sie dann fallen. Die Feinde wissen und merken aber solches auch; daher machen sie sich auch alsbald aus dem Staub, sobald sich dieses Tier anfängt in die Luft zu erheben.

[58.6] Den Menschen aber ist dieses Tier überaus zugetan, tut ihnen nie etwas zuleide und kostet sie auch so viel wie nichts. Bei einer Haushaltung geschieht es dann nicht selten, dass sich mehrere Hunderte solcher Tiere aufhalten und den Einwohnern einen reichlichen Unterhalt verschaffen. Diese Tiere verlassen eine Haushaltung nicht leichtlich; es müsste nur sein, dass ein Mensch eines oder das andere dieser Tiere getötet hätte. Dann ist es aber auch auf längere Zeit aus; denn da begeben sich sobald sämtliche Tiere, und wenn es deren mehrere Hundert an der Zahl wären, von solch einer Haushaltung [hinweg] und bereichern dadurch eine andere.

[58.7] Die Farbe dieses sicher sehr denkwürdigen Tieres ist im Allgemeinen grünlichrot; die größeren Haarwüchse sind dunkelblau, die Borsten und der Schweif, die Steißkegel und der Hals sind blendend weiß, so wie die drei Hörner auf dem Haupt.

[58.8] Ein ferneres eben auch sehr denkwürdiges Haustier ist der alldort sogenannte Bodendrucker. Dieses Tier hat ungefähr die Gestalt eines Elefanten bei euch; nur sind seine Füße, wie auch sein Rüssel, anders beschaffen als die eines Elefanten bei euch; denn die Füße sehen so aus, als wären dem Tier vier Kegel angehängt, deren breite Teile zuunterst, und deren Spitzen aber mit dem Leib so verbunden wären, als wären sie in denselben hineingesteckt. Der sonstige Leib aber hat, bis auf das zehnmal größere Volumen, vollkommene Ähnlichkeit mit einem Elefanten bei euch. Der Kopf gleicht bis auf den Rüssel ebenfalls dem Kopf eines eurer Elefanten; nur der Rüssel ist im Verhältnis etwas kürzer und am Ende noch einmal so breit wie am Kopf, von dem er als eine verlängerte Nase ausgeht. Also sähe demnach dieses Tier aus.

[58.9] Warum hat es aber den Namen „der Bodendrucker“? In diesem Namen besteht zum meisten Teile auch die Nützlichkeit dieses Tieres. Denn allda, wo es sich aufhält, stampft es den Boden ganz eben und ruht nicht eher, bis es eine Fläche, die es sich zu seiner Wohnung ausersehen hat, vollkommen ebengestampft hat.

[58.10] Dieses Tier wird ebenfalls gezähmt und wird von den Bewohnern bei Gelegenheit der Erbauung ihrer einfachen Wohnhäuser gewisserart als Grundsteinleger gebraucht, bei welcher Gelegenheit die Menschen nur eine Furche ziehen dürfen, insoweit sie einen vollkommen ebenen Grund haben wollen. Wenn ein und das andere Tier dann auf eine solche befurchte Stelle hingeführt wird, so beginnt es sogleich den Boden zu ebnen, wühlt da mit seinen zwei geraden, langen Fangzähnen und mit seinem sehr kräftigen Rüssel das Erdreich auf und planiert auf diese Weise – trotz einem mathematischen Baumeister – die vorgezeigte Fläche. Ist die Fläche einmal locker planiert, alsdann geht das Stampfen an. Durch dieses Stampfen wird ein solcher Boden so eben und fest gemacht, dass fürs Erste sogar eine Wasserwaage, darauf gelegt, sicher das Medium halten würde; und fürs Zweite, was die dadurch bewirkte Festigkeit des Bodens betrifft, da würdet ihr mit euren Krampen und Picken zu tun haben, um denselben wieder aufzulockern.

[58.11] Dieses Tier ernährt sich ebenfalls von Kräutern und Wurzeln und hat ausnahmsweise beinahe keine Feinde, bis auf einige manchmal vorkommende Insekten. Seine Farbe ist fahlgrün. Und da sich von diesem Tier nichts mehr von Bedeutung erwähnen lässt, so wollen wir zu dem nützlichsten, zugleich aber auch merkwürdigsten Haustier dieses Planeten übergehen.

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